Meta Janssen-Kucz: Rede zur Reform der Notfallversorgung (Aktuelle Stunde SPD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will sich offenbar als Aktivposten im Bundeskabinett profilieren: mit 20 Gesetzen in 20 Monaten legt er ein enormes Tempo vor. Handlungsbedarf gibt es im Gesundheitswesen reichlich – keine Frage. Das Pflegepersonalstärkungsgesetz, das Digitale Versorgungsgesetz oder das Intensivpflegegesetz zeigen aber: unter der Eile des Bundesgesundheitsministers leidet die Sorgfalt.

 Denn in vielen Bereichen hat Jens Spahn die Situation allenfalls verschlimmbessert. Das zeichnet sich auch bei der Reform der Notfallversorgung ab, obwohl es schon der 2. Aufschlag seitens Jens Spahn ist, hat er nicht allzu viel dazu gelernt.

Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand, diese Einschätzung teilen wir und die Enquetekommission. Wir haben in der Notfallversorgung starre Sektorgrenzen, die zu einer starken Fehlnutzung insbesondere in den Kliniken führen. 

Das hat auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen erkannt und bereits 2018 umfangreiche Empfehlungen für eine Reform der Notfallversorgung vorgelegt. An diesen Empfehlungen hat sich Jens Spahn – das muss man ihm zugutehalten – orientiert.

Auch in der Enquete-Kommission haben wir dieses Thema ja ganz zu Anfang bearbeitet und sind eigentlich zu den gleichen Ergebnissen gekommen: Nämlich, dass wir einheitliche und sektorenübergreifende Anlaufstellen für Menschen in medizinischen Notfällen brauchen. Einerseits in Form gemeinsamer Leistellen von 112 und 116 117, andererseits mit integrierten Notfallzentren in den Kliniken. Beides sieht auch der Referentenentwurf aus dem BMG vor.

Anrede,

der Teufel steckt aber wie so häufig im Detail. So soll bspw. über die Standorte der Integrierten Notfallzentren nicht etwa die Krankenhausplanungsbehörde entscheiden, sondern der gemeinsame Landesausschuss, in dem Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen die Mehrheit haben. Hier wird also massiv in die Planungshoheit der Länder eingegriffen.

Dabei ist es gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen unerlässlich, dass die Versorgung auch in der Fläche gewährleistet ist und sich nicht auf 5 bis 10 Standorte konzentriert. Eine solche Zentralisierung ist hier in Niedersachsen nicht angemessen.

Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst ist schon heute in einigen ländlichen Bereichen personell kaum in der Lage, die Praxisschließzeiten abzudecken. Ich will mir gar nicht vorstellen, was es für diese Regionen bedeutet, wenn Bereitschaftsärztinnen und –ärzte künftig bevorzugt in Integrierten Notfallzentren eingesetzt werden, statt in der Versorgung vor Ort.  Leider bleibt auch der Referentenentwurf dazu äußerst vage.

Anrede,

auch die Planungen für die Gemeinsamen Leitstellen sind allenfalls eine light-Version von sektorenübergreifender Versorgung. Denn geplant ist, dass sowohl 112, als auch 116 117 erhalten bleiben. Die Träger der beiden Nummern, KV und Land, werden lediglich zu einer verbindlichen Kooperation verpflichtet.

Damit liegt es weiterhin in der Verantwortung der Hilfesuchenden, sich an die „richtige“ Versorgungsebene zu wenden.

Das ist eindeutig nicht im Sinne einer besseren Patientensteuerung. Dass in den Gemeinsamen Leitstellen dann auch noch Anrufe für die Terminservicestelle eingehen, macht das Ganze völlig absurd. Das haben ja auch die Kommunen sehr deutlich gemacht.

Eine weitere Absurdität: die Finanzierung der Reform legt das BMG allein in die Verantwortung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Private Krankenversicherung ist im Referentenentwurf mit keiner Silbe erwähnt – obwohl man wohl davon ausgehen kann, dass auch privat Versicherte im Notfall künftig die 112 wählen können.

Anrede,

der dritte Schwerpunkt der Reform ist es, den Rettungsdienst als eigenen Leistungsbereich im SGB V zu verankern – auch das eine Empfehlung des Sachverständigenrates. Immerhin ist die ursprünglich geplante Grundgesetzänderung vom Tisch und der Rettungsdienst bleibt weiterhin Aufgabe der Länder. Die Kommunen sehen den Rettungsdienst trotzdem in Gefahr und laufen Sturm gegen diese Regelung.

Ich will ehrlich sein: ich kann die Sorgen der Kommunen verstehen. Die Strukturen im Rettungsdienst haben sich jahrzehntelang bewährt. Gleichzeitig würde ich mir aber auch mehr Sachlichkeit wünschen. Äußerungen wie „Es geht um Leben und Tod“ sind da nicht gerade hilfreich.

Anrede,

es muss uns doch darum gehen, die Notfallversorgung insgesamt zu verbessern und Menschen mit einem medizinischen Notfall in die richtige Versorgungsebene zu bringen. Dazu müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten.

Das heißt aber auch, dass der Bund seine Pläne noch einmal gründlich mit Ländern und Kommunen diskutieren muss. Insofern kann ich dem Titel der Aktuellen Stunde der SPD nur zustimmen: es kann keine Reform gegen Länder und Kommunen geben. Aber Länder und Kommunen sind auch gefragt, konstruktiv mitzuarbeiten und die Versorgung in ihrer Gesamtheit im Blick zu behalten, statt nur ihre eigenen Pfründe zu sichern. 

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