Rede D. Steiner: Regelungswut des Umweltministers stoppen

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Anrede
im Juli dieses Jahres hat uns aus heiterem Himmel das Umweltministerium mit einer neuen Verordnung beglückt, der"Verordnung über die Beseitigung pflanzlicher Abfälle durch das Verbrennen außerhalb von Abfallbeseitigungsanlagen". Damit soll die bisher geltende Kompostverordnung durch eine Brennverordnung abgelöst werden. Sie beinhaltet: Gemeinden sollen beliebig Brenntage festlegen können, an denen Grün- und Holzabfälle auf dem eigenen Grundstück verbrannt werden können. Im Einzelfall sollen auch Treibselverbrennungen zugelassen werden.
Anrede
bei jeder neuen Vorschrift, die von staatlicher Seite auf den Weg gebracht wird, müssen wir uns als erstes fragen: Brauchen wir diese Vorschrift und ersetzt oder vereinfacht sie eine bestehende Regelung? Für die Brennverordnung müssen wir diese Fragen durchweg mit nein beantworten.
Die Gemeinden lässt diese Brennerlaubnis kalt. "Wir werden es so belassen, wie es ist," erklärte beispielsweise die Bürgermeisterin von Großefehn. Aus ostfriesischen Gemeinden hört man: "Schon aus touristischen Gründen werden wir nicht mehr Brenntage zulassen, denn die Urlauber haben keine Lust auf ständige Lagerfeuer". Auch die Deichachten wollen mit der Treibselverbrennung nicht wieder anfangen und das ist wegen der sonst zu erwartenden Gefährdungen durch Schadstoffe auch absolut richtig.
Es gab und gibt immer wieder Beschwerden aus der Bevölkerung über erhebliche Belästigungen im Zusammenhang mit dem unkontrollierten Abbrennen von pflanzlichen Abfällen. Die Brennverordnung macht das Tor auf für die thermische Beseitigung von Pflanzenabfällen ohne jegliche Maßnahme der Emissionsminderung. Keine Umweltbehörde einer Gemeinde wird kontrollieren können, was sonst noch mitverbrannt wird: Zäune, Bahnschwellen oder hin und wieder Haushaltsabfall. Eine erhöhte Belastung mit Luftschadstoffen wird auf jeden Fall die Folge sein.
Gleichzeitig wird der Vorrang der stofflichen Verwertung ausgehebelt. Städte und Landkreise haben ein funktionierendes Netz von Grünabfallsammelstellen aufgebaut bis hin zum Abholservice auf Anforderung. Anlagen zur Herstellung von Qualitätskompost und regionale Vermarktungsstrukturen gehören zum Standard. Auch in diesem Bereich wurden übrigens Arbeitsplätze geschaffen, die zum Teil gefährdet werden. Die Brennverordnung beschert uns dagegen einen Rückfall in die abfallpolitische Steinzeit: Die Abfälle werden aus der Wohnhöhle geworfen und davor verbrannt. Das können Sie doch heute nicht wieder einführen wollen.
Diese Brennverordnung ist nicht nur überflüssig, sondern schädlich. Statt Deregulierung wird es als Folge der Brennverordnung einen unvorhersehbaren Wirrwarr an lokalen Einzelregelungen geben, deren Sinnhaftigkeit keinem Bürger mehr zu vermitteln wäre.
Dazu kann ich nur sagen: Bei der Entbürokratisierung hat man sich von hinten durch die Brust geschossen. Deshalb, Herr Minister Sander, ziehen Sie diese Verordnung zurück, bevor sie Rechtskraft erlangt!
Anrede,
im September wurden Fachleute und interessierte Laien überrascht von einem Erlass aus dem Hause Sander an die Unteren Naturschutzbehörden, der kurz als Höflichkeitserlass tituliert wurde. Danach sollen bei notwendigen – auch hoheitlich begründeten - Untersuchungen im Vorfeld die betroffenen Grundeigentümer ermittelt und individuell benachrichtigt werden "unter Einhaltung einer angemessenen Frist vorab schriftlich" Untersuchungen und Erfassungen sind zum Beispiel notwendig für Artenerfassungen, Schutzgebietsausweisungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen von Investitionsvorhaben. Hiervon sind häufig bei einem Vorhaben mehrere hundert Eigentümer betroffen. Insbesondere in vielen vom Naturschutz her bedeutsamen Wald- und Moorgebieten sind die Flurstücke sehr kleinflächig parzelliert und kleine Flächen können eine große Zahl von Eigentümern aufweisen.
Deshalb haben sich viele bei der ersten Lektüre des Erlasses gefragt: Ist das ein verspäteter Aprilscherz oder ist das ernst gemeint? Er war leider ernst gemeint. Umweltminister Sander begründete die Vorschrift mit dem "Gebot der Höflichkeit" und glaubte damit vermutlich voll im Trend als Umweltdienstleister zu liegen.
Ich darf Ihnen einige Reaktionen derer vortragen, die auf der Grundlage des Erlasses arbeiten müssten. Der Bund deutscher Landschaftsarchitekten stellt fest "dass selten zuvor eine ... administrative Regelung derartiges Befremden, wenn nicht gar Verunsicherung unter den betroffenen Mitgliedern unseres Verbandes hervorgerufen hat". Der Bund Deutscher Biologen hält "diesen Erlass mit seinen möglichen Konsequenzen für verheerend" und fordert die Rücknahme.
Und die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände schreibt kurz und knapp, der Erlass hätte zur Folge, dass ein bürokratischer Aufwand entstehen würde, der den Bestrebungen der Landesregierung zur Entbürokratisierung der Verwaltung zuwiderliefe. Die Arbeitsgemeinschaft teilt mit, dass sie sich nicht in der Lage sähe, den unteren Naturschutzbehörden die Anwendung des Erlasses zu empfehlen.
Und in der Tat, meine Damen und Herren, würde der Erlass umgesetzt, würde die Arbeit der Unteren Naturschutzbehörden in diesem Bereich lahmgelegt. Müssen bei Begehungen von Grundstücken erst die Eigentümer ermittelt und angeschrieben werden und anschließend bei Einwänden über die Rechtslage aufgeklärt werden, dann können Sie sich vorstellen, wie viel Zeit und Arbeitskraft hier gebunden wird. Ganz abgesehen von den zusätzlichen Kosten, die damit verbunden sind.. Es besteht die erhebliche Gefahr, dass die notwendigen Untersuchungsergebnisse nicht mehr flächendeckend erhoben werden können oder dass bestimmte Genehmigungsverfahren als Vorraussetzung für Investitionsvorhaben nicht mehr zeitnah durchgeführt werden können. Das gefährdet öffentliche und private Vorhaben und verteuert sie auf jeden Fall.
Ist es das, was Sie, Herr Minister mit Ihrem Entbürokratisierungserlass erreichen wollten? Ihr merkwürdiges Verständnis von Menschenfreundlichkeit verursacht mehr statt weniger an bürokratischem Aufwand und führt dazu, dass die tatsächlich notwendige Arbeit nur noch höchst eingeschränkt geleistet werden kann. Wir sind gespannt, wie Sie damit umgehen, wenn das Land anschließend mit unvollständigen Untersuchungen, die für EU-Schutzgebiete erforderlich sind, in Verzug kommt. Zahlen Sie dann für eine Nachuntersuchung oder lieber das Bußgeld?
Dieses Erlasswerk ist ein Bärendienst für den Naturschutz und eine unnötige Arbeitsbeschaffungsmassnahme für die kommunalen Naturschutzbehörden. Überflüssig ist es obendrein, denn die jetzige Regelung der öffentlichen Bekanntmachung hat nach Auffassung aller Beteiligten immer funktioniert. Kurz gesagt: Eintracht Schwarz-Gelb hat ein echtes Eigentor beim Bürokratieabbau geschossen! Sie sollten den Erlass zurückziehen und den Stürmer auswechseln.

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