Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Besseres Bafög für viele anstatt ungerechtes Stipendienprogramm für eine Elite
Anrede,
die Prioritäten christlich-liberaler Bildungspolitik sind mal wieder offenkundig:
Das jetzt vom Bund finanzierte Stipendienmodell ist reine Eliteförderung und bedient in erster Linie die eigene bildungsbürgerliche Klientel.
Das Programm zeigt in mehrfacher Hinsicht die Schwächen schwarz-gelber Bildungspolitik auf:
1. Es ist ungerecht:
Da Habitus und Herkunft über Chancen auf ein Stipendium maßgeblich mitentscheiden,
ist das nationale Stipendienprogramm die gänzlich falsche Antwort auf die soziale Schieflage beim Hochschulzugang.
Nur sieben Prozent heutiger Stipendiaten stammen aus bildungsfernen Schichten.
2. Es ist schlecht gemacht:
Es wird scheitern, weil es an eine hälftige Finanzierung der Wirtschaft gekoppelt ist.
Umfragen haben gezeigt, dass die Hochschulen die Chance, private Mittel einzuwerben, als sehr gering einschätzen.
3. Es macht mal wieder die Schwächen des Bildungsföderalismus deutlich:
Da der Bund sich mit den Ländern nicht einigen konnte, ist jetzt ein alleine vom Bund finanziertes Schrumpfprogramm übrig geblieben. Statt der ursprünglich geplanten 110.000 Stipendien pro Jahr können jetzt nur noch 6.000 vergeben werden. Und die wirklich wichtige BAföG-Erhöhung steckt immer noch im Vermittlungsausschuss.
Werte Kollegen von CDU und FDP,
schon das zum Haushaltsjahr 2009 vollmundig verkündete niedersächsische Stipendienprogramm ist vom Scheinriesen zum Kleckerprogramm verkommen.
Dem nationalen Stipendienprogramm ist es nicht anders ergangen.
Deshalb appellieren wir an Sie:
Es darf nicht sein, dass die Mehrheit der Studierenden darunter leidet, dass Schwarz-Gelb ohne Rücksicht auf Verluste sein unausgegorenes Stipendienmodell durchdrückt. Setzen Sie sich für eine Rücknahme dieses Programms ein, solange es noch nicht angelaufen ist und sorgen Sie für eine bessere Ausstattung des BAföG.
Die bisher vorgesehene Erhöhung der Elternfreibeträge um 3% und der Bedarfssätze um 2%
wäre zweifelsohne besser als der Status quo, aber – das sei an dieser Stelle auch gesagt - bedarfsdeckend ist sie nicht! Wir schließen uns daher der Forderung des Deutschen Studentenwerkes an: Die Freibeträge der Eltern müssen um wenigstens 5% erhöht werden, wenn der Kreis der Geförderten nennenswert ausgeweitet werden soll. Um der Preisentwicklung annähernd gerecht zu werde, müssen die Bedarfssätze um 4% steigen.
Auch das Heraufsetzen der Altersgrenze auf 35 Jahre ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, konsequent wäre angesichts des Konzepts Lebenslangen Lernens allerdings die Aufhebung der Altersgrenze.
Eine nennenswerte weitere Öffnung der Hochschulen wird sich allerdings nur erreichen lassen
– und deshalb haben wir zum Antrag der Linken einen Änderungsantrag eingebracht –
wenn das Studienfinanzierungsmodell grundsätzlich reformiert wird. Deshalb schlagen wir statt einem Ausbau des BAföG mittelfristig die Umsetzung eines Zwei-Säulen-Modells vor.
Mit Säule eins erhalten alle Studierenden eine Sockelförderung als Basisabsicherung.
Die wird finanziert aus den Leistungen, die bisher an die Eltern gehen, also Kindergeld und Steuerfreibeträge. Studierende aus einkommensschwachen Elternhäusern erhalten in der zweiten Säule einen Bedarfszuschuss, der ergänzt um Wohngeld und Krankenversicherung den Lebensunterhalt sichert. Im Gegensatz zum BAföG sind beide Säulen als nicht rückzahlbarer Vollzuschuss, also ohne Kreditrisiko geplant.
Anrede,
wenn wir eine soziale Öffnung unserer Hochschulen erreichen wollen, dann müssen wir die finanziellen Hürden beim Zugang zum Studium abbauen. Ob Studiengebühren oder Spitzenförderung durch leistungsbezogene Stipendien: Sie bauen die Zugangschancen der Reichen aus und machen es den Armen immer schwerer, sich auf die Risiken eines Studiums einzulassen. Wenn Sie Ihre Studienfinanzierungspolitik nicht korrigieren, dann bleibt ihr Engagement für die "offene Hochschule" ein Muster ohne Wert.