Rede Elke Twesten: Lehren aus der Havarie der MSC Flaminia ziehen – EU Richtlinie über die Nothäfen überarbeiten

Rede: Elke Twesten, MdL

Meine Damen und Herren,

Bevor wir in die Beratung dieses TOP einsteigen, meine Damen und Herren, möchte ich zunächst unseren herzlichsten Dank für den Einsatz des Havariekommandos zum Ausdruck bringen, für die zielgerichtete Arbeit des Teams um Herrn Monsees, den Fall Flaminia mit größter Sorgfalt und Umsicht zu  handhaben.

Nach allem, was wir wissen, wird die Entladung und Entsorgung der gefährlichen und der  beschädigten Güter und Container unter Berücksichtigung verschiedenster Szenarien vorbereitet.

Angesichts aller damit verbundenen Ängste und Gefahren der zurückliegenden Wochen erwarten wir ab jetzt, dass die Landesregierung den Landtag regelmäßig  und zeitnah über den Fortgang der EntladeArbeiten und alle möglicherweise noch auftretenden Probleme unterrichtet.

Doch lassen Sie mich zuerst auf die Entstehungsgeschichte dieser beiden Anträge eingehen:

Wir bedauern, dass die Regierungsfraktionen unser Angebot für einen fraktionsübergreifenden Antrag nicht angenommen haben.

 Es ist kein guter politischer Stil, wenn CDU und FDP sich schlicht zweit Tage lang nicht zurückmelden, sich nicht zu dem Ihnen vorliegenden Entwurf für einen gemeinsamen Antrag äußern, um dann einen eigenen Antrag vorzulegen und uns über die Presse (!), man merke auf!, einladen, diesen Antrag doch mit zu unterschreiben.

Der Anlass, die Bewältigung eines schweren Seeunfalls, dieser schweren Schadenslage verdient einen deutlichen, einen gemeinsamen Auftritt, einen anderen Umgang im Bewusstsein mit der Verantwortung für alle in den vergangenen Wochen Beteiligten und

gebietet eine pragmatische vor allem an der Sache  orientierte Auseinandersetzung abseits allen parteipolitischen Geplänkels.

Anrede

Alle Beteiligten und Beobachter der Vorgänge um die havarierte Flaminia sind sich einig, dass die Europäischen Regelungen für Seeunfälle sich im Fall Flaminia als völlig unzureichend herausgestellt haben. Die von allen europäischen Meeresanrainerstaaten gemachten Zusagen über die Zusammenarbeit bei Schiffsunglücken sind Makulatur.

Die nach schweren Schiffshavarien der Vergangenheit beschlossene europäische Gesetzgebung ERIKA I II und III, mit dem eigentlichen Ziel, die Sicherheit im Seeverkehr zu erhöhen und Schadenslagen wirksam zu bewältigen, hat sich als  > nicht >  ausreichend > erwiesen.

Die havarierte Flaminia bei schwerem Seegang als Geisterschiff in internationalen Gewässern hin und her zu schleppen und darauf zu warten, dass sich das Problem durch den Untergang des Frachters quasi von alleine löst, ist ein absolut inakzeptables Vorgehen.

Es ist offensichtlich, dass die EU-Regelungen eben diesen Zustand möglich gemacht – oder herbeigeführt haben?

Die in Rede stehende EG RL 17 aus 2009  lässt den Küstenstaaten soviel Spielraum bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Havaristen in einem Nothafen/an einem Notankerplatz, dass es möglich ist, aus politischen Gründen die Aufnahme eines havarierten Frachters zu verweigern.

Das, meine Damen und Herren wollen wir nicht hinnehmen.

Für den Worst Case sind wir sind sehr gut gerüstet. Haben die notwendige Ausrüstung angeschafft, um die Folgen eines Unfalls für unsere Küstenmeere und unsere Küstenregionen so abzufedern, dass die Schäden – ich sage es euphemistisch: überschaubar bleiben

Nach dem Pallas Unglück 1998 haben wir uns  darauf konzentriert, unsere Küsten vor den Folgen von Chemie und Ölunfällen zu schützen.

Die Fragestellungen im Zusammenhang mit Unfällen, die sich auf hoher See ereignen, wo unsere Küsten nicht direkt bedroht sind, sind nur unzureichend abgearbeitet worden.

Im Fall Flaminia ist doch offensichtlich, dass hier nach der Devise gehandelt wurde: Unsere Küste muss sauber bleiben, aber was wurde eigentlich getan, um auch das Sinken des Frachters, eine Verschmutzung des Ozeans weit draußen auf dem Meer zu verhindern.

Ich sage es nur ungern, aber angesichts von schwerem Seegang, vier Tiefdruckgebieten, die die Flaminia durchfahren müsste, und acht Meter hohem Wellengang, haben die Beteiligten versagt. Angesichts der jetzt deutlich gewordenen Schwere der Havarie ist vor allem der fehlende Informationsfluss vom Bund ins Land zu bemängeln. Die Bundesregierung hat zu lange gewartet, schwere Risiken für Besatzung, Natur und Umwelt billigend in Kauf genommen, denn sie ist seitens der Reederei NSB sofort und noch am Tage der ersten Explosionen informiert worden! Dann aber dauerte es einen ganzen Monat, 30 lange Tage, bis die zuständigen Stellen in Niedersachsen informiert worden sind - erst seit dem 16.8. gibt es im MU einen Fall, eine Akte Flaminia und es ist keineswegs so wie Sie in Ihrem Antrag behaupten, dass die Fraktionen zu einem frühen Zeitpunkt über die Schadenslage informiert worden sind, diese Info gab es erst Ende August.

Meine Damen und Herren, man muss auch einmal aussprechen, dass die Lösung: Die Flaminia wird in einem deutschen Hafen aufgenommen – auch eine politische Entscheidung war, die sicher auch damit zu tun hat,

  • dass die Deutsche Maritime Politik das Ausflaggen unserer Handelsschiffe rückgängig machen will, und
  • dass in Deutschland Fragen der Meeresverschmutzung, und das ist gut zu, besonders sensibel diskutiert werden.

Was wäre gewesen, wenn die Flaminia nicht unter deutscher Flagge von einer heimischen Reederei geführt würde? Würde sie dann auch in Wilhelmshaven liegen?

Ich möchte mit diesen Fragen zum Ausdruck bringen, dass Entscheidungen über den Umgang mit Havaristen, die sich in EU-Gewässern und nicht in den Küstengewässern eines EU-Landes befinden,  nach sachlichen und fachlichen Kriterien getroffen werden müssen, die aber uns alle zusammen angehen, weil Wasser, Meeresfauna und Flora, der Schutz unserer Umwelt,  keine Grenzen kennen.

Wir wollen – und darüber sind wir uns alle in diesem Hause einig – dass es EU-weit eindeutige  und klare Kriterien geben muss, die sicherstellen,  dass in solchen Fällen die bestmögliche Hilfestellung und die effektivste Unfallbekämpfung  erfolgt. Wir müssen die internationalen Gewässer vor unserer Haustür ganz klar als EU-Gewässer begreifen und die Fixierung auf die 12 Seemeilen-Zone überwinden.

Wir Grüne sind dazu bereit, wenn es notwendig ist, auch Kompetenzen über Entscheidungen die die Sicherheit des Schiffsverkehrs betreffen - wie die Zuweisung von Havaristen zu Nothäfen - auch von der nationalen Ebene auf EU-Ebene zu verlagern.

Im Punkt 3. des Antrags der Regierungsfraktionen sehe ich, dass wir uns an diesem Punkt wohl nicht ganz einig sind. Aber genau diese Frage,  welche Zuständigkeiten wo angesiedelt werden, muss  diskutiert werden. Das ist aber keine Grundsatzfrage, sondern hier geht es um die besten Lösungen,  es geht nicht darum, welcher Küstenstaat entscheidet, Havariemanagement im Atlantik, in der Nordsee, das geht nur gemeinsam, was fehlt ist der koordinierende Auftrag!

Herr Thümler hat ja in den vergangenen Wochen mit starken Worten  in seinen Pressemitteilungen den Eindruck erweckt, als hätte er sich schon persönlich und zu Fuß auf den Weg nach Brüssel gemacht, um dort die Missstände anzuprangern und für Abhilfe zu sorgen.

Tatsächlich haben gerade die großen Fraktionen das Thema im Verkehrsausschuss der EU totgeschwiegen, man wäre auf die Fragestellungen rund um die Flaminia nicht vorbereitet, hieß es von dort noch in der Woche, als das Thema hier auf der TO des UA stand.

Ich glaube, wir sind gut beraten uns zuerst in Niedersachsen auf eine gemeinsame Linie zu verständigen, die wir gemeinsam mit den Nachbarn Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und der Bundesregierung in Brüssel vorbringen sollten.

Weil aber das Schiff aus Niedersachsen stammt und jetzt auch in einem niedersächsischen Hafen liegt, kommt uns nun auch die besondere Rolle zu, deutliche Forderungen in Richtung Bundesregierung und EU zu formulieren, damit vergleichbare Havarien in Zukunft ohne internationales Kompetenzwirrwarr gemanagt werden können u die schon jetzt bestehenden Regelungen konsequent angewandt werden.

Meine Damen und Herren,

 die Erika Pakete hatten vor allem das Ziel, aus den bis dato gemachten Fehlern im Umgang mit schweren Havarien vor Europas Küsten zu lernen.

Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein Schiffsicherheitskonzept zu entwickeln, wie die beteiligten Staaten im Havariefall praktisch, schnell und im gemeinsamen Küsten- und Umwelt Interesse zusammen arbeiten müssen wir stehen in dieser Hinsicht für eine solide und politische Arbeit und Kooperation mit unseren Nachbarn und fordern Sie auf, genauso entschieden tätig zu werden.

 

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