Rede Belit Onay: Landesregierung darf nicht die Chance auf einen besseren Datenschutz verspielen!

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Damen und Herren,

diese Gesetzesberatungen waren schon eine echte Besonderheit. In nur knapp 6 Wochen wurde dieses Gesetz durch den Innenausschuss gepeitscht, ohne Rücksicht auf Verluste!

Normalerweise bemühen wir hier im Landtag bei solchen hastigen Verfahren ja immer das Bild des Schweinsgalopps, aber das trifft es hier überhaupt nicht mehr.

Denn hier galoppiert das Schwein nicht, sondern das Schwein ist auf Geisterfahrt!

Ein Problem ist tatsächlich die unfassbare Eile des Beratungsverfahrens.

Eine echte Beratung war gar nicht möglich.

Darauf wies auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in seinen Stellungnahmen hin.

Immer wieder heißt es da:

  • „Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Änderungsvorschläge können wir (…) angesichts der Kürze der Bearbeitungszeit sowie der Zahl und des Umfangs der vorgeschlagenen Änderungen auch insoweit keine Verantwortung übernehmen.“
  • Eine ordnungsgemäße Bearbeitung ist angesichts der ins Auge gefassten Verabschiedung im Mai-Plenum unmöglich.

Auch in der abschließenden Beratung hat der GBD das Ganze noch einmal sehr treffend auf den Punkt gebracht:

  • „Aufgrund dieser Fahrpläne ist eigentlich nichts mehr zu retten. Verfassungsrechtlich ist das äußerst problematisch. Das kann man eigentlich nicht so machen.“

Wie gesagt, der Zeitdruck war nur eines der Probleme. Und vor allem war diese Eile unnötig.

In der Anhörung ist mehrfach deutlich geworden, dass kein zwingender Zeitdruck besteht.

Sollte bis Mai 2018 keine Änderung erfolgen, so gelten die die bisherigen Regelungen weiter, soweit sie nicht durch höherrangiges europäisches Recht verdrängt werden.

Und es kam hinsichtlich des vorliegenden Gesetzentwurfes der Hinweis, dass eine kurzfristige Rechtsunsicherheit, zur Ermöglichung einer anständigen Beratung, einer andauernden Rechtsunsicherheit vorzuziehen ist, da hier nachweislich europarechtliche und verfassungsrechtliche Verstöße vorliegen!

Und damit wären wir beim zweiten, schwerwiegenderen Problem.

Der datenschutzrechtlichen Geisterfahrt!

Es ist nicht so, dass die GroKo nicht wusste, was sie tut.

Von allen Seiten kam vernichtende Kritik. Vor diesem Hintergrund muss man hier schon fast von Böswilligkeit sprechen, so wie SPD und CDU hier trotzig ihr Ding durchgezogen haben.

Der absolute Offenbarungseid kam in den Beratungen von der CDU. Der Kollege Lechner sah sich offenbar aufgrund der harschen Kritik dazu genötigt, darauf hinzuweisen, dass man als GroKo Gesetze auch ohne die Rechtsexpertise des GBD verabschieden könne.

Kann man so machen, ist dann halt vielfach verfassungs- und europarechtswidrig, liebe Union!

Der Innenausschussvorsitzende hätte in der letzten Legislatur von der Arroganz der Macht gesprochen.

Das trifft es jetzt bei diesem Gesetz tatsächlich. Die GroKo jagt Gesetze durch Parlament ohne Rücksicht auf den notwendigen verfassungsrechtlichen Inhalt.

Die Datenschutzbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass der vorliegende Entwurf hinter dem bisherigen Datenschutzniveau zurückbleibt.

Das ist besonders bitter, da dies dem Grundgedanken der Datenschutzgrundverordnung massiv widerspricht.

Damit sollte europaeinheitlich ein bürgerfreundliches, verständliches und hohes Datenschutzniveau erreicht werden.

Doch die Vorgaben sind mangelhaft umgesetzt.

Das sehen wir bei der unangemessenen Ausweitung der Videoüberwachung.

Zukünftig wird eine Videoüberwachung schon dann zulässig sein, soweit diese zur Wahrnehmung einer „im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist“.

Darüber hinaus finden sich im Gesetz lediglich ein paar Beispielfälle, sodass wir hier eine Generalklausel haben, die zu einer ausufernden Zunahme führen wird, obwohl auch die LfD bestätigt, dass es keinerlei bekannte Schutzlücken z.B. bei der Sicherung öffentlicher Gebäude gegeben hat – einem der Hauptbereiche.

Auch die Gesetzesbegründung bleibt hier jegliche nachvollziehbare Argumentation schuldig.

Ein anderer Klopper ist die Beschneidung der Befugnisse der Datenschutzbeauftragten. Dabei verlangt die Datenschutzgrundverordnung hier unbedingte Standards.

Die Datenschutzbeauftragte als oberste Aufsichtsbehörde des Datenschutzes kann zukünftig nur noch nette oder weniger nette Briefe an öffentliche Stellen schreiben, aber sie hat keinerlei Möglichkeit mehr, z.B. Bußgelder gegenüber öffentlichen Stellen zu erlassen.

Das Schwert der Aufsichtspflicht und Kontrolle ist ein sehr stumpfes Schwert das sie ihr geben.

Besonders dramatisch ist das mit Blick auf Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften.

Wir werden ja in diesem Plenum noch über den Entwurf des neuen Polizeigesetzes sprechen.

Aber einer derartigen Ausweitung polizeilicher Befugnisse, müssen doch klare Kontrollmechanismen gegenüberstehen, wie z.B. durch die Datenschutzbeauftragte.

Bei dieser GroKo leider Fehlanzeige. Doch warum haben sie eine solche Angst vor dem Datenschutz?

Stattdessen ist nunmehr eine Datenschutzkontrolle erst nach Abschluss des Strafverfahrens zulässig. Dies ist – das hat die kurze Beratung verdeutlicht – verfassungs- und europarechtswidrig!

Auch die Ausnahme der Staatsanwaltschaften von der allgemeinen Datenschutzkontrolle ist bundesweit unüblich und auch keine EU-Vorgabe.

Anders als bei der Richterschaft sind Staatsanwaltschaften nicht unabhängig, sondern in die allgemeine Justizverwaltung integriert. Mit dieser Sonderregelung wird der Datenschutz massiv geschwächt.

Insgesamt wurde die Umsetzung der „Richtlinie für Justiz und Innen“ bestenfalls als Stückwerk bezeichnet.

Die weiteren Betroffenen Fachgesetze sind allerdings bisher noch gar nicht in diesem Zusammenhang angefasst worden.

Dies gilt übrigens auch für weitere Fachgesetze, die hier betroffen sind.

Im Ausschuss habe ich nochmal die Frage ans Innenministerium gestellt, ob den schon erste Sichtungen der verschiedenen Gesetze laufen oder eventuell schon ein Interministerieller Arbeitskreis sich hiermit befasst.

Die Antwort war, dass man diesen Gedanken gerne aufnehmen und weiterverfolgen möchte.

Freut mich, wenn ich hier weiterhelfen konnte. Für die Sache ist diese Bräsigkeit unwürdig!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die kurze Beratung war insgesamt vernichtend für diesen Gesetzentwurf.

Wir hatten schon keinerlei bürgerrechtliche Erwartungen an diese Große Koalition, aber selbst diese wurden noch maßlos enttäuscht.

Doch wir werden das nicht einfach so hinnehmen.

Ich kann ihnen ankündigen, dass wir rechtliche Schritte gegen dieses Vorgehen prüfen werden.

Eine Beschwerde bei der EU-Kommission erscheint mir hier ein kluger Weg zu sein, aber wir werden auch prüfen, ob eine Verfassungsbeschwerde möglich sein wird.

Mit dieser Nummer lassen wir sie so einfach nicht durchkommen!

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