Rede G. Heinen-Kljajic: Hochschulentwicklungsplan für Niedersachsen

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Anrede,
Niedersachsens Hochschulen sind im nationalen und internationalen Wettbewerb z. Zt. denkbar schlecht aufgestellt.
Statt langfristige Ziele zu beschreiben, etwa bezüglich der Zahl der Studienplätze, der Standortperspektiven oder der Angebotsstruktur, wird im HOK bei völlig beliebiger Anwendung von Entscheidungskriterien lediglich dem Ziel gefolgt, eine vorgegebene Einsparsumme umzusetzen.
Im Resultat werden sich die Studienbedingungen verschlechtern.
- Die Zahl der Studienplätze wird abgebaut.
- Dank massiver Stellenstreichungen wird die Qualität der Lehre weiter abnehmen.
- Letztendlich – und das ist wohl die fatalste Folge des HOK - werden notwendige strukturelle Veränderungen behindert statt befördert.
Anrede,
Minister Stratmann will uns dagegen weismachen, das HOK sei ein Entwicklungskonzept, weil es doch in die Struktur eingreife.
Falsch: Im HOK wird lediglich eine Summe von intransparenten und inkonsequenten Einzelentscheidungen getroffen, die aber allesamt weder bedarfsgerecht, noch einem Gesamtkonzept verpflichtet sind.
Dabei wäre eine Strukturreform dringend notwendig.
- Wir müssen die Studiendauer und die Abbrecherquote senken,
- wir müssen um wettbewerbsfähig zu bleiben, die Qualität in Lehre und Forschung verbessern,
- und wir müssen die Kapazitätsauslastung optimieren.
Voraussetzung hierzu wäre aber nicht nur eine bessere Ressourcenausstattung, sondern auch das Auflegen eines Hochschulentwicklungsplans.
Er dient nicht nur dazu, sich darüber zu verständigen, wie die Hochschullandschaft mittel- und langfristig aussehen soll, um Hochschulpolitik überhaupt zielorientiert steuern zu können,
sondern er ist auch Voraussetzung dafür, Hochschulpolitik für Hochschulangehörige wie Studierende verlässlich und berechenbar zu machen.
Herr Minister Stratmann, es ist bis heute völlig unklar, welche hochschulpolitischen Ziele und bildungspolitischen Perspektiven sie verfolgen.
Weder existieren belastbare Kriterien für die zukünftige Hochschulentwicklung, noch Aussagen über Mittel, die den Hochschulen zukünftig tatsächlich zur Verfügung stehen werden.
Dabei besteht gerade unter den verschärften Bedingungen knapper Ressourcen die Notwendigkeit einer Zielplanung, die Prioritäten festlegt und anzustrebende Kennzahlen benennt.
Andere Bundesländer – wie Badenwürttemberg – haben Hochschulstrukturkommissionen eingesetzt, um Wege aufzuzeigen, wie das Hochschulsystem im Rahmen begrenzter finanzieller Ressourcen durch strukturelle Veränderungen noch leistungsfähiger werden kann.
In Niedersachsen ist die Landesregierung bisher über das Formulieren von Floskeln wie "Stärken stärken" und "intelligentes Sparen" nicht hinausgekommen.
Wir müssen uns aber dringend darüber verständigen, wie das künftige Hochschulangebot in Niedersachsen aussehen soll.
Eine der wichtigsten Fragen ist: Welche Studienplatzkapazität braucht Niedersachsen und in welchem Maß fühlt sich die Landesregierung der Forderung verpflichtet, die Zahl der Hochschulabsolventen – wie es OECD-Studien immer wieder anmahnen – deutlich zu steigern?
Angesichts der Vorgabe, bis 2010 alle Studiengänge auf BA und MA umgestellt zu haben, müssen wir außerdem klären, wieviel Bachelor- und wieviel Master-Studiengänge wir brauchen. Oder wo soll es zwischen einzelnen Hochschulen Kooperationen bzw. Abstimmungen bei der Einrichtung von Konsekutivstudiengängen oder der Einrichtung einzelner Module geben?
Dann müssen wir klären, welche Fächerstruktur wir in Niedersachsen überhaupt wollen.
- Wollen wir eine stärkere Ausrichtung am Arbeitsmarkt?
- Wie stellen wir sicher, dass neben der Beschäftigungs- oder Marktorientierung des Studienangebotes die Geisteswissenschaften, deren Leistungsfähigkeit und Bedeutung für eine innovationsfähige Gesellschaft unverzichtbar sind, nicht an den Rand gedrängt werden.
- Und welche Fachbereiche wollen wir schwerpunktmäßig fördern, um Profilschärfe über sogenannte Leuchttürmen zu gewinnen?
Eine weitere möglichst schnell zu entscheidende Frage:
Wie soll die zukünftige Lehrerausbildung in Niedersachsen aussehen?
Unter dem Standortaspekt wäre weiterhin zu klären, welche länderübergreifenden Kooperationen wir eingehen wollen.
Von ganz zentraler Bedeutung ist die Frage der Höhe der Mittelzuweisungen.
Jede Formulierung inhaltlicher Reformziele ist ohne Plandaten über die zur Verfügung stehenden Ressourcen nichts anderes als Luftschlösser bauen. Hochschulpolitik nach Haushaltslage legt jedes Reformvorhaben lahm.
Anrede,
Wenn wir das Vertrauen der handelnden Akteure an den Hochschulen zurückgewinnen wollen, - was eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein Gelingen der Strukturreformen ist, - müssen wir verlässliche Zusagen über finanzielle Zuwendungen machen. Die angekündigten Versprechungen, die bisher unter dem Stichwort "Zukunftsvertrag" für die Jahre 2006 und 2007 gemacht wurden, reichen da bei weitem nicht aus.
Außerdem von zentraler Bedeutung:
Zur Sicherstellung eines transparenten und verlässlichen Reformprozesses ist es notwendig, dass die Zuwendungen endlich unter konsequenter Anwendung qualitativer Steuerungsinstrumente stattfinden.
Wir wollen eine Finanzierung als Kombination aus formelgebundener Mittelvergabe und Zielvereinbarungen.
Die leistungsorientierte Mittelvergabe, nach Parametern wie Auslastung, Absolventen, Drittmitteln oder Promotionen, trägt der wachsenden Eigenverantwortung der Hochschulen Rechnung, setzt Anreize für eine Erhöhung der Leistungen auf allen Ebenen und fördert die Wettbewerbsorientierung im Hochschulsystem.
Die Aussetzung der formelgebundenen Mittelvergabe für Universitäten, bzw. deren Einfrieren bei 35% für die Fachhochschulen muss schnellstmöglich aufgehoben werden.
So könnte die finanzielle Situation in Lehre und Forschung leistungsstarker Hochschulen oder Fachbereiche verbessert werden. Im Umkehrschluss könnte eine Mittelkürzung leistungsschwacher Bereiche auch Standort- oder Fachbereichsschließungen nach sich ziehen.
Zielvereinbarungen sollen konkrete Verantwortlichkeiten für das Erreichen und Verfolgen von Zielen benennen, müssen aber auch die Gegenleistung – die Ressourcen für die Aufgabenwahrnehmung – verbindlich festlegen.
Hier müssen aber auch Profil- und Strukturentwicklungen und deren Mittelausstattung verabredet werden.
Standort- und Fachbereichsschließungen auf dem Verordnungswege lehnen wir nach wie vor ab.
Gleichzeitig ist im §1 des NHG festgelegt, dass die Zielvereinbarungen Beratungsgrundlage der Haushaltsentscheidungen des Parlaments sind – was anscheinend in Vergessenheit geraten ist.
Anrede,
Hochschulen handeln im öffentlichen Auftrag und sind fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Deshalb muss der Landtag an der politischen Steuerung angemessen beteiligt sein.
Vor diesem Hintergrund ist es schon alleine haushaltstechnisch, bei allem Zugeständnis der üblichen Schwierigkeiten in der Anlaufzeit, überhaupt nicht einsehbar, weshalb das Parlament weiterhin vertröstet wird, und die Zielvereinbarungen – die eigentliche Grundlage der Mittelvergabe - bei den Haushaltsberatungen nach wie vor keine Rolle spielen.
Unsere Forderung an die Landesregierung: Verschleppen Sie nicht länger die konsequente Einführung qualitativer Steuerungsinstrumente und verhindern Sie zielgerichtete Reformen nicht länger durch den Verzicht auf eine Hochschulentwicklungsplanung.
Auch die Hochschulen fordern längst die Auflage eines strategischen Entwicklungskonzepts und die Einführung leistungsbezogener Mittelvergabe, wie jüngst der Neujahrsansprache des Präsidenten der Uni Hannover, Prof. Schätzl, zu entnehmen war.
Dieses Konzept muss im engen aber offenen Dialog mit den Hochschulen entwickelt werden.
An die Stelle von Beichtstuhlgesprächen hinter verschlossenen Türen müssen Transparenz und Nachvollziehbarkeit treten. Nur so gewinnen wir das verloren gegangene Vertrauen in politische Entscheidungen und damit in die Kooperationsbereitschaft der Verhandlungspartner zurück und geben den Hochschulen die im Reformprozess nötige Handlungsfähigkeit zurück.

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