Rede Anja Piel: Gesetzentwurf (GRÜNE) zum niedersächsichen Landeswahlgesetz

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

der neue Plenarsaal ist in baulicher Hinsicht barrierefrei. Menschen mit körperlichen Einschränkungen gelangen problemlos überall hin. Die Debatten hier sind es hingegen selten.

Wir diskutieren häufig komplexe Themen und nutzen dafür meist lange Sätze, viele Fremdworte, Redewendungen oder Metaphern.

Menschen mit geistigen Einschränkungen können unsere Debatten kaum verstehen.

Ich werde daher heute in leichter Sprache sprechen, damit gerade die Menschen, für die wir diesen Gesetzentwurf einbringen, mich verstehen. Zu wählen ist für die meisten Menschen in Deutschland selbstverständlich.

Doch warum ist wählen so wichtig?

Deutschland ist eine Demokratie. In einer Demokratie entscheidet nicht nur ein Mensch, sondern mehrere. Bei einer Wahl kann man Menschen wählen, die Entscheidungen treffen. Diese Menschen nennt man Abgeordnete.

Sie gehören unterschiedlichen Parteien an. Ich gehöre zum Beispiel zu den Grünen.

Die Abgeordneten entscheiden zum Beispiel darüber, wo neue Schulen gebaut werden.

Oder Autobahnen.

Oder Krankenhäuser.

Sie entscheiden aber auch darüber, wie Menschen mit Behinderungen wohnen, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen können.

Sie entscheiden darüber, ob man in Gebäude auch mit einem Rollstuhl hineinkommt.

Oder welche Unterstützung Menschen mit Behinderungen im Alltag bekommen.

Deshalb ist es wichtig, dass auch Menschen mit Behinderungen Abgeordnete wählen dürfen. Denn dann können sie die Abgeordneten wählen, die die besten Entscheidungen für Menschen mit Behinderungen treffen. Manche Menschen mit Behinderung dürfen in Niedersachsen aber nicht wählen. Das wollen wir ändern.

Und zwar aus zwei Gründen.

Erstens.

Das wichtigste Gesetz ist Niedersachsen ist die Verfassung. Das Land Niedersachsen und alle Menschen müssen sich an das halten, was in der Verfassung steht. In der Verfassung steht zum Beispiel, dass niemand wegen einer Behinderung einen Nachteil haben darf.

Aber es gibt noch ein anderes wichtiges Gesetz: das Wahlgesetz.

Im Wahlgesetz steht, dass manche Menschen mit Behinderung nicht wählen dürfen. Ich meine, dass das ein Nachteil ist. Und ich meine, dass das Wahlgesetz deswegen gegen die Verfassung verstößt. Gegen die Verfassung darf man aber nicht verstoßen.

Zweitens.

Es ist ungerecht, dass manche Menschen mit Behinderungen nicht wählen dürfen. Zum Beispiel Menschen, die einen Betreuer in allen Bereichen haben. Menschen, die einen Betreuer haben, brauchen zwar Hilfe im Alltag. Aber sie können sich trotzdem eine Meinung bilden, wer ihre Interessen vertreten kann. Genau wie alle anderen Menschen. Deshalb sollten sie auch wählen dürfen.

Wir wollen das Wahlgesetz ändern.

Damit alle Menschen mit Behinderung in Niedersachsen wählen dürfen. Und damit sie entscheiden können, wer ihre Interessen vertritt. Dazu haben wir ein Gesetz vorbereitet.

Andere Bundesländer, zum Beispiel Nordrhein-Westphalen, haben ihre Wahlgesetze schon geändert. Dort können Menschen mit Behinderung Abgeordnete wählen. Dieses Recht sollten Menschen mit Behinderungen überall in Deutschland haben. Nicht nur in einigen Bundesländern.

Wie geht es jetzt weiter?

Heute werden Abgeordnete von allen Parteien hier im Landtag sagen, ob sie auch wollen, dass Menschen mit Behinderung wählen dürfen. In den nächsten Wochen werden wir mit allen Parteien über das Gesetz diskutieren. Wir werden auch andere Leute fragen, wie sie unser Gesetz finden. Zum Beispiel die Behindertenverbände. Und Menschen, die sich mit dem Wahlgesetz gut auskennen. Vielleicht müssen wir das Gesetz danach etwas überarbeiten. Wenn das alles geschehen ist, sprechen wir noch einmal hier im Landtag über das Gesetz. Dann müssen alle Abgeordneten sich entscheiden, wie sie unser Gesetz finden. Wenn die meisten Abgeordneten das Gesetz gut finden, dürfen bei der nächsten Wahl in Niedersachsen alle Menschen mit Behinderungen wählen.

Damit sich alle eine Meinung bilden können, wen sie wählen sollen, müssen aber auch wir als Abgeordnete und unsere Parteien uns anstrengen.

Wir müssen viel mehr Informationen so zu Verfügung stellen, dass alle sie verstehen. Zum Beispiel in Leichter Sprache. Und ohne Barrieren. Zum Beispiel für Menschen, die nicht gut sehen oder hören können. Und wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen mit Behinderungen Abgeordnete werden. Denn es ist wichtig, dass die Interessen von Menschen mit Behinderungen bei allen Entscheidungen beachtet werden.

Ich freue mich auf die weitere Beratung unseres Gesetzentwurfes.

Vielen Dank.

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