Rede Dorothea Steiner: Kommunale Verantwortung für die Abfallwirtschaft sichern

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Anrede,
die Entsorgung von Abfällen auf angemessenem Niveau ist ebenso wie Trinkwasserversorgung oder Abwasserentsorgung ein Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
In unserem Antrag machen wir die Rahmenbedingungen der Abfallentsorgung zum Thema.
Wir können feststellen:
Die kommunalen Strukturen in der Abfallwirtschaft haben sich bewährt.
Die Entsorgungssicherheit wird auf einem hohen technischen und ökologischen Niveau gewährleistet. Kommunale Träger und ihre Beauftragten stellen für die Bürgerinnen und Bürger und die kleineren Gewerbetriebe ein umfangreiches Dienstleistungsangebot zur Verfügung sowohl bei der Entsorgung als auch bei der Verwertung und Beseitigung von Siedlungs- und Gewerbeabfällen.
Viele Städte und Landkreise, in Niedersachsen ca. die Hälfte der entsorgungspflichtigen Körperschaften, sind zwar die Träger der Entsorgung, aber sie lassen ihre Abfälle ganz oder teilweise von privaten Unternehmen einsammeln, behandeln oder entsorgen. Sie profitieren derzeit von einem starken Wettbewerb unter den Betrieben.
Nun fordert die Entsorgungswirtschaft eine vollständige Liberalisierung im Abfallbereich, bei den Industrievertretern heißt das "stärkere Unterwerfung unter marktwirtschaftliche Prinzipien". Das heißt konkret, die Andienungspflicht für Hausmüll und den Gewerbemüll von kleineren Unternehmen an die kommunalen Entsorger soll aufgehoben und der Restabfall soll frei handelbar werden. Er wäre zu behandeln wie ein x-beliebiges Wirtschaftsgut. Die Beteiligung von Kreistagen und kommunalen Gremien an abfallwirtschaftlichen Entscheidungen wäre ausgeschaltet.
Die völlige Liberalisierung ebnet Müllmonopolen den Weg.
Bei dieser Problemlage ist es völlig verfehlt von Seiten des Umweltministers, öffentlich die Liberalisierung der Hausmüllentsorgung in die Diskussion zu bringen. Stellt man jetzt die Überlassungs- und Entsorgungspflicht für Abfälle aus privaten Haushalten und kleineren Gewerbetrieben zur Disposition, so ebnet man den Weg für die Bildung von Müllmonopolen. Das Bundeskartellamt prüft derzeit die geplante Übernahme von 70% des Entsorgungsunternehmens RWE Umwelt durch den Konkurrenten "Rethmann Entsorgung". Rethmann, bisher die Nummer zwei auf dem bundesweiten Entsorgungsmarkt, würde mit dieser Übernahme zum unangefochten Branchenstärksten aufrücken, etwa dreimal größer als der nächste Mitbewerber. Die Branche mit ca. 600 meist mittelständischen Betrieben befürchtet, dass Rethmann damit die Möglichkeit hat, Wettbewerber unter sein Preisdiktat zu zwingen. Das Unternehmen sei logistisch dann derart aufgerüstet, dass es in jedem Gebiet jeden Wettbewerber, der nicht nach den Vorgaben von Rethmann spielt, aus dem Markt drängen könnte.
Solche Zustände kann diese Landesregierung doch wirklich nicht wollen.
Eine Entwicklung wie auf dem Strommarkt, auf dem sich als Konsequenz völliger Liberalisierung nach einer Übergangsphase monopolartige Strukturen verstärkt haben, darf sich auf dem Entsorgungsmarkt nicht wiederholen. Bei dieser Ausgangssituation kann eine ordnende Hand des Marktes, auf die der liberale Urvater Adam Smith noch gesetzt hatte, nicht mehr erwartet werden, eher aber Wildwest im Müllbereich.
Was würde es bedeuten, wenn man voll liberalisiert und privatisiert?
Um Fehlinterpretationen vorzubeugen, möchte ich gleich betonen, dass es uns hier nicht um Ausbau des staatlichen Sektors geht, sondern um Erhalt der Rahmenbedingungen für die kommunale Abfallwirtschaft und um eine flächendeckende, umweltgerechte Entsorgung zu sozialverträglichen Preisen.
Stellen Sie sich vor, was passieren wird, wenn die Andienungspflicht bei den Kommunen fällt und Hausbesitzer und kleine Gewerbebetriebe sich mit einem kleinen Schein die anderweitige Verwertung bestätigen lassen können! Die Kommunen werden die Kosten für ihre Langzeitvorsorge allein bezahlen müssen und die kommunalen Betriebe kommen in schweres Wasser. Die kommunalen Kosten würden auf die Bürger umgelegt. Parallel dazu sind diese Bürgerinnen und Bürger von den Entsorgungskosten abhängig, die ihnen die privaten Entsorger berechnen. Die Gewinne, die vorher von den kommunalen Trägern zur Verringerung der Kosten genutzt werden konnten, würden dann im Säckel der privaten Entsorger landen. Der Staat bliebe im Interesse aller weiterhin zur Kontrolle der Abfallverwertung verpflichtet. Wie sie das effektiv durchführen sollten, ist völlig unklar.
Von der Aufrechterhaltung ökologischer Standards brauchten wir dann gar nicht mehr zu reden.
Wollen Sie solche Zustände in Niedersachsen herbeiführen? Wir Grüne nicht und wir befinden uns damit in der guten Gesellschaft der Vertreter der Kommunen, des Sachverständigenrats für Umweltfragen.
Anrede,
der Sachverständigenrat in Umweltfragen hat in seinem jüngst vorgestellten Gutachten gefordert, dass die Hausmüllentsorgung weiterhin in der ausschließlichen Zuständigkeit der kommunalen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verbleiben solle. Auch er sieht die Gefahr, dass sich ein diffuser, mehr an Gewinninteressen als an Umweltverträglichkeit orientierter Entsorgungsmarkt ausbreitet, der nicht mehr genügend kontrollierbar ist und einen ganz erheblich gesteigerten Sammlungs- und Transportaufwand mit sich bringt.
Nach seiner Auffassung würde eine Liberalisierung in diesem Bereich die Kontrolle über die Abfälle erheblich erschweren.
Auf europäischer Ebene wird im nächsten halben Jahr neu definiert, was unter Abfall, Verwertung und Beseitigung zu verstehen ist. Der Umweltrat fordert die Bundesregierung auf, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass die Mitgliedstaaten weiterhin dazu berechtigt sind, zumindest die Hausmüllentsorgung vollständig der öffentlichen Daseinsvorsorge zuzuweisen. Dafür treten wir auch ein.
Und damit kommen wir wieder zurück zur Abfallwirtschaft in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren,
die Forderung nach Liberalisierung ist ein falsches politisches Signal. Das richtige Signal heißt: Grün für den Erhalt der kommunal bestimmten Abfallwirtschaft. Grün für die Beibehaltung der Andienungs- und Entsorgungspflicht. Grün für den Erhalt einer mittelständischen Entsorgungswirtschaft. Der Landtag sollte sich für dieses Signal entscheiden. Die Planspiele im Umweltministerium müssen eingestellt werden.

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