Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zu Sprach- und Integrationskursen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

was erleben wir derzeit in Deutschland?

Im letzten Jahr sind über eine Million Menschen nach Deutschland geflohen. Bei so vielen Menschen verwundert es überhaupt nicht, dass ein Aufnahmesystem, das für viel weniger Menschen angelegt war, erst einmal ächzt.

Es ist auch kein Zeichen schlechter Politik, dass angesichts einer solchen Lage viel improvisiert wird und nicht alles so schnell und so glatt läuft, wie wir es gern hätten.

Aber, meine Damen und Herren, wenn die Bürokratie nicht auf diese Zahlen vorbereitet war, dann muss die Politik sich des Problems annehmen.

Anrede,

es ist Aufgabe der Politik, die Gesetzgebung der 90er Jahre auf Integration umzuschalten – stattdessen wird weiter auf Abschreckung gesetzt.

Gleichzeitig suggerieren Sie, meine Damen und Herren von der CDU, mit Ihren Botschaften, die Flüchtlinge seien das Problem. Oder was bezwecken sie damit, wenn sie immer wieder die Integrationspflicht von Flüchtlingen einfordern. Oder gar Sanktionen für „Integrationsunwillige“ fordern?

Anrede,

solche Sätze sind wohlfeil, solange das System, in dem sich die Flüchtlinge bewegen, eher auf Desintegration ausgerichtet ist als auf Integration.

Anrede,

bis Flüchtlinge, die zu uns kommen, und einen Rechtsanspruch auf einen Integrationskurs haben, vergehen oft ein bis zwei Jahre. Und auch dann wird dieser Anspruch nicht unbedingt erfüllt.

Anrede,

warum gibt es eigentlich nicht für alle, die hier sind, von Anfang an Kurse?

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, werden sagen: Es gibt ja so viele Menschen, die keine Bleibeperspektive haben. Die müssen erst von denen unterschieden werden, die hier bleiben werden.

Anrede,

ich sage Ihnen mal was: Bei den Bearbeitungszeiten der Anträge beim BAMF haben im Moment alle Flüchtlinge eine Bleibeperspektive – mindestens von einem Jahr, die meisten länger. Darum lohnt es sich auch, ihnen allen die Möglichkeit zu geben, sich in dem Land, in dem sie sich nun mal befinden, zu orientieren und zu integrieren. Ob für immer oder für einen begrenzten Zeitraum.

Anrede,

und wenn Sie das von mir nicht hören wollen, dann darf ich für Sie Prof. Michael Hüther, den Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, zitieren:

„Obligatorische Deutschkurse für alle kosten zwar Geld“, schreibt er. „Doch das wäre gut angelegt: für jene, die bleiben dürfen und bessere Integrationschancen erhalten, und selbst für jene, die abgeschoben werden, weil auch sie deutsche Sprachkenntnisse mit in ihre Heimat nehmen.“

Anrede,

es ist Aufgabe des Bundes, Integrationskurse zu ermöglichen. Aber wenn der Bund nicht liefert, dann tut Niedersachsen, was es tun kann. Und das nicht, um den Bund entlasten, sondern um der Flüchtlinge willen.

Deshalb bin ich froh, dass unsere Ministerin Dr. Gabriele Heinen-Kljajic in Niedersachsen gemeinsam mit der Erwachsenenbildung und den Hochschulen Sprachförderangebote auf den Weg gebracht hat, die flexibel, unbürokratisch und vor allem unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus angeboten werden. Ein Erfolgsmodell in Niedersachsen und Deutschland, meine Damen und Herren.

Ungefähr 700 Sprachkurse wurden im letzten Jahr auf den Weg gebracht. Bis zum Ende dieses Quartals werden ca. 13500 Flüchtlinge einen Sprachkurs absolviert haben.

Auch das auf hochqualifizierte Flüchtlinge zugeschnittene Angebot zur Vorbereitung auf ein Hochschulstudium wird gut angenommen.

Das Land hat ein Programm für Lehramtsstudierende aufgelegt, die im Rahmen ihres Betriebs- und Sozialpraktikums Sprachförderung für junge Flüchtlinge anbieten – auch das wird gut genutzt. Ebenso wie die Fortbildungsoffensive für Ehrenamtliche.

Anrede,

das Wissenschaftsministerium legt seine Förderschwerpunkte in diesem Jahr auf die Vermittlung von Sprachgrundkenntnissen in der Erwachsenenbildung, Sprachkurse zur Studienvorbereitung und die Erweiterung der Kapazitäten des Studienkollegs um 200 zusätzliche Plätze. Außerdem werden für Studierende zusätzliche Qualifizierungen für die Vermittlung von Deutschkenntnissen angeboten, mit denen ggf. auch weitere Zielgruppen adressiert werden können. Für diese Maßnahmen stellt das MWK mehr als zehn Millionen Euro bereit.

Anrede,

wenn Berlin es nicht hinbekommt, Kurse einzurichten, soll uns die Bundesregierung besser das Geld zur Verfügung stellen –

wir wollen gar kein neues Geld dafür, wir wollen nur die Aufgabe selbst übernehmen. Wir haben zumindest Ideen, was zu tun ist, damit die Menschen sich schnell integrieren und aus einer Flüchtlingskrise Migrationschancen werden.

Geben wir den Geflüchteten die Chance, etwas für ihre Zukunft in Deutschland zu tun – wie lang die auch immer sein wird! Ich garantiere Ihnen: dafür braucht es nicht die Androhung von Strafen, sondern faire und leicht zugängliche Angebote. Packen sie mit an und erleben Sie, was tausende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer schon lange wissen: unsere neuen Nachbarn wollen sehr gern mit uns reden, wenn wir sie lernen lassen!

Vielen Dank. 

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