Rede Dorothea Steiner: Lärmschutz als Gesundheitsvorsorge

Anrede,

Lärm ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leiden darunter und fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Wir alle wissen: In der Ruhe liegt die Kraft. Das wird uns oftmals erst dann bewusst, wenn es an der Ruhe mangelt. Da sich das Ohr dem Lärm nicht verschließen kann, ist ihm der Mensch sowohl im wachen als auch im schlafenden Zustand ausgesetzt. Auch in Zeiten, in denen früher die Ruhe selbstverständlich war, wie in der Nacht und am Sonntag, werden die Menschen zusehends mit Lärm belästigt, ob sie wollen oder nicht.

Anrede

Lärm macht krank. Folgen von Lärmbelastung sind Stress und ein erhöhter Krankenstand. Lärmbedingter Stress erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nach Auswertung von gut gesicherten Studien aus dem Jahr  2004 kommt das Bundesumweltamt zu der Einschätzung, dass sich rund 4000 Herzinfarkte pro Jahr in Deutschland auf den Straßenverkehrslärm zurückführen lassen.

Während wir im Bereich Luftreinhaltung in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht haben, war der Lärmschutz lange ein vernachlässigtes Thema. Umfrageergebnisse zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerung hier politisches Handeln erwartet. Und es ist kein Zufall, dass es viele Bürgerinitiativen gibt, die sich gegen Verkehrslärm gegründet haben, die für Lärmschutzwände oder für Flüsterasphalt auf Autobahnen kämpfen.

Lärmschutz ist auch ein gesamteuropäisches Problem. Die EU hat auch bereits vor einigen Jahren reagiert. Seit 2002 gibt es bereits die EU-Umgebungslärm-Richtlinie. Sie  sieht vor, dass Umgebungslärm durch strategische Lärmkarten erfasst wird und dass unter Beteiligung der Öffentlichkeit Aktionspläne aufgestellt werden, in denen Maßnahmen zur Bekämpfung des Umgebungslärms festgelegt werden sollen.

Im Bundesimmissionsschutzgesetz wurde dies im Mai 2005 in deutsches Recht umgesetzt. Der § 47 des Gesetzes legt für die Erstellung von Lärmkarten und Aktionsplänen einen bestimmten Zeitraum fest.

Jetzt sind die Bundesländer und die Kommunen gefordert. Denn diese Lärmkartierungen und die Aufstellung der Aktionspläne für Belastungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Großflughäfen sind von den Gemeinden oder den nach Landesrecht zuständigen Behörden vorzunehmen.  

Wir sind der Auffassung, dass das Land die Verantwortung für die Lärmkartierung in den Kommunen unter 250 000 Einwohnern übernehmen und sie bei der Lärmminderungsplanung unterstützen muss. Das macht Sinn und ist insgesamt kostengünstiger. Wir können die Kommunen nicht allein lassen bei dieser Aufgabe. Stellen Sie sich mal vor, 20 Kommunen beauftragen 20 Gutachterbüros und jede Kommune zahlt einzeln, das Messverfahren ist nicht abgestimmt und es gibt leicht differierende Ergebnisse!

Andere Bundesländer machen das über ihre Landesumweltämter.  Die haben ja auch noch welche. Niedersachsen leider nicht mehr – dank des verheerenden Wirkens von Herrn Sander. Für strategische Umweltplanung braucht man eben ein Landesumweltamt. Dort, wo Landesumweltämter die Lärmkartierung übernehmen können, führt das auch zu Kostenminderung. Eine Untersuchung für Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten für den Aufwand pro Einwohner sich auf weniger als die Hälfte belaufen würden, wenn die Lärmkartierungen vom Land gemacht würden statt von den Kommunen. Im Übrigen würde dies auch den Bürokratieaufwand verringern.

Anrede,

in Niedersachsen muss  jetzt was passieren und zwar pronto. Im Internet finden sich noch die alten vom NLÖ erstellten Lärmbelastungskarten, dort werden als Belastungsgebiete Hannover, Braunschweig und Bremen incl. Umland dargestellt. Was das Umweltministerium jetzt aber als Belastungsraum gemeldet hat ist lediglich die Landeshauptstadt Hannover mit den Nachbargemeinden Garbsen und Laatzen. Langenhagen, den Standort des Flughafens haben sie herausgelassen, da gibt es wohl keinen Lärm?

Leider gibt es ein munteres Hickhack zwischen Wirtschaftsministerium und Umweltministerium, wer wofür zuständig sein soll. Als Folge dessen hat das Land noch keine Zuständigkeitsverordnung erlassen. Wir stellen fest, dass hier erstaunlicherweise mal das Umweltministerium die richtige Position einnimmt und die Grobkartierung der Belastungsräume und die Aktionspläne selbst übernehmen will – wie man hört!! Das unterstützen wir,  Herr Sander.  Machen Sie mal Herrn Hirche darauf aufmerksam, dass auch in diesem Fall das Konnexitätsprinzip gilt und durch das Land diese Aufgabe kostengünstiger und effektiver durchgeführt werden kann!

Um die Lärmbelastungen in den Ballungsräumen realistisch zu erfassen, dürfen Belastungsräume nicht an Stadt- und Kreisgrenzen definiert werden, sondern sie müssen über diese Grenzen hinaus festgelegt werden. Besonders gilt dies für die Großräume Bremen und Hamburg. Hier ist besonders auf den Bremer Speckgürtel und die Einflugschneise des Bremer Flughafens hinzuweisen.             

Ganz besonders wichtig ist bei der Erstellung von Lärmaktionsplänen eine breite und wirkungsvolle Beteilung der Öffentlichkeit, damit hier keine Planung den Menschen von oben übergestülpt wird! Von der Lärmbelastung sind viele Menschen betroffen, die wollen mitreden und ihre Wünsche und Vorschläge einbringen.

Ich möchte noch darauf eingehen, ab welcher Grenze Lärmminderungspläne aufgestellt werden müssen. Die Bundesratsinitiative von Baden Württemberg sieht vor, dass erst ab 70 dBA am Tag und 60 dBA in der Nacht Lärmminderungsmaßnahmen  notwendig werden sollen. Das ist gesundheitsschädlich! Nach Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung, zuletzt dokumentiert 2004, steigt das Herzinfarktrisiko oberhalb von Tagesimmissionspegeln leicht, oberhalb von 65 Dezibel stärker an. Wir wollen, dass das Land Niedersachsen diese Initiative ablehnt und sich an den Werten 65 Dezibel am Tag und 55 Dezibel in der Nacht orientiert. Ab dann müssen Maßnahmen zur Lärmminderung erfolgen. Lärmschutz ist Gesundheitsvorsorge und muss ernst genommen werden – das erwarten die Menschen von dieser Landesregierung.

Anrede,

der Bund darf nicht aus der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen an den Fernstrassen und Schienen entlassen werden. Ein Bundessanierungsprogramm ist notwendig. Hiervon sind auch Beschäftigungswirkungen zu erwarten.

Als letztes möchte ich noch darauf hinweisen, dass es sinnvoll ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität mit Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelastung zu kombinieren. Dort wo die Luft stark belastet ist, meist durch den Verkehr, dort ist es auch laut – so die Alltagserfahrung. Aus Kostengründen und aus Effizenzgründen sollte man Maßnahmen hier zusammenfassen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen,

 um allen Debatten mit der beliebten Anti-EU-Stroßrichtung den Wind aus den Segeln zu nehmen, sage ich Ihnen: Wir müssen hier in Niedersachsen nicht handeln, weil sich vermeintliche EU-Bürokraten wieder mal radikale Umweltschutzmaßnahmen ausgedacht haben und die Bundesländer sie zähneknirschend umsetzen müssen.

Wir müssen handeln, weil die Gesundheitsgefährdung für Bürgerinnen und Bürger das notwendig macht.

Zurück zum Pressearchiv