Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (FDP): „Berlin, Berlin - wir warten auf Berlin! Rot-grünes Regieren nach dem Prinzip Hoffnung“

- es gilt das gesprochene Wort - 

 

Anrede,

„Entscheidungen in Berlin führen zu mehr Wachstum und Gerechtigkeit!“

So beschrieb der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr in einer Pressemitteilung im November 2011 seine Hoffnungen auf die segensreiche Kraft von Entscheidungen der Bundesregierung in Berlin.

Komisch nur, dass Herr Dürr heute das Prinzip „Hoffnung auf Berlin“ nur noch so ganz und gar als Denunziation gegen Rotgrün verstanden wissen will.

Andere Gründe muss es haben, wenn die FDP dann aber trotzdem im Hinblick auf die Bundestagswahl selbst wieder das Prinzip Hoffnung erwähnt.

Von Hoffnung auf ein anderes, größeres Wirtschaftswachstum waren vor allem aber die Haushaltsplanungen von CDU und FDP hierzulande geprägt.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt.

Nach dem erforderlichen Kassensturz nach der Wahl haben wir die Erwartungen bereits nach unten korrigieren müssen.

Wir wollen den Menschen in Niedersachsen ehrlich begegnen und dazu gehört es für uns auch, dass wir ihnen sagen, welche Maßnahmen für eine bessere und gerechtere Bildungspolitik, für den sozialen Ausgleich und für ein nachhaltiges Niedersachsen erforderlich sind und was wir davon ganz konkret angehen können.

Zu dieser Ehrlichkeit gehört es auch, dass für die Realisierung einiger der geplanten Projekte unbedingt Verbesserungen auf der Einnahmeseite benötigt werden.

CDU und FDP haben im Durchschnitt jährlich 1,8 Milliarden neue Schulden gemacht, und gleichzeitig sämtlichen Steuersenkungen im Bundesrat zugestimmt.

Ihr Ruf nach einer konsequenten Schuldenbremse, den sie jetzt erheben, ist schnell erklärt, wenn man zurückblickt und feststellt, dass Sie bislang den Landeshaushalt in den letzten Jahren unter anderem mit Ihrer Zustimmung zu den Steuergeschenken an die Hoteliers nicht unbedingt verbessert haben.

Zum Glück haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat geändert, denn nach dem sinnlosen Betreuungsgeld hätten Sie sicher auch noch andere unsinnige Entscheidungen schmerzfrei durchgewinkt – völlig einerlei, ob sich damit die Einnahmen verschlechtern.

Anrede,

bereits in dem von Schwarzgelb beschlossenen Haushaltsentwurf 2013 klafft zwischen Einnahmen und Ausgaben eine Lücke von 1,2 Mrd. Euro: 620 Mio. Nettoneuverschuldung, 283 Mio. Entnahmen aus Rücklagen und 295 Mio. Vermögensveräußerungen. Die guten Konjunkturerwartungen des letzten Herbstes mit historisch niedrigen Schuldzinsen müssen jetzt ebenfalls nach unten korrigiert werden:

1 Prozent höhere Zinsen bedeuten rund 600 Mio. Euro Mehrausgaben.

Im Hinblick auf die Tarifverhandlungen hatten Sie gerade eben mal  2 Prozent Personalkostensteigerungen berücksichtigt  –

Wir müssen uns jetzt im Haushalt auf die Suche begeben, um die vereinbarten Tarifsteigerungen einlösen zu können.  

Alles zusammengerechnet entsteht damit noch mal eine Deckungslücke von rund 500 Mio. Euro.

Zusätzlich zu der Lücke von 1,2 Mrd.

Damit sind wir übrigens nahezu wieder bei den 1,8 Mrd., der Zahl, um die sich im Durchschnitt der letzten 10 Jahre jährlich die Schulden erhöht haben.

CDU und FDP sind in ihrer Regierungszeit der Schuldenbremse nicht einen Millimeter näher gekommen.

Ungeachtet dessen ereilt uns schon wieder Ihr Verfassungsantrag, mit dem Sie im letzten Spätherbst schon gescheitert sind, weil er angesichts der vorliegenden Zahlen völlig unseriös ist.

Eine verantwortliche Finanzpolitik lebt nicht von der Hoffnung auf bessere Konjunkturdaten, sondern vor allem von politischer Verantwortung, die den Mut aufbringt, Umverteilungsprozesse in Gang zu setzen, und für eine gerechtere Steuerpolitik zu sorgen.

Anrede,

Gute Bildung und soziale Gerechtigkeit sind nicht zum Nulltarif zu haben.

Und deshalb sprechen wir uns im Koalitionsvertrag ganz unmissverständlich dafür aus, höhere Einkommen endlich wieder angemessen an der Finanzierung der staatlichen Aufgaben zu beteiligen:

Und zwar durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent, durch das Schließen von Schlupflöchern bei der Erbschaftssteuer und durch die Wiederbelebung der Vermögenssteuer.

Ich weiß, dass Sie das nicht gern hören, aber Sie hatten zwei mal fünf Jahre Zeit, einen Weg aus der Schuldenfalle aufzuzeigen - ohne sichtbaren Erfolg.

Die höhere Besteuerung von Vermögen ist wirtschafts- und finanzpolitisch erforderlich, weil es nicht einfach nur um eine Schuldenkrise handelt.  

Vielmehr muss angesichts der völlig ungerechten Einkommens- und Eigentumsverteilung auch von einer Vermögenskrise gesprochen werden.

Und wer öffentliche Schulden abbauen will, kann das nicht tun, ohne private Vermögen angemessen zu besteuern!

Anrede,

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt trotz aller Versuche der Röslerschen Schönfärberei eines sehr deutlich:

Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. 60 Prozent des Vermögens sind inzwischen bei den obersten 10 Prozent konzentriert und die ärmsten 30 Prozent der Gesellschaft haben überhaupt kein Vermögen.

Die geringe soziale Durchlässigkeit unserer Gesellschaft verschärft sich weiter.

Arme Kinder werden bei uns zu armen Eltern, die dann wieder arme Kinder haben, das ist die traurige Realität.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP,

auf ihre Ideen und Impulse zu mehr Chancengerechtigkeit haben die Menschen in Niedersachsen vergeblich warten müssen.  

Aber bessere Bildung ist der Schlüssel zu gesellschaftlichem und beruflichem Erfolg und zu sozialer Teilhabe.

Deshalb wollen wir die Kinderbetreuung bedarfsgerecht ausbauen, Kinder und Jugendliche in Niedersachsen in Ganztagsschulen optimal fördern und sie im Studium zusätzlich zu allen anderen Kosten nicht auch noch mit Studiengebühren belasten.

Eine solide Haushaltspolitik wächst nicht aus der Hoffnung auf bessere Zeiten. Eine solide Haushaltspolitik braucht mutige Entscheidungen.

Deshalb setzen wir auf eine andere Umverteilungspolitik - auch im Bund.

Oder um es noch einmal mit den Worten des Fraktionsvorsitzenden Dürr zu sagen: „Kluge Entscheidungen in Berlin führen zu mehr Wachstum und Gerechtigkeit!“

Aber das stimmt eben nur dann, verehrter Kollege Dürr, wenn CDU/CSU und FDP an diesen Entscheidungen nicht beteiligt sind. Und dafür werden die Wählerinnen und Wähler am 22. September sorgen.

 

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