Lena Nzume: Rede zur Lehrkräfteausbildung (Antrag SPD/GRÜNE)

TOP 12  Lehrkräfteausbildung praktisch und vernetzt denken - Qualität stärken, Fachkräftemangel bekämpfen! (Antrag SPD/GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Wir reden viel über Lehrkräftemangel. Aber zu selten reden wir darüber, was Lehrkräfte heute leisten müssen – und was sie dafür brauchen.

Heute beraten wir nicht irgendein bildungspolitisches Fachthema. Wir beraten eine zentrale Gerechtigkeitsfrage: Wie stärken wir diejenigen, die Tag für Tag Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder übernehmen?

Die Realität in unseren Schulen ist längst im Wandel: Ganztag, Inklusion, Digitalität, Heterogenität – das ist keine Zukunftsmusik, das ist Gegenwart. 

Lehrkräfte sollen Lernprozesse individuell gestalten, mit Vielfalt professionell umgehen, inklusiv unterrichten. Multiprofessionelle Teams sind Alltag – und das ist gut so. Aber es verändert das Berufsbild.

Und dafür braucht es eine Ausbildung, die diesen Wandel ernst nimmt.

Die Wahrheit ist: Unsere Lehrkräftebildung ist für diese Realität oft noch nicht gemacht. Der Lehrkräftetrichter des Stifterverbandes zeigt: Rund 47.400 Menschen beginnen jährlich ein Lehramtsstudium – nur 27.800 schließen es ab. Und auch im Referendariat gehen weitere verloren. Die GEW belegt: 84 % der Lehramtsanwärter*innen fühlen sich unzureichend vorbereitet.

Das ist kein individuelles Problem. Das ist ein strukturelles Versagen.

Darum sage ich klar: Wer gute Bildung will, muss endlich die Lehrkräftebildung reformieren. Gründlich. Mutig.

1. Neue Wege ins Lehramt ermöglichen

Wir brauchen mehr gut ausgebildete Lehrkräfte – und deshalb ist es richtig, neue Wege ins Lehramt zu öffnen. Mit einem Quereinstiegs-Masterstudiengang geben wir Menschen mit anderen Bildungsbiografien die Chance, Lehrer*in zu werden. Gleichzeitig müssen wir die Anerkennung ausländischer Abschlüsse endlich entbürokratisieren. Der Weg ins Lehramt darf nicht durch Bürokratie versperrt werden.

2. Einheitliches Lehramt Sek I

Die Aufteilung in Haupt- und Realschule ist nicht mehr zeitgemäß. Wir schaffen ein einheitliches Lehramt der Sekundarstufe I, das Flexibilität ermöglicht und Realität abbildet – gerade an Gesamtschulen. Die Trennung in Haupt- und Realschule ist ein bildungspolitisches Fossil. Die Inhalte sind gleich, die Seminare sind gleich – aber wir zwingen junge Menschen dazu, sich künstlich festzulegen. Das hat mit moderner Schule nichts zu tun. Deshalb machen wir jetzt Schluss mit der Schwerpunktsetzung.

3. Praxisbezug stärken – Praxisschock verhindern

Wie viele Studiengänge gibt es, in denen man fünf Jahre lang ausgebildet wird – um dann am ersten Arbeitstag zu merken, dass man eigentlich nichts weiß über den Alltag im Beruf? Genau das passiert im Lehramtsstudium. Lehramtsstudierende brauchen frühzeitige, qualifizierte Praxisphasen – verpflichtend, begleitet, reflektiert. Nicht nur im GHR-Bereich, sondern auch in der Gymnasialpädagogik, Sonderpädagogik und an berufsbildenden Schulen. Theorie und Praxis müssen verzahnt werden. Das gelingt nur mit echter Zusammenarbeit von Hochschulen, Studienseminaren und Schulen. Genau deshalb brauchen wir auch verbindliche Zusammenarbeit von Hochschulen, Studienseminaren und Schulen – nicht als Lippenbekenntnis, sondern als gemeinsame Verantwortung.

4. Kompetenzen für eine Schule der Zukunft vermitteln

Wir müssen Lehrkräfte ausbilden, die Vielfalt als Stärke begreifen. Die inklusiv, diskriminierungskritisch und individuell fördern können. Deshalb setzen wir auf:

  • mehr bildungswissenschaftliche Anteile,
  • verbindliche Vermittlung von Kompetenzen zu Heterogenität, Inklusion, Diagnostik,
  • Förderung von 21st Century Skills,
  • und digitale, hochschulübergreifende Lehre

5. Gerechtigkeit im System verankern

Wir brauchen:

  • eine vorausschauende Bedarfsplanung,
  • forschungsbasierte Evaluation,
  • duale Studienmodelle,
  • und eine grundlegende Reform des Vorbereitungsdienstes

Lehrkräftebildung weiterdenken – mit starker Partnerschaft. Die Niedersächsische Landesregierung hat erkannt: Wir brauchen eine grundlegende Neustrukturierung – hin zum Stufenlehramt und zu einer offenen, flexiblen zweiten Phase. Ich begrüße ausdrücklich die Ziele:

  • Lehramtsstudiengänge an eine heterogene und inklusive Gesellschaft anzupassen,
  • die Fachlichkeit und pädagogische Professionalität zu stärken,
  • die Ausbildung endlich auf die Realität an unseren Schulen auszurichten

Mein Dank gilt dem Verbund der lehrkräftebildenden Universitäten, der seit Jahren kluge Konzepte entwickelt und die Umsetzung unterstützt. Und ich danke Kultusministerin Julia Willie Hamburg und Wissenschaftsminister Falko Mohrs für die Einrichtung der gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Reform der Lehrkräftebildung. Diese Zusammenarbeit zeigt: Wir können Schule verändern – wenn wir es gemeinsam anpacken.

Diese Reform ist überfällig und sie ist machbar. Und sie braucht politischen Mut – aber auch Entschlossenheit und Haltung. Gute Bildung beginnt mit guter Ausbildung. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem.

Lasst uns das jetzt gemeinsam ändern. Für die Kinder. Für die Lehrkräfte. Für die Zukunft der Schule.

 

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