Rede D. Steiner: Änderung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes

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Anrede,
die Regierungsfraktionen loben sich hier gegenseitig dafür, dass sie mit der Veränderung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes einen großen Fortschritt erbracht haben, indem die Möglichkeit von Ersatzzahlungen in das Gesetz aufgenommen wurde.
Ich möchte dazu feststellen, dass mit der letzten Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ausdrücklich diese Möglichkeit, einen Eingriff in die Natur auch über Ersatzzahlungen auszugleichen vorgesehen wurde.
Diese Möglichkeit, die Rot-Grün im Bundesrecht eröffnet hat wird von einigen Bundesländern auch schon länger praktiziert. Minister Trittin hat an diesem Punkt Rechtssicherheit geschaffen. Wir unterstützen daher auch die Einführung der Regelung von Ersatzzahlungen im Niedersächsischen Naturschutzgesetz.
Dem heute zur Beschlussfassung vorliegenden Gesetzentwurf können wir jedoch nicht zustimmen. Er definiert nämlich das Naturschutzgesetz zu einem Investitionsförderungs-Gesetz um. Das ist mit den Stimmen der Grünen nicht zu machen.
Jeder Eingriff in die Natur, in den Naturhaushalt, der immer auch notwendig und vertretbar sein muss, bedeutet immer einen Verlust von begrenzten Naturressourcen. Das Naturschutzrecht sieht deshalb vor, dass dieser Verlust entsprechend der Dauer und Schwere des Eingriffs ausgeglichen werden muss. Dies muss im Einzelfall und bezogen auf die Situation des jeweiligen Naturraums bewertet werden. In der Praxis werden für bestimmte, häufige, ähnliche Eingriffe Maßstäbe oder Leitlinien für eine solche Bewertung festgelegt, ebenso für den Umfang der erforderlichen Ersatzmaßnahmen. Dafür gibt es auch in Niedersachsen genügend positive Beispiele für zwischen allen Beteiligten einvernehmliche Regelungen.
Wenn die Regierungsfraktionen die Ersatzzahlung auf 7 Prozent der Investitionssumme eines Vorhabens begrenzen, bedeutet das für die Praxis, dass Projekte, die mit nur geringen Investitionskosten verbunden sind, aber schwerwiegende nachteilige Folgen für den Naturhaushalt haben, nicht im Sinne des Naturschutzrechts ausgeglichen werden können. Das ist für uns der Knackpunkt.
Mit dieser Regelung verstößt das Gesetz gegen eine fundamentale Säule des Naturschutzrechts und verlässt den in den letzten Jahrzehnten entwickelten gesellschaftlichen Konsens.
Das können und wollen wir Grüne nicht mittragen.
Anrede,
dieses Gesetz ist unseriös. In Ihrem Begleitantrag führen Sie selbst aus, dass Sie die Folgen dieses Gesetzes, die Folgen der 7-Prozent-Regelung nicht abschätzen können, weil außer beim Fernstraßenbau keine Erkenntnisse vorliegen. Sie gestehen damit selbst ein, dass Ihnen die Grundlagen zum Gesetz fehlen.
Das ist wirklich eine neue Qualität der Gesetzgebung, die diese Regierung in Niedersachsen einführt.
Es wäre ein richtiger Schritt, wenn Sie dieses Gesetz jetzt zurückziehen und die Frage der Ersatzzahlungen solide in der kommenden großen Novelle zum Naturschutzgesetz regeln würden. Auch eine Regierungsmehrheit im Parlament darf Fehler machen. Sie können mit meinem vollen Verständnis rechnen.
An die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion habe ich eine Frage: Was hat Sie bewogen, diesem Gesetz zuzustimmen?
Sie bekommen dafür nichts als eine politische Ohrfeige von den FDP-Ministern dieses Kabinetts. Kaum haben Sie am letzten Mittwoch im Umweltausschuss dem Gesetz und dem Begleitantrag zugestimmt, machen die Herren Minister Hirche und Sander am nächsten Tag ihren Erlass zum Radwegebau öffentlich. Nach den Beratungen im Ausschuss hat die FDP-Fraktion eben diesen Antrag zurückgezogen, mit dem sie die Eingriffsregelung für den Radwegebau abschaffen wollte, weil deutlich wurde, dass dies rechtlich nicht möglich ist. Und nun kommen die beiden Minister durch die kalte Küche und zielen mit ihrem Erlass genau in diese Richtung. Wahrscheinlich halten sie Beratungen im Umweltausschuss und im Parlament ohnehin für unerheblich, es reicht ja, wenn die Minister entscheiden. Herr Sander hat uns das ja bereits des öfteren vorgeführt.
Anrede,
dieses neue Radwegekonstrukt erfordert es, näher darauf einzugehen:
Die liberalen Minister Sander und Hirche verkünden, dass sie den Radwegebau vereinfacht und bürokratische Hürden mit einem neuen Erlass abgebaut hätten.
Wir haben vier Juristen um eine Deutung dieses Erlasses gebeten.
Das erschütternde Ergebnis: Dieser Erlass stellt nichts weiter als eine unzusammenhängende Verballhornung verschiedener Rechtsnormen dar, die zu mehr offenen Fragen als zu klaren Handlungsanweisungen bei den Behörden führen wird. Das ist genau die unseriöse Arbeit, die wir von Minister Sander mittlerweile gewohnt sind.
Aber es kommt noch schlimmer:
Mit einem bürokratischen Taschenspielertrick soll die Eingriffsregelung beim Radwegebau ausgehebelt werden. Unter Punkt 6 Ihres Erlasses heißt es sinngemäß: Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde und die Ausweisung landschaftspflegerischer Maßnahmen im Fachplan sollen entfallen.
Soll das heißen: Wenn man keine Ausgleichsmaßnahmen mehr in einen Fachplan einzeichnen und sie dort benennen muss, dann gibt es die Maßnahmen auch nicht? Sie vermeiden in diesem Erlass eine klare Aussage darüber, was Sie öffentlich ständig ankündigen: für den Radwegebau sei ein Ausgleich nach der Eingriffsregelung nicht notwendig, denn Radwege seien per se ökologische Bauten – das können Sie auch nicht per Erlass anordnen, denn das wäre glatter Rechtsbruch. Statt dessen sagen Sie: die Behörde braucht keinen Plan zu machen. Sie vertrauen auf die uralten Gesetze des Bürokratismus: Wenn der Beamte keinen Plan hat, dann kann er auch nicht arbeiten, ohne Plan fällt die Ausgleichsmaßnahme einfach unter den Tisch.
Dieser Erlass zeigt Ihr Verständnis von Bürokratieabbau, von Verwaltungsvereinfachung, von Klarheit und Wahrheit gegenüber Bürgern und Behörden.
Was uns hier vorgeführt wird, ist Kleinfürstengehabe der beiden FDP-Minister: Die haben dieses Machwerk in die Welt gesetzt, ohne die Verbände – auch die kommunalen Spitzenverbände – im Vorfeld angehört zu haben. Jetzt erwarten Sie wahrscheinlich, dass Ihre Anweisungen freudig in den Kommunen umgesetzt werden. Das ist Ihr Verständnis von Kooperation, von Beteiligung, von Politik mit den Menschen!
Dieser Erlass setzt trotz seiner schlichten Machart ein weiteres Signal dieser Regierung in Richtung eines populistischen Antibürokratismus, der politisch fatal und unverantwortlich ist.
Anrede,
wir fordern mit der Rücknahme dieser Investitionskostenregelung im Naturschutzgesetz nichts Unmögliches, nichts wirtschaftlich Kontraproduktives, nichts Investitionsfeindliches –wir wollen schlicht nur, dass gleiches Recht für alle gilt!
Für uns sind eine intakte Natur, ein starker Naturschutz positive Standortfaktoren für die wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen. Sie reden zwar davon, handeln aber entgegengesetzt.
Und nicht zuletzt: Wir wollen auch die Natur um ihrer Selbst schützen, da sind wir sehr konservativ. Deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab!
- es gilt das gesprochene Wort -

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