Rede: Enno Hagenah: Zweite Beratung Haushalt 2009 – Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Anrede,

die weltweite Finanzkrise wirkt sich auf die niedersächsische Wirtschaft zunehmend negativ aus und wird auch nach Einschätzung der Nord LB noch dramatischere Formen annehmen. Die deutsche Bank erwartet einen Wachstumseinbruch von 4 Prozent und Goldmann-Sachs hält sechs Millionen Arbeitslose für möglich, wenn jetzt nicht entschieden politisch gehandelt wird. Aber Sie, Herr Wulff wollen ja Ihr Pulver trocken halten.

Hier und heute sind Anpassungsmaßnahmen im Landeshaushalt und der politischen Schwerpunktsetzung in Niedersachsen notwendig, die durch vermehrte öffentliche und private Zukunftsinvestitionen die Binnenkonjunktur stabilisieren. Das geht auch ohne neue öffentliche Schulden. Dieses Kunststück ist mit Kreativität und politischem Mut zu schaffen, aber nicht mit Mutlosigkeit und Realitätsverweigerung, Herr Möllring. Muss es denn erst zu Massenentlassungen kommen?

Sämtliche Zukunftsinvestitionen im Land müssen auf den Prüfstand, um das Unverzichtbare vom Aufschiebbaren zu unterscheiden. Das wäre Ihr Job gewesen, Herr Hirche.

Konjunkturanreize sind konsequent mit Investitionen in Bildung und Klimaschutz zu verbinden, zielgenau auf Handwerk und Mittelstand auszurichten und durch die Entlastung niedriger Einkommen zu fördern.

Vor diesem Hintergrund schlagen wir ganz im Sinn der von Ihnen am Montag unterzeichneten "Allianz für Nachhaltigkeit" ein Bündel von strategischen Anpassungsmaßnahmen im Haushalt vor:

Das Symbol unserer Effizienzstrategie ist der Verzicht auf einen teuren Neubau des Landtages. Der ist auch uns schwer gefallen, weil wir in konjunkturell besseren Zeiten auch die Hoffnung hatten, ein Neubau wäre vertretbar. Stattdessen wollen wir jetzt aber möglichst viele Landesliegenschaften in den nächsten Jahren nach einer Effizienzliste energetisch sanieren. Das Land soll sich dafür mit den eingesparten Landtags-Neubaukosten von 50 Mio. Euro an einer neu zu gründenden Public-Private-Partnership-Gesellschaft beteiligen, die mit einem Gesamtbudget von 500 Mio. Euro in den kommenden fünf Jahren das Sanierungsprogramm ausführt und sich aus den damit ersparten Energiekosten in gut einer Dekade refinanziert. Die Modernisierung des Landtages auf Grundlage des Wettbewerbsergebnisses 2002 soll dabei Teil der vorrangigen Bauprojekte sein.

2. Mit der Beschleunigung der energetischen Sanierung privater und kommunaler Wohn- und Geschäftsgebäude kann die Bauwirtschaft zusätzlich unterstützt werden. Durch ein neu aufgelegtes Aquisitionsprogramm der N-Bank sollen KfW-Mittel beworben und ohne Aufschlag an Bauinteressenten durchgeleitet werden. Als Zielwert können so 200 Mio. Euro pro Jahr KFW-Mittel für Investitionen in Niedersachsen gebunden werden. Viel mehr als heute.

3. Auch in der Wirtschaftsförderung ist ein Schwerpunkt auf Klimaschutz zu setzen, und mithilfe eines Klima-Innovationsfonds, der über 55 Millionen Euro pro Jahr verfügt, sind Fördermittel in Zukunftsbereiche direkt zu vergeben. Unterstützen wollen wir dabei vor allem Branchen im Bereich der regenerativen Energieerzeugung und Effizienzwirtschaft. Für die Stärkung und Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen sind innovative Projekte in den Zukunftsbranchen Klimaschutz und regenerative Energieerzeugung auf Landesebene besser zu koordinieren. Unter anderem soll auf Landesebene eine Koordinierungsstelle für das Projekt Ökoprofit eingerichtet werden durch die mit insgesamt nur 300.000 Euro pro Jahr Landesfördermittel Privatinvestitionen bis zur Höhe von 50 Mio. Euro pro Jahr induziert werden können.

4. Die Arbeitsmarktförderung des Landes und des Bundes ist auf den Vorjahreswert zu verstärken und nicht um 1,5 Mio. € zurückzufahren, wie CDU und FDP das tun. Für schwer vermittelbare gering qualifizierte Arbeitslose ist die Qualifizierungsförderung zu verbessern. Die Möglichkeit für öffentliche Arbeit mit Harz IV Empfängern ist im breiten Umfang in den Kommunen einzuführen. Auch Verbraucherberatung ist wegen erhöhter Nachfrage bei Klimaschutz und Finanzen zu stärken.

5. Anstatt in Niedersachsen am mittelfristigen Neubau der Autobahnen A 39, A 33 und A 22  festzuhalten, werden die dafür ohnehin viel zu geringen Mittel des Bundesverkehrswegeplanes von 500 Mio. Euro Bundesmittel von uns für den kurzfristigen durchgehenden 6- plus 2-spurigen Ausbau der unfallträchtigen und überlasteten A 7 und A 2 und deren vollständige Ausstattung mit Effizienz und Verkehrssicherheit optimierender Telematik-Steuerung eingesetzt. Parallel können aus den eingesparten Mitteln die Ortsumgehungen im Zuge der B 73 zwischen Stade und Cuxhaven, an der B 4 um Melbeck und an der B 74 um Bremervörde mit Vorrang realisiert werden, die wegen Ihrer Fixierung auf den Neubau von Autobahnen immer wieder verschoben werden.

6. Wir schlagen auch vor, die für die Y-Trasse im Bundesverkehrswegeplan mittelfristig vorgesehenen 1,3 Mrd. Euro stattdessen kurzfristig in ein niedersächsisches Schienenausbau-Programm "Hafenhinterland" zu investieren: Ziel ist der bedarfsgerechte Ausbau vorhandener DB- und NE-Bahnstrecken sowie des Knotens Hannover. Niedersachsen soll in den kommenden 10 Jahren 5 Mio. Euro pro Jahr dazu geben und muss bei Hamburg und Bremen um eine gleich hohe Beteiligung werben. Mit den so vorgezogenen Investitionen verhindern wir den Verkehrskollaps auf Straße und Schiene durch die prognostizierte Güterverkehrssteigerung vorrangig mit Bundesmitteln.

Anrede,

mit diesem jetzt nur schlaglichtartig vorgestellten Maßnahmen würde in den kommenden vier Jahren jeweils ca. 1 Mrd. € zusätzlich in Niedersachsen investiert werden. Einfach dadurch, das mehr und früher Bundesförderung in unser Bundesland geholt wird, und mehr private Investitionen damit angestoßen werden. Parallel werden besonders die Zukunftsbranchen Klimaschutz und Effizienzwirtschaft gestärkt.

Wenn Niedersachsen alle angeführten Anstrengungen unternimmt, und noch einige mehr, werden wir in der Lage sein, die schlimmsten Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bei uns noch abzuwenden.

Die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen machen jedoch das genaue Gegenteil. Als die private Bankenwirtschaft sich über das von uns angeregte erfolgreiche KFW Durchleitungsprogramm der N-Bank aus Konkurrenzgründen beklagte, wurde es kurzerhand abgesetzt.

Seit Jahren und auch 2009 verschenkt diese Landesregierung zudem Förderangebote der Bundesregierung aus fehl geleitetem Sparethos.

Nicht nur bei Städtebauförderung und sozialer sowie kultureller Infrastruktur gehen so viele Millionen an Bundesmitteln der hiesigen Wirtschaft und den Kommunen verloren. Aktuell stand nicht einmal die Gegenfinanzierung für das ohnehin geringe Konjunkturpaket des Bundes mit der Erhöhung der GA-Mittel (Gemeinschaftsaufgabe) um jährlich 15 Mio € im Nachtrag. Sie nutzen die Angebote, die für eine zusätzliche wirtschaftliche Belebung sorgen könnten nicht.

Auch die Tourismuswirtschaft soll erst in mehreren Jahren von Ihnen über die Tourismus-Marketing-Agentur finanziell angemessen ausgestattet werden, Dort gehen aber heute die Kunden im Harz und im Weserbergland verloren.

Von Ihrer Seite kommt auch keine Aussage, wie es nach 2009 mit den weiterhin zu geringen Regionalisierungsmitteln im ÖPNV in den Regionen weitergehen soll, obwohl das Signal heute wichtig wäre.

Gleichzeitig pflegen Sie aber an anderer Stelle die Hobbys von Minister Hirche!

Die Innovationsstiftung wird wegen Erfolglosigkeit zwar eingefroren, aber nicht aufgelöst.

Seine Privatisierungsvorlieben bei den so genannten "kleinen Straßenmeistereien" werden inzwischen selbst vom eigenen Ministerium nicht mehr mit wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft. Plötzlich werden für die ab 2009 vermehrt angestrebten Fremdvergaben 3 Millionen € zusätzlich im Haushalt vorgehalten, womit die ohnehin sehr geringe Synergiemarge von 15Prozent jetzt wohl nahe Null liegen dürfte. – Hier geht es Ihnen offenbar nur noch um das Durchsetzen ihrer Ideologie ohne faktischen Nutzen für das Land.

Wie viel Arbeit zunächst noch im eigenen Haus zu erledigen wäre, bevor solche strukturellen Neuerungen diskutabel wären, wird klar am im Nachtrag angemeldeten zusätzlichen Personalbedarf. Plötzlich ist ihnen aufgefallen, dass es mehr Großraum- und Schwertransporte auf der Straße gibt, und Niedersachsen hier eine sehr schleppende Abwicklung und Genehmigungspraxis hat. Es fehlen Anreize in den Genehmigungs-Gebühren um einen möglichst großen Anteil der Anträge auf den elektronischen Weg umzulenken, und unser Personal ist zu wenig geschult in der Anwendung. Jetzt soll zusätzliches Personal helfen, anstatt die Möglichleiten der elektronischen Abwicklung über die VMZ zu nutzen - ein Armutszeugnis.

Noch absurder ist aber ihr Wunsch nach mehr Personal zur Tunnelsicherung in Niedersachsen. Nichts gegen Sicherheit, aber die vorhandenen Möglichkeiten der effizienten elektronischen Kontrolle werden schon derzeit viel zu wenig genutzt. Fast alle Tunnel sind im zentralen Telematiksystem der VMZ erfasst und Kamera überwacht. Dennoch wird schon heute eine dezentrale Personalstruktur zur Überwachung am Tag zusätzlich vor Ort vorgehalten. Jetzt soll dies noch mit zusätzlichem Personal aufgerüstet werden.

Anrede,

abschließend stelle ich zum Wirtschafts- und Verkehrshaushalt fest:

Für vorausschauende Wirtschafts- und Finanzpolitik fehlen Ihnen der Mut und die Weitsicht, eine bedarfsgerechte und effiziente Verkehrspolitik ist Ihnen durch Ihre ideologische Vorfestlegung auf Autobahnneubauten und Eisenbahngroßprojekte wie die Y-Trasse nicht möglich. Und für eine soziale Arbeitsmarkt- und Verbraucherschutzpolitik ist die stramm neoliberal festgelegte FDP offensichtlich nicht sensibel.

Mit diesem Haushalt 2009 verspielt Niedersachsen viele Zukunftschancen und wird deshalb deutlich stärker in den wirtschaftlichen Abschwung mit hineingezogen werden, als dies mit unseren Vorschlägen der Fall wäre.
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