Michael Lühmann: Rede zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (Gesetzentwurf Landesregierung)

Rede Michael Lühmann© Plenar TV

TOP 23 Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes und des Niedersächsischen Verwal-tungsvollstreckungsgesetzes

- Es gilt das gesprochene Wort -

Die Landesregierung legt heute eine umfassende Novelle des niedersächsischen Polizei- und Ordnungsrechtes vor, mit dem Polizei auf die Höhe der aktuellen Herausforderungen gebracht werden soll. Vorliegend haben wir eine, wie ich finde, gute und klare Reaktion auf gesellschaftliche Herausforderungen, was Femizide, polizeiliche Herausforderungen, Datenmengen und auch veränderte Bedrohungslagen, wie hybride Bedrohung und Kriminalität im digitalen Raum angehen. Zugleich finden sich neue technische Möglichkeiten der Unterstützung von Polizeiarbeit, etwa Bodycams und intelligente Videokameras.

So dynamisch die Veränderungen, so wichtig bleibt Prävention - ausweislich Karlsruher Urteile der zu beachtenden Freiheitsrechte von Bürger*innen. In diesem Setting bleibt es immer eine Gratwanderung, Polizeirecht zu modernisieren. Deshalb, und dies vorab, ist es gut und richtig, dass die eingriffsintensiven neuen Mittel parallel wissenschaftlich evaluiert, Algorithmen kontrolliert und richterliche Vorbehalte installiert werden.

Ich will wenige Punkte herausgreifen, wir steigen ja erst ein in die umfassenden Beratungen, und dafür zuerst ein im Vorfeld kritisierten Punkt herausgreifen: Die biometrische Echtzeit-Fernidentifizierung.

Das ist natürlich ein tiefer Eingriff, umso klarer definiert sind die Hürden: Hohe Gefahrenschwelle, gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben oder Terrorismus, Richter*innenvorbehalt. Wir reden hier über hoffentlich seltene Anwendungsfälle, die dann aber auch hohe Dringlichkeit haben. Bei alledem müssen wir uns auch fragen, wie stark wiegt hier die Einschränkung von Bürgerrechten auf der einen Seite – und wo liegt der bürgerrechtliche Gewinn, einen Terroristen in einer großen Menschenansammlung zehn Minuten später zu finden, weil Zielfahndende langsamer waren, als die KI, die selbst nur Hinweise geben darf. Die Beurteilung bleibt allein Menschen vorbehalten.

Zum Zweiten bekämpfen wir Gewalt gegen Frauen. Die Einführung der elektronischen Fußfessel nach dem spanischen Modell, bei dem die CDU kurz vorm Ziel dann endlich unserer Regelung gefolgt ist, ist ein wichtiger Schritt. Potentielle Opfer können frühzeitig gewarnt werden, Daten der Täter auch gegen deren Willen an die Täterarbeit übermittelt werden. Und das ist dennoch nur ein Baustein, aber ein wichtiger. Ein Gewaltschutzkonzept im Bund muss folgen, Frauenhäuser gestärkt, die Debatte über Femizide auch hinsichtlich der frauenfeindlichen Motive der Täter dahinter klar benannt werden. Wir können als Gesetzgeber manches bewegen, aber noch wichtiger ist doch, dass wir antifeministische Einstellungen bekämpfen und unsere Söhne zu Feministen erziehen!

Zum Dritten, ich blicke nach Oldenburg auf den tragischen, tödlichen Einsatz, an dessen Ende ein junger Mensch aus dem Leben gerissen wurde – mein großes Mitgefühl. Die Verhandlungen bleiben abzuwarten, zugleich haben wir die Hinweise zu Bodycams ernst genommen. Diese müssen künftig automatisiert auslösen bei Waffeneinsatz, auch beim Einsatz unmittelbaren Zwangs und auch hier, ein bürgerrechtlicher Gewinn und präventiver Ansatz zugleich: auf Verlangen Betroffener. Wir wissen längst um das deeskalative Potential. Auch die Polizei schätzt die Rechtssicherheit, die Bodycams schaffen, da haben wir alle dazu gelernt. Klar bleibt aber auch, Bodycams entfalten dann ihren Wert, wenn sie kommunikativ gut begleitet werden. Und das Wort bleibt das wichtigste Mittel unserer Polizei.

Zum Vierten, wir leben im hybriden Krieg, auch wenn das in Teilen der Bundes-CDU nicht angekommen will. Aber in Niedersachsen ist das angekommen und wir schaffen Rechtsgrundlagen. Und längst nicht alles, was wir im Bereich Polizei tun und planen, steht im Gesetz. Taktische Einsatzkennzeichnung, die Schaffung einer/eines Bürgerbauftragten, auch zuständig für die Polizei, die Stärkung von Supervision im Polizeialltag oder die Frage nach Zuständigkeiten bei besonderen Ermittlungen – es gibt sicher noch einiges anzupacken und umzusetzen.

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