Rede Belit Onay: Aktuelle Stunde (CDU) zu Vollvermummung und Koranverteilung

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die CDU spricht im Titel ihrer aktuellen Stunde zwei Punkte an, die in diesem Kontext zumindest irreführend sein können.

Zunächst das Thema Koranverteilung. Dies ist keine Frage der Toleranz, sondern eindeutig grundgesetzlich geschützt. Der Koran und seine Verteilung sind nicht das Ziel der Verbotsverfahren der so genannten „LIES!-Aktionen“ gewesen, wie dies auch der Bundesinnenminister ausdrücklich betont hat.

Dennoch ist das Verbotsverfahren richtig, weil gerade bei diesen Verteilaktionen deutlich wird, wie die neo-salafistische Szene hartnäckig den Islam und seine Symbole missbraucht. Auch den Koran.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

an dieser Stelle sollte man aber eines klarstellen. Kein heiliges Buch steht in Deutschland über dem Grundgesetz. Und dieses sollte auch der Kompass bei unseren Entscheidungen sein.

So auch beim Thema Vollverschleierung.

Richtig ist, dass der absolute Großteil der Muslime eine solche Praxis ablehnt, weshalb schätzungsweise höchstens 300-400 Frauen bundesweit eine Vollverschleierung tragen.

Unter den Folgen der ständig wiederkehrenden, teilweise populistischen Burka-Debatte leiden aber mindestens 400.000 Muslime in Niedersachsen und 4 Millionen in ganz Deutschland.

Dass dies nicht zur gängigen muslimischen Praxis gehört, mindert allerdings nicht den verfassungsrechtlichen Schutz der vollverschleierten Frauen, da das Grundgesetz auch Sektierer und Außenseiter schützt, solange nicht Grundrechte Dritter oder andere Verfassungsgüter berührt sind.

Eine staatliche Koraninterpretation kann es ebenso nicht geben.

Und ja, die Vollverschleierung widerspricht jedem Gedanken nach Gleichberechtigung von Frau und Mann. Wer eine Frau hierzu nötigt, macht sich daher auch der Nötigung strafbar!

Doch was ist mit denjenigen Frauen, die sich freiwillig voll verschleiern. Kann der Staat Menschen auch vor sich selbst schützen?

Allerdings folgt hieraus selbstverständlich nicht, dass die Vollverschleierung überall erlaubt sein muss.

Insbesondere nicht an öffentlichen Schulen mit ihrem staatlichen Bildungsauftrag nach Art. 7 GG. So ist es folgerichtig, dass das Schulgesetz in Niedersachsen eine Vollverschleierung als unzulässig erachtet.

Doch der Fall einer noch schulpflichtigen Schülerin in Belm, die freiwillig seit fast drei Jahren eine Vollverschleierung trägt, zeigt uns auf, welche Probleme in der Praxis entstehen können.

Ich denke, es ist richtig, dass die Schülerin in diesem Fall ihren Abschluss im kommenden Jahr machen kann. Obwohl die Vollverschleierung hier im Widerspruch zum Schulgesetz steht. Ein Verweis von der Schule würde diesen jungen Menschen vermutlich vollends in diese (frauenverachtende) Parallelwelt bringen.

Dass die Gespräche der Schule und externer Beratungsstellen mit der Schülerin nicht bloßes Gerede sind, zeigt der Umstand, dass von sechs Fällen an niedersächsischen Schulen vier Frauen die Vollverschleierung anschließend abgelegt haben.

Dies zeigt auch, dass dieser Fall eine absolute Ausnahme selbst innerhalb der Ausnahmen bleibt.

Allerdings darf dies für die Zukunft keinesfalls zum Präzedenzfall werden.

Der Bildungsauftrag unserer Schulen benötigt für die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und des Sozialverhaltens das offene Gesicht.

Ob hier Zwangsmaßnahmen gegen die Schülerin bzw. die Eltern zu einer Integration beitragen, wage ich doch stark zu bezweifeln.

Zudem wäre eine Sanktionierung mit Bußgeldern bzw. Beugehaft, wie es die CDU vorschlägt, eine vollkommene Umkehr von der bisherigen Sanktionssystematik des Schulgesetzes.

Und das für einen absoluten Einzelfall!

Gemäß dem Bildungsauftrag gehört es auch dazu, Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, „Konflikte vernunftgemäß zu lösen, aber auch Konflikte zu ertragen“.

Auch dies ist Wesensbestandteil einer freiheitlichen Gesellschaft.

„Alles-oder-nichts-Lösungen“ werden den komplexen Sachverhalten nicht gerecht!

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