Marie Kollenrott: Rede zur Jurist*innenausbildung

Rede TOP 32: Jurist*innenausbildung zukunftsfest aufstellen (Antrag FDP)

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen, sehr geehrte Damen und Herren,

ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass die Digitalisierung eine der zentralen Fragen im Reformdiskurs über die juristische Ausbildung ist. Dementsprechend begrüße ich den Entschließungsantrag der FDP.

Die Einführung des E-Examens ist ein richtiger Schritt. Viele die selbst mal die juristische Ausbildung durchlaufen haben, erinnern sich sicher daran, dass entweder sie selbst oder Freund*innen wegen der Überlastung durch die vielen handschriftlichen Klausuren in der Examensvorbereitung zum Arzt mussten. Die getippte Klausur kann hier eine Entlastung darstellen. Zudem verspricht sie Vorteile für eine fairere und einfachere Beurteilung der Klausuren. Daher sollte sich das Land möglichst früh und schnell an die Einführung des E-Examens machen. Denn aus anderen Ländern hört man bereits, dass die technische Umsetzung etliche Jahre dauern könne. Ich erwarte, dass Niedersachsen hier zügig und nicht zaudernd voranschreitet.

Zugleich will ich auch darauf hinweisen, dass das E-Examen nicht für alle Studierende und Referendar*innen die richtige Lösung ist. Das zeigt etwa die in der Digital Study 2019 deutlich geringere Zustimmung zum E-Examen bei Studierenden. Daher spreche ich mich für eine Wahlmöglichkeit zwischen handschriftlichem und getipptem Examen aus. Außerdem reicht es nicht, lediglich die Umsetzung eines E-Examens zu beschließen, sondern wir brauchen auch flankierende Maßnahmen wie etwa 10-Finger-Schreibkurse für alle Studierenden und Referendar*innen. Das gebietet die Chancengleichheit und muss unbedingt in einem Konzept zur Umsetzung des E-Examens enthalten sein.

Der Antrag spricht sich auch für die Durchführung von Online-Unterrichtsveranstaltungen im Rahmen des Referendariats über die Pandemie hinaus aus. Hier sehe ich Chancen und Gefahren zugleich; und wir sollten diese in den weiteren Beratungen noch einmal ausführlicher diskutieren. Sie haben vollkommen Recht, in einem Flächenland wie Niedersachsen macht die digitale AG vieles einfacher. Dennoch hat auch die Präsenz-AG viele Vorteile. Zunächst fehlt im digitalen Raum die Möglichkeit eines spontanen Austausches mit Kolleg*innen. Die Corona-Zeit gezeigt, dass solche Orte des sozialen und fachlichen Austausches am Rande von Lehrveranstaltungen nur schwer digital nachbildbar sind.

Laut einer Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse im vergangenen Jahr sahen das 83 Prozent der befragten Studierenden so. Außerdem lehrt uns die Corona-Zeit, dass digitale Lehre durchaus mit psychischen Belastungen für die Lernenden verbunden ist. So haben Umfragen ergeben, dass das digitale Lernen Studierende anstrengt und die Motivation vieler Studierender erheblich beeinträchtigt. Ebenso können sich Probleme in Bezug auf einen ruhigen Arbeitsplatz zuhause ergeben.

Und selbst, wenn wir die Lehrveranstaltungen im Referendariat längerfristig digital oder vielleicht eher hybrid anbieten wollen, dann müssen wir auch sicherstellen, dass die AG-Leitungen ausreichend didaktisch und technisch geschult sind. Hier brauchen wir eine Evaluation der Lehrqualität. Wir haben nichts gewonnen, wenn die Lehre digitalisiert wird, darunter aber ihre Qualität leidet. Lassen Sie uns über diesen Punkt weiter nachdenken.

Wichtig finde ich auch, dass wir uns neben den AGs anschauen, welche ergänzenden digitalen Tools den Referendar*innen zur Verfügung gestellt werden können. Hier ist das E-lan-Lernsystem ein Anfang. Allerdings muss das System technisch und didaktisch auf dem modernsten Stand bleiben. Hier können wir uns nicht mit alter Technik zufriedengeben und den Rest kommerziellen Anbietern überlassen. Gute Lehrqualität muss uns im Zweifel auch etwas wert sein. Daher finde ich diesen Punkt im Antrag besonders wichtig.

Zuletzt noch zur Frage der Lerninhalte. Die Digital Study 2019 zeigt, dass viele angehende Jurist*innen mehr über das Recht in Zeiten der Digitalisierung lernen wollen und sich hier ein größeres Angebot wünschen. Daher kann ich das Ansinnen nur unterstützen, dieses auszubauen.

Zugleich darf sich das aber nicht negativ auf die Arbeitsbelastung der Studierenden und Referendar*innen auswirken!  Hier kann ich nur die Landesfachschaft NRW zitieren, die die schwarz-gelbe Reform des juristischen Studiums kritisiert hat. In einer Pressemitteilung heißt es, Zitat: „Es genügt nicht, lediglich digitale Inhalte in das Studium zu implementieren, wenn nicht auch auf Modernität in anderen Bereichen geachtet wird. Dazu zählt beispielsweise auch, einen Fokus auf die mentale Gesundheit der Studierenden zu setzen und gezielt Maßnahmen zur Senkung des psychischen Drucks zu treffen.“ Dem kann ich mich nur anschließen.

Denn wir alle wissen, dass die juristische Ausbildung schon jetzt sowohl fachlich eine Herausforderung ist als auch psychisch für viele eine massive Belastung darstellt. Und daher möchte ich zum Schluss noch einmal dafür werben, dass wir uns die Frage der Modernisierung der juristischen Ausbildung nicht rein technisch und auf die Frage der Digitalisierung verengt anschauen, sondern auch Fragen der Belastung und des psychischen Drucks verstärkt in den Mittelpunkt rücken.

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