Rede Dorothea Steiner: Zweite Beratung Haushalt 2005: Umweltpolitik

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Anrede
Im Haushaltsplan spiegelt sich immer die Politik wieder, die eine Landesregierung macht – und die, die sie nicht macht.
Bei der Einbringung des Umwelthaushalts im Ausschuss hat uns Minister Sander erklärt, seine Umweltpolitik sei dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet. Dem sei in allen Politikbereichen Geltung zu verschaffen.
Herr Minister Sander, davon kann ich weder in Ihrem Haushalt noch in Ihrer Politik etwas finden. Das sind bei Ihnen reine Worthülsen.
Wenn Sie im Umwelthaushalt nur unzureichend Mittel für den Naturschutz einstellen, um wenigstens ein Minimum abzusichern und europäischen Festlegungen zu entsprechen, dann könne Sie damit nicht darüber hinweg täuschen, dass Sie mit Ihrer Politik ein anderes Ziel verfolgen. Sie wollen den Naturschutz ruinieren und den Umweltschutz im Allgemeinen zurückfahren. Zielstrebigkeit ist Ihnen dabei nicht abzusprechen und wir müssen feststellen, Sie sind – bei erheblichen Widerständen- damit ein Stück weitergekommen. Das drückt sich nicht nur in Zahlen und verringerten Fördermitteln aus, z. Beispiel beim Trinkwasserschutz und bei den gewässerbezogenen Naturschutzprogrammen, um nur ein Beispiel zu nennen.
Diese Politik manifestiert sich auch in bürokratischer Behinderung und in Verhinderung von Naturschutz. Seit April blockieren Sie, wo immer es möglich ist, die Ausweisung von Naturschutzgebieten und greifen auch schon mal persönlich ein, um den Zuschnitt von Naturschutz- oder FFH Gebieten zu ändern oder die Naturschutznutzung im Interesse von Anrainern zu verhindern. Statt Naturschutzpolitik im allgemeinen Interesse wozu Sie Ihr amt als Umweltminister verpflichtet, fällen Sie Einzelentscheidungen im Klientelinteresse, seien es Gruppen, wie Landwirte oder Einzelpersonen, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende. Sie teilen es auf den entsprechenden Versammlungen auch immer wieder mit: Die Landwirtschaft muss vor dem Naturschutz und seinen Anforderungen geschützt werden und: die Wirtschaft macht den besseren Umweltschutz. Das ist eine konsequent nutzerorientierte Umweltpolitik, die nicht mehr dem Gemeinwohl und dem Schutz von Natur und Umwelt im Interesse zukünftiger Generationen verpflichtet ist.
Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens für den Naturschutz in Deutschland und auch die CDU-regierten Länder und Bayern – das bekanntlich vor einem christlich geprägten Hintergrund "Schöpfung bewahren" keinen schlechten Naturschutz betreibt, lassen sich nicht auf die Absenkung von Standards im Naturschutz ein, die historisch gewachsen und in der Bevölkerung verankert sind. In Niedersachsen dagegen erleben wir eben nicht Umweltpolitik mit den Menschen, sondern den Versuch, Ideologie umzusetzen, die aus vorgestrigen Elementen zusammengezimmert wird.
Die Abschaffung des NLÖ, die Zerstückelung der Umweltverwaltung ist eben auch die Umsetzung der Ideologie in die Praxis. Niedersachsen ist jetzt das erste Bundesland ohne Landesumweltamt, ohne eine zentrale Stelle, die Daten der Umweltbeobachtung auch für konzeptionelle und zukunftsweisende Umweltpolitik aufbereiten kann. Die Haushaltsansätze für Umweltmonitoring haben Sie ja deshalb auch schon konsequenterweise gekürzt. Was sollen Behörden auch Daten sammeln, wenn kein Personal mehr vorhanden ist, diese Daten auch auszuwerten.
Die Zerschlagung des NLÖ hat seine Ursache ja auch nicht darin, dass hier dringender Reformbedarf in Bezug aus Arbeitseffektivität und Qualität erforderlich gewesen wäre oder große Einsparungen möglich gewesen wären, sondern vor allem darin, dass Sie hier eine "politische Überzeugungstat " vollbringen wollten.
Ebenso ist es nicht mit sachlichen Argumenten zu erklären, dass Sie die Verbandsförderung für die Umweltverbände solange kürzen, bis Sie sie nächstes Jahr ganz einstellen.
Damit brechen Sie den Umweltverbänden das professionelle Rückgrat, das die Basis für das ehrenamtliche Engagement darstellt.
Der Grund ist doch: Sachkundige und kritische Vertreter von Umweltverbänden passen nicht in Ihr Konzept von Umweltpolitik, Sie könnten ja Schwächen benennen und begründete Forderungen im Umweltschutz auch mit öffentlicher Wirkung vertreten. Da greifen Sie lieber auf Projektförderung zurück, die Sie dann nach Gusto vergeben und nach eigenen Vorstellungen beeinflussen können.
Anrede
Das vom Umweltminister lancierte Projekt "Natur erleben" ist bei seiner ruinösen Naturschutzpolitik noch nicht mal ein Trostpflaster. In den Landkreisen längs der Elbe sollen mit der eindrucksvollen Summe von 100 000 Euro touristische Projekte aus dem Haushalt des Umweltministeriums umgesetzt werden. Es bleibt auch nach einem Jahr der Ankündigung dieser Initiative unklar, was denn der Umweltminister genau damit meint. "Die Menschen müssen Gelegenheit haben, die Natur zu erleben, sie dürfen nicht ausgesperrt werden" erklärt der frühere Pädagoge Sander bei vielen Gelegenheiten. Mit großem Erstaunen stellen wir immer wieder fest, dass Herr Sander die Natur neu erfindet.
Ich habe eher die nicht unbegründete Vermutung, dass sich Herr Sander hier eine Kasse eröffnet hat, um Wahlkreispflege zu betreiben, um bei seinen Auftritten im Lande kleine Wohltaten nach Gutsherrenart zu verteilen. Seien das 16.000 Euro für einen Radweg im amt Neuhaus oder 50.000 Euro für ein touristisch genutztes Hochmoor im Solling vor seiner Haustür.
Bingo Herr Sander!
Der Anschlag auf die Bingolotterie ist ein abenteuerliches Kapitel des Politikansatzes von Minister Sander. Vorerst sind Sie bei dem Versuch gescheitert, den direkten Zugriff auf die Gelder der Bingolotterie zu erhalten. Es kann und darf nicht sein, dass Bingospieler ihr Geld im guten Glauben für Umwelt- und Entwicklungsprojekte ausgeben und mit ihren Spieleinsätzen doch nur mit ihren Spieleinsätzen Löcher im Landeshaushalt gestopft werden sollen. Aber – Sie wissen alle: Lügen haben kurze Beine. Verbraucher - und Lotteriespieler sind auch Verbraucher – sind kritisch und hinterfragen jedes Angebot.
Unser Ziel: Die Deckelung der Ausschüttung im Haushalt 2005 auf 3 Millionen für Umwelt- und Entwicklungshilfeprojekte muss weg. Wir müssen wieder dahin kommen, dass der Anteil der Lotterie, der für gemeinnützige Zwecke vorgesehen ist, vollständig auch dafür ausgegeben wird.
Anrede
In Niedersachsen gibt es keine Ansätze mehr für eine zukunftsorientierte Umweltpolitik. Dem entspricht auch die Perspektivlosigkeit in der Energiepolitik. Sie decken Ihre Sparauflagen aus dem Ökofonds, der vor allem für die Förderung der erneuerbaren Energien eingerichtet wurde. Die Förderung des Einsatzes von Solarenergie ist bis auf zwei kleinere Projekte zurückgefahren und acht konkrete Projekte sind in Planung, die energetische Nutzung von Biomasse und Biogas befördern sollen. Der chaotische Umgang mit den Förderrichtlinien hat dazu geführt, dass kaum noch ein Unternehmen weiß, wofür es Förderung beantragen kann. Entsprechend geht die Nachfrage nach Förderung von Einzelprojekten zurück.
Auf das Irrlichtern des Umweltministers bei der Nutzung der Windenergie will ich hier gar nicht mehr näher eingehen. Da sehen wir inzwischen ja auch, dass vorsichtshalber der Ministerpräsident selbst die Zukunft der Windparks in seine Regie übernommen hat.
Den irrationalen Drang des Umweltministers, zwei Atommüllendlager in Niedersachsen anzusiedeln, müssen wir hier nicht thematisieren.
Resümee:
Wenn am monetären Umfang des Haushalts für einen Bereich die Bedeutung dieses Politikfelds für die Landesregierung abzulesen ist, dann erhalten wir das Signal, dass Umweltpolitik eine geringe Bedeutung für Niedersachsen hat.
Minister Sander sagte im Oktober diesen Jahres bei einer Einweihung, er arbeite daran, dass man in fünf Jahren kein Umweltministerium mehr brauche, weil dann alle Probleme gelöst seien.
Er meint vermutlich, dass er bis dahin die Umweltpolitik abgewickelt hat. Bevor dieses Szenario Realität wird, sage ich mit dem alten Cato: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass dieser Umweltminister abgewickelt werden muss.

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