Pascal Mennen: Rede zu mehr Freiräumen für Schulen

Rede Pascal Mennen© Plenar TV

TOP 21: Entwicklungsmöglichkeiten durch mehr Freiräume - Schulen zukunftsfähig aufstellen, Beteiligte entlasten (Antrag SPD/Grüne)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Sehr geehrte Kolleg*innen,

alle von uns hier im Haus erinnern sich wahrscheinlich an die eigene Schulzeit und an die eigene Schule. Und wir kennen diesen kleinen Stolz auf unserer Schule und ihre Besonderheiten - oder auch die Ablehnung – vor allem im Vergleich zu den anderen Schulen der Stadt.

Bei mir hat das mit dem Schulbesuch ja irgendwie nie ganz aufgehört. Heute besuche ich als schulpolitischer Sprecher im Schnitt jede Woche eine niedersächsische Schule. Und in den vielen Hospitationen und Gesprächen spüre ich überall diesen Stolz auf die eigene Schule. Schulleitungen, Lehrkräfte, Schüler*innen aber auch Eltern erzählen neben all den Herausforderungen, die es gerade anzupacken gilt, von den Besonderheiten, vom Engagement und von speziellen Angeboten, die es sonst an keiner Schule gibt. Ich finde das total wichtig und es freut mich bei jedem meiner Besuche, weil es zeigt, dass Schule für alle weit mehr ist als eine Pflichtaufgabe oder ein karger Lernort. Und es zeigt, wie engagiert insbesondere Schulleitungen und Lehrkräfte sind, auf deren Engagement diese Besonderheiten ja häufig zurückzuführen sind.

Bei meinen Schulbesuchen höre ich aber auch immer wieder einen Satz, der mich nachdenklich stimmt:

"Wir würden ja gern..., aber dürfen wir das überhaupt?"

Oder mir wird etwas stolz präsentiert und im gleichen Atemzug wird gesagt „Aber sagen Sie’s nicht weiter, wir sind uns gar nicht sicher, ob wir das dürfen.“ Oft sind es doch gerade diese innovativen, guten und praktikablen Ideen, die zu rechtlichen Bedenken führen, schlicht, weil sie bisher nicht bedacht wurden oder weil die Regeln für die Schulen und ihre Entwicklung zu eng sind.

Das ist ein Ruf nach FREIRÄUMEN und Beinfreiheit für alle an Schule Beteiligten und genau da wollen, sollen und müssen wir mit diesem Antrag, den ich heute einbringen darf, hin!

Die Beteiligten vor Ort sind es, die ihre Schule am besten kennen. Das soziale, das kulturelle, das strukturelle Umfeld, die besonderen Herausforderungen - dieses Umfeld ist immer einzigartig. Darum muss jede Schule die Möglichkeit haben, ihren Betrieb der Realität vor Ort anzupassen und das wollen wir mit diesem Antrag ermöglichen.

Sehr geehrt Kolleg*innen,

jetzt höre ich aus skeptischem Mund schon die Frage: Können die das? Und die klare Antwort lautet: Ja. Die Schüler*innen und die Lehrkräfte vor Ort, das sind die Profis, die spätestens in der Corona-Pandemie gezeigt haben, was sie können. Vor allem aufgrund des Engagements von Lehrkräften haben beispielsweise die Digitalisierung und auch die Individualisierung und Förderungen einen ordentlichen Schub erfahren. Doch wir wollen keine zusätzliche Belastung und Druck wie in der Corona Pandemie, wir wollen aktiv unterstützen.

Um es ganz plastisch zu sagen: Wir geben den Schulen mit diesem Antrag einen gut ausgestatteten Werkzeugkasten an die Hand.

Wir könnten alle Schulen in Niedersachsen von oben her mit dem gleichen Werkzeug ausstatten und gleich behandeln in einem engen rechtlichen Korsett. Das führt aber zu Gleichschritt, Trägheit und zu Lustlosigkeit auf allen Seiten. Diese Gleichmacherei funktioniert heute auch gar nicht mehr und genau deshalb müssen Schulen flexibler und anpassungsfähiger werden, an das was Schüler*innen brauchen und dafür braucht es verschiedene Werkzeuge.

Außerdem wird auch die Welt immer komplexer und differenzierter. Das darf aber nicht bedeuten, dass Lehrpläne/Kerncurricula auch immer voller und differenzierter werden. Das Gegenteil muss der Fall sein, wenn wir junge Menschen resilient machen und befähigen wollen mit den Herausforderungen der Zukunft umzugehen.

Wir wollen deshalb dafür sorgen, dass die Schulen Raum zur individuellen Entwicklung haben, dass sie beispielsweise jahrgangsübergreifendes Lernen ermöglichen, andere Bewertungsformen als Klassenarbeiten zulassen oder den Schüler*innen ein selbständiges Lernen im eigenen Tempo ermöglichen. Solche Ansätze und das ist vielfach wissenschaftlich belegt, fördern nicht nur die Lernfreude, sondern sind auch effektiver und letztlich auch gesünder für alle Beteiligten. Und deshalb fördern wir solche Ansätze mit diesem wichtigen Antrag.

Sehr geehrte Kolleg*innen,

mit mehr Freiräumen können die Schulen sich ein eigenes Profil geben, dafür bekommen sie nun mehr Vertrauen und Verantwortung. Hier passt mein Zitat von Ministerin Hamburg aus meiner gestrigen Rede: „Die Schulen und Schulträger wissen am besten was passt.“ Und dabei müssen die Schüler*innen im Mittelpunkt stehen. Die mussten während der Pandemie enorm einstecken und wir sind es ihnen schuldig, dass ihre Schulen zu angenehmen und bedürfnisorientierten Orten werden. Es ist heute nicht mehr erklärbar und auch schlicht nicht mehr umsetzbar, alle Schüler*innen im Gleichschritt bis zur nächsten Klassenarbeit zu tragen, egal ob hochbegabt, mit Förderbedarf oder im Mittelfeld, im eigenen Tempo zu lernen, ist ein ernstzunehmender Anspruch, den Kinder und Jugendliche haben.

So gelingt es uns, Kinder stark zu machen für die Herausforderungen dieser Zeit. Selbstbewusstsein, Empathie, Neugier, Engagement und Entdeckergeist brauchen Freiräume und dafür brauchen wir in erster Linie nicht mehr Geld, sondern vor allem mehr Mut.

Freiheit im Denken und Handeln, die Entschlossenheit, Veränderungen anzupacken und Überzeugungskraft lassen sich nicht kaufen.

Ich habe eingangs den Stolz auf die eigene Schule angesprochen. Im vergangenen Sommer bin ich anlässlich meines zwanzigjährigen Abiturs an meine Schule gekommen und auch die hat sich ordentlich entwickelt: ein Zusammenschluss mit gemeinsamem Sekretariat mit der örtlichen Musikschule, neu ausprobierte Raumkonzepte und auch eine deutlich inklusivere Haltung, die die Vielfalt der Schüler*innen in sämtlichen Dimensionen mitdenkt sind nur einige Beispiele. Die Schule ist heute weiter als ich sie in Erinnerung hatte und dass ist es, was ich mir auch für all die Schulen wünsche, die Sie zu Beginn meiner Rede im Kopf hatten und wofür wir mit diesem Antrag einen deutlichen Impuls setzen wollen.

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