Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (GRÜNE) - Nein heißt Nein! #Ausnahmslos gegen jegliche sexualisierte Gewalt

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,
worüber reden wir heute? Wir reden zunächst über sexualisierte Gewalt, über Gewalt gegen Frauen. Diese Art von Gewalt ist kein Problem, das an Silvester in Köln geboren wurde. Die berechtigte Empörung über die Vorfälle in Köln als Gelegenheit zu nutzen, Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten zu schüren, verbietet sich. Nicht zuletzt, weil es eine weitere Instrumentalisierung der Opfer wäre.

Ich möchte an dieser Stelle diesen Opfern, so wie den vielen anderen Opfern sexueller Gewalt, mein Mitgefühl ausdrücken. Trotz des traurigen, des dramatischen Anlasses: Vielleicht ist es eine Chance, dass sich zu Beginn dieses Jahres so ungewöhnlich viele Menschen gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen positionieren.

Anrede,
Gewalt gegen Frauen – gegen Frauen, weil sie Frauen sind – ist eine traurige und alltägliche Realität. Der überwiegende Teil solcher Übergriffe findet nicht im öffentlichen, sondern im privaten Bereich statt. Häufig sind es Bekannte, Partner und Ehemänner, die Gewalt anwenden – und das in allen Milieus. Diese Gewalt passiert oft hinter geschlossenen Türen und zugezogenen Vorhängen. Die Nähe zum Täter macht Gewalt aber nicht weniger schlimm, nicht weniger demütigend und die Verletzungen sind nicht weniger schmerzhaft.
Anrede,
sexualisierte Gewalt hat viele hässliche Gesichter. Deshalb muss auch der politische Umgang damit vielschichtig sein.

1. Anpassung des Strafrechts

Erstens fordern wir schon lange, dass das Sexualstrafrecht angepasst und spezifiziert wird. Die Tatbestände sexualisierter Gewalt müssen besser und genauer gefasst werden. Auch überraschende Übergriffe dürfen nicht länger straffrei bleiben. Ein Nein ist ein Nein, das muss klar sein.

Anrede,
Sie alle wissen, dass das noch nicht der Fall ist. Nein zu sagen genügt eben nicht. Das Opfer muss vor Gericht nachweisen, dass es sich heftig genug gewehrt hat. Und das hat gravierende Folgen. Laut dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) lag die Verurteilungsquote bei angezeigten Vergewaltigungen zuletzt bei 8,4 Prozent. Oft gehen die Täter nach geltendem Recht straffrei aus, weil nicht jede angezeigte Tat als Vergewaltigung definiert werden kann. Ein Nein reicht hier eben nicht aus.

2.  Strukturelle Veränderungen

Die besten Gesetze helfen nicht, wenn sie nicht angewendet werden, wenn die Gewalt, der Übergriff nicht angezeigt wird. Und dafür, dass sich betroffene Frauen Hilfe suchen, müssen wir die Bedingungen schaffen.

Anrede,
die Polizei muss an Orten mit großen Menschenansammlungen und bei Anlässen wie Silvester, Karneval oder dem Oktoberfest darauf vorbereitet sein, dass Übergriffe auf Frauen stattfinden können. Bei Polizei und in der Justiz muss das Personal für das Thema sensibilisiert sein. Wir brauchen Strukturen und Ansprechpartner, die es Mädchen und Frauen erleichtern, sich in einer extrem traumatischen Situation Hilfe zu holen und sich der Polizei und der Justiz anzuvertrauen.

Wir müssen übrigens auch sicherstellen, dass alle Krankenhäuser für die Opfer von Gewalt eine Notfallversorgung anbieten, die eine Spurensicherung und nötigenfalls eine Notfallverhütung umfasst.

3.  Die Gesellschaftliche Debatte

Anrede,
wir wissen: Gesetze können nicht immer helfen. Gewalt, die im Verborgenen geschieht, ist oft nicht nachzuweisen. Auch weiterhin wird es Opfer geben, die den Mut nicht aufbringen, die Täter zu benennen.

Auch darum müssen wir auf einer dritten Ebene ansetzen: Das ist der gesellschaftliche Blick auf sexualisierte Gewalt. Es ist eben ganz und gar kein Kavaliersdelikt, wenn ein Mann eine Frau berührt, die das nicht will. Das gilt ausnahmslos.

Immer noch ist es aber ein bekannter Reflex, betroffenen Frauen Verhaltensregeln aufzugeben. Das ist absurd. Die klare Botschaft muss sein: Frauen können lachen, tanzen, flirten, sie können sich anziehen, wie sie es möchten – das gibt niemandem das Recht, sie geringzuschätzen oder gegen ihren Willen anzufassen.

Anrede,
Unser Ziel muss ein gesellschaftliches Klima sein, in dem der Wille von Frauen unbedingt zu achten ist. Wenn Übergriffe geschehen, muss völlig klar sein, dass das nicht in Ordnung ist. Ein solches Klima hilft Zeugen, sich zu melden, es hilft Beamten, Sachverhalte einzuschätzen, es stärkt die Betroffenen und verhindert im besten Fall die Übergriffe.

Anrede,
sexualisierte Gewalt gegen Frauen wird viel zu oft übergangen und verharmlost. Wir haben jetzt die Verantwortung, hier etwas zu verändern und weiter über das Thema zu reden. Lassen Sie uns das gemeinsam tun.

Vielen Dank.

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