Rede Filiz Polat: (Antrag CDU) Beschleunigung von Asylverfahren

- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
wir stehen alle zusammen angesichts historisch hoher Flüchtlingszahlen vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Die Bundesregierung reagiert darauf mit einem Gesetzentwurf, der über den Beschluss des Bund-Länder-Gipfels hinausgehende Verschärfungen enthält. Im Bundesratsinnenausschuss konnte unsere Landesregierung durch eigene Anträge zumindest zwei dieser nicht abgesprochenen Verschärfungen - bei der Unterbringung von Personen aus sicheren Herkunftsstaaten in Erstaufnahmeeinrichtungen und bei den Leistungskürzungen - wieder auf den eigentlichen Verhandlungsstand zurückholen. Es gab aber weitere Verschärfungsversuche, so beim Zugang zur Härtefallkommission, zur Dauer der Anspruchseinschränkung und zum Gewahrsam in Wartezentren, die eine entsprechende Tendenz des Bundes und einiger Länder unterstreichen.
Schon ohne dies ist meine Fraktion zusammen mit weiten Teilen unserer Partei der Meinung, dass der Bund-Länder-Kompromiss in wesentlichen Punkten die menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik von Bündnis 90/Die Grünen konterkariert. Er konterkariert damit auch den von uns angestrebten Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik, wie er etwa in verschiedenen Koalitionsverträgen auf Länderebene angelegt ist.
Die Anhörung im Innenausschuss des Bundestages hat die massive Kritik an dem Gesetzentwurf zu Gehör gebracht. Ich möchte die wichtigsten Punkte daraus wiedergeben.
Die evangelische und katholische Kirche hält die Absenkung des Leistungsniveaus für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen für verfassungswidrig. Auch den grundsätzlichen Ausschluss von Geduldeten, die aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, von Arbeitsmöglichkeiten und Bildungsoptionen halten die Kirchen für nicht sachgerecht. Sie befürchten, dass durch das Wiederauflebenlassen der Kettenduldungen die im August 2015 in Kraft getretene Bleiberechtsregelung des § 25b AufenthG leerlaufen könnte. Außerdem finden die beiden Kirchen, die Unterscheidung in Personen mit und ohne Bleiberechtsperspektive entspreche nicht dem auf eine individuelle Prüfung ausgerichteten Asylrecht.
Der Caritas-Präsident Peter Neher mahnte an: „Auch wenn die große Zahl an Flüchtlingen entschlossenes Handeln aller Akteure in Politik und Gesellschaft erfordert, müssen die Standards der Asylverfahren und des Verfassungsrechts aufrechterhalten werden.“ Insbesondere das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminium dürfe nicht beschnitten werden.
Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten sehe der Deutsche Caritasverband insgesamt kritisch. Er halte es für umso bedenklicher, als an die Einstufung bestimmter Staaten als sichere Herkunftsstaaten über Sonderregelungen für das Asylverfahren hinaus weitergehende Folgen geknüpft werden, so etwa die Absenkung sozialer Leistungen oder der Ausschluss vom Arbeitsmarkt. Sollen weitere Länder in die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ aufgenommen werden, haben das BVerfG und die Qualifikationsrichtlinie der EU dafür Maßstäbe aufgestellt, denen der vorgelegte Gesetzentwurf nicht gerecht werde.
Neher hält es zudem für schwierig, an die Bleibeperspektive bzw. an die Herkunft aus einen sichere Herkunftsstaaten anzuknüpfen, da dies den Ausgang des Asylverfahrens antizipiere. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich durch wen und in welcher Form diese Prognose getroffen werden soll.
Auch der DGB lehnt die Erweiterung der Liste sicherere Herkunftsländer ab.
Eine Verlängerung des verpflichtenden Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung auf bis zu sechs Monaten bzw. bis zur Abschiebung lehnt der DGB aus menschenrechtlichen und integrationspolitischen Gründen ab.
Der UNHCR lehnt diese Änderung ebenfalls ab. Es seien Beschränkungen der Fortbewegungsfreiheit nach Europa- und Völkerrecht nur unter bestimmten Bedingungen zulässig, die hier weder ersichtlich noch im Entwurf überzeugend dargelegt seien.
Claudius Voigt, Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender, sagte: „Die politische Diskussion um die ‚Gastarbeiter‘ der 60er und 70er Jahre und die ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ der 80er und 90er Jahre ging bereits in die gleiche Richtung: Auch diesen Gruppen war damals eine ‚geringe Bleibeperspektive‘ zugeschrieben worden. Unter anderem dies war der Grund, warum soziale Teilhabe verweigert oder nicht für notwendig erachtet wurde. Erst sehr viel später hat man erkannt, dass die damalige Politik ein integrations- und sozialpolitischer Irrweg war, die später aufwändig und schmerzhaft korrigiert werden musste. Die Folge dieser Politik wird neben der verordneten sozialen Exklusion einer ganzen Bevölkerungsgruppe auch die Förderung eines gesellschaftlichen Klimas der ‚Verachtung‘ gegenüber Menschen mit ‚geringer Bleibeperspektive‘ sein – übersetzt: Menschen aus dem Balkan. Unausgesprochen, aber in Wahrheit gemeint: Roma.“
Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst hält die verschärften Regelungen für Geduldete für „populistische Augenwischerei“.
Anrede,
Anzuerkennen ist durchaus, dass der Bund nun in eine dynamische finanzielle Unterstützung einsteigt, die zu einer überfälligen Entlastung der Länder und Kommunen beiträgt. Gleichzeitig bietet das Gesetzespaket darüber hinaus nur wenige Lösungsansätze für Länder und Kommunen, um die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der Flüchtlingsaufnahme zu bewältigen.
So vermissen wir eine Kontingent- und Altfallregelung für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten. Diese Maßnahmen würden zu einer deutlichen Verbesserung bei der Flüchtlingsaufnahme führen.
Anrede,
ich möchte noch einmal verdeutlichen, wie unser grünes Konzept aussieht.
Für eine gesteuerte Flüchtlingsaufnahme und eine wirksame Entlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge benötigen wir eine Altfallregelung für Bestandsverfahren von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten wie bspw. Syrien, Irak, Eritrea und Afghanistan. Das würde für eine sofortige Entlastung des BAMF führen.
Die Ausweitung und Verlängerung der humanitären Aufnahmeprogramme sowie des Resettlement und eine Erleichterung der Familienzusammenführung sind weitere geeignete Instrumente für eine Steuerung der Zuwanderung. Solange die Menschen keine alternativen Einreisewege nach Europa haben, werden sie ungesteuert und für uns absolut unberechenbar über die Balkanroute kommen. Abschottung ist hier der falsche Weg, dass müsste mittlerweile allen klar sein. Und die Erklärung von Flüchtlingslagern als sicher wie die Innenminister in Europa vorgeschlagen und das möchte ich an dieser Stelle sagen ist unerträglich.
Roma aus den Balkanstaaten wird aus Verantwortung vor der deutschen Geschichte und zur Entlastung der Asylverfahren ein humanitärer Zuzug in Form von jährlichen Kontingenten ermöglicht.
Wir benötigen zudem ein Einwanderungsgesetz, das neben konkreten Wegen für die Arbeitsmigration aus Drittstaaten einen Spurwechsel vom Asylverfahren in andere aufenthaltsrechtliche Verfahren ermöglicht.
Die arbeitsrechtliche Vorrangprüfung und das Arbeitsverbot nach § 33 BeschV sind abzuschaffen statt hier Hürden aufzubauen. Und ich kann Ihnen sagen diese Bürokratie zermürbt die Ehrenamtlichen nicht die Geflüchteten.
Vielen Dank!

Zurück zum Pressearchiv