Rede Gabriele Heinen-Kljajic: Abschluss eines Zukunftsvertrages II zwischen dem Land Niedersachsen und den niedersächsischen Hochschulen
Anrede,
der Zukunftsvertrag ist zweifelsohne ein Erfolg für die Hochschulen. Sie sind privilegiert, denn sie werden für 2011 von den Einsparvorgaben des Finanzministers ausgenommen und haben eine Absichtserklärung in der Tasche, dass dies bis 2015 so bleiben soll. Auf den ersten Blick also eine kluge Entscheidung! Aber auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das, was als Planungssicherheit für die nächsten fünf Jahre gefeiert wird, in Wahrheit eine Reformbremse ist.
Herausforderung Nummer eins: Niedersachsen braucht mehr Studierende. Die Länderstudie des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft hat erneut das bestätigt, was alle vergleichbaren Untersuchungen immer wieder attestieren: Niedersachsen befindet sich bei der Entwicklung bezüglich Studierendenzahlen, Studienanfängern sowie der sozialen Zusammensetzung der Studierenden in der Schlussgruppe des Ländervergleichs. Wir sind nach wie vor Exportmeister. Der Hochschulpakt fängt lediglich eine einmalige Spitze zusätzlicher Studierender, im Wesentlichen bedingt durch den doppelten Abiturjahrgang, auf.
Anrede,
wenn wir auf dem Niveau weitermachen, dann wird Niedersachsen vom zukünftig ansteigenden Fachkräftemangel stärker betroffen sein als andere Bundesländer, denn es gibt einen geographischen Klebeeffekt zwischen Studienort und Eintritt ins Berufsleben. Alle Studien zur Wirtschaftsentwicklung konstatieren einen engen Zusammenhang zwischen Bildungsangeboten im Tertiärbereich und der volkswirtschaftlichen Entwicklungsdynamik. Der Zukunftsvertrag aber behindert einen Ausbau unserer Hochschulkapazitäten, was uns in den nächsten Jahren noch teuer zu stehen kommen wird.
Anrede,
beschämend ist vor allem, dass der Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen oder bildungsfernen Elternhäusern – die an unseren Hochschulen ohnehin schon stark unterrepräsentiert sind – in Niedersachsen von 2006 bis 2009 um 3 Prozent abgenommen hat und auch der Anteil der Bildungsinländer weiter sinkt. Ohne Öffnung der Hochschulen für neue Zielgruppen bleiben Anstrengungen zur Behebung des Akademikermangels sinnlos. Die im Zukunftsvertrag auf weitere fünf Jahre festgeschriebenen Studiengebühren und ihr Abschreckungseffekt auf Schulabgänger aus einkommensschwachen Haushalten bewirken eine fatale Fehlsteuerung.
Herausforderung Nummer zwei ist die Verbesserung der Studienbedingungen. Hohe Abbrecherquoten und streikende Studierende im letzten Jahr haben deutlich gemacht, dass das Studium eher als Ankämpfen gegen Widrigkeiten erlebt wird, denn als Förderung des akademischen Nachwuchses. Ohne zusätzliche Investitionen in Anreizsysteme für bessere Lehre, in Qualifizierungsoffensiven in Sachen Hochschuldidaktik und neue Lehr- und Lernformen wird sich an dieser Situation nichts ändern. Auch zentrale Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses, wie die flexiblere Handhabung der Regelstudienzeit im Bachelor oder die Einführung thematisch nicht festgelegter Wahlpflichtbereiche, gibt es nicht zum Nulltarif. Auch hier beschreibt der Zukunftsvertrag Grenzen statt Horizonte.
Unterm Strich bleibt festzuhalten: Hinter dem Anspruch, zusätzlich in Bildung zu investieren, bleibt der Zukunftsvertrag weit zurück, weshalb wir ihn ablehnen werden.