Lena Nzume: Rede zu "Klassenräte als demokratisches Gremium an niedersächsischen Schulen einführen"
TOP 39: Klassenräte als demokratisches Gremium an Niedersächsischen Schulen einführen (Antrag SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
am 20. September feiern wir den internationalen Weltkindertag, der auf die Rechte von Kindern aufmerksam macht. Dieser Anlass macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, die Rechte unserer jüngsten Bürger*innen zu schützen und zu stärken. Starke Kinder, die ihre Rechte kennen und mit ihnen umzugehen wissen, sind der Grundstein für mündige Erwachsene. In diesem Zusammenhang möchte ich heute über eine wichtige Initiative sprechen, die genau dazu beiträgt: die Einführung von Klassenräten an unseren Grundschulen in Niedersachsen.
Die Schule ist nicht nur ein Ort des Wissenserwerbs, sondern auch ein Raum, in dem junge Menschen lernen, wie Demokratie funktioniert und wie sie selbst daran teilnehmen können. Wesentliche Merkmale einer Demokratie sind:
- gegenseitiger Respekt,
- eine faire diskursive Auseinandersetzung über Themen sowie
- die Ablehnung von Diskriminierung und Gewalt.
Demokratie lebt von der aktiven Beteiligung aller Bürger*innen. Der Soziologe Oskar Negt bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Bildung hat eine existenzielle Notwendigkeit, weil Demokratie die einzige Staatsform ist, die gelernt werden muss." Und genau diesen Lern- und Erfahrungsraum wollen wir deutlich aufwerten, indem Klassenräte als demokratische Gremien in allen Schulformen eingeführt werden. Wir sind damit nicht das erste Bundesland und werden sicherlich nicht das letzte Bundesland bleiben, das diesen Schritt geht.
Klassenräte bieten den Schüler*innen die Möglichkeit, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die ganz konkret und unmittelbar ihre Alltagswirklichkeit betreffen. Sie erlernen die Grundprinzipien demokratischer Entscheidungsprozesse, indem sie Mitwirkung und Mitbestimmung praktizieren. Fähigkeiten, die sie in ihrem späteren Leben benötigen. Gleichzeitig fördert die Teilnahme an Klassenräten die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten und stärkt die soziale Kompetenz.
Die Beteiligung von Schüler*innen an schulischen Gremien ist ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Schulkultur. Deshalb sollten Kinder und Jugendliche in Entscheidungen eingebunden und systematisch über ihre Rechte sowie Partizipationsmöglichkeiten informiert und aufgeklärt werden.
Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten zeichnen eine Lernkultur von Schulen, in der sich alle anerkannt und wertgeschätzt fühlen. Jedes Kind hat das Recht, in der Schulgemeinschaft gleichberechtigt behandelt zu werden, unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Behinderung. Klassenräte können Ausgrenzungserfahrungen vorbeugen: Kinder und Jugendliche erleben sich als zugehörig zu einer demokratischen Gemeinschaft, erleben sich so als Teil eines „Wir“. Sie lernen, dass sie in ihren Auffassungen mal zu einer Mehrheit und mal einer Minderheit gehören. Sie lernen, wie demokratische Regeln einen Ausgleich schaffen. Und ihre Identifikation mit einer Gemeinschaft motiviert sie, sich aktiv einzubringen und sich für Belange von anderen einzusetzen. Die Übernahme von Verantwortung und der direkte Bezug auf den eigenen Schulalltag fördert das gesellschaftliche und politische Engagement.
Mit Blick auf den Erhalt und die Förderung von Demokratie, ist die Aufgabe von Bildungsinstitutionen wie der Schule, theoretische Auseinandersetzungen und erlebbare Handlungen zu ermöglichen. Dies ist ganz konkret Bildung gegen Ausgrenzung.
Deshalb bitten wir die Landesregierung, bei der kommenden Novelle des Niedersächsischen Schulgesetzes folgende Schritte zu unternehmen:
- Erstens, nach dem Vorbild von Hessen und Nordrhein-Westfalen den Klassenrat als Mittel demokratischer Schulentwicklung einzuführen und als Gremium in allen Schulformen zu verankern.
- Zweitens, feste Regeln zu definieren, die eine demokratische Wahl von Klassensprecherinnen oder Klassensprechern sicherstellen, die möglichst auch schon im Primarbereich und im Förderschwerpunkt "geistige Entwicklung" der Förderschule angewendet werden können.
- Drittens, die Regelungen für die Wahl von Vertreterinnen und Vertretern in der Klassenkonferenz und deren Ausschuss auf alle Jahrgangsstufen im Primarbereich und im Förderschwerpunkt "geistige Entwicklung" der Förderschule auszuweiten.
Die Einführung von Klassenräten an Grundschulen in Niedersachsen ist eine Chance, die Demokratieerziehung unserer Schülerinnen und Schüler zu stärken, ihre sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zu fördern und sie zu aktiven Bürger*innen von morgen zu machen. Lassen Sie uns diese Chance ergreifen und gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Schulen Orte sind, an denen Demokratie gelebt und erfahren wird.