Lena Nzume: Rede zu Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen (Gesetzentwurf CDU)

Rede TOP 4: Entwurf eines Gesetzes zum Fortbestand der Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,

Sehr geehrte Menschen,

die Diskussion um den Erhalt der Förderschulen wird seit etlichen Jahren und hochemotional geführt. Gerade diese Diskussion verhindert aber den Gestaltungsprozess der Inklusiven Schule. Bereits vor 11 Jahren wurde unter Kultusminister Althusmann das Auslaufen der Förderschule Lernen beschlossen. Trotz dieser sehr langen Übergangszeit ist wenig passiert und die Schulen wurden mit geringen Ressourcen ausgestattet. Alle demokratischen Parteien haben sich für die Inklusion ausgesprochen. Deshalb: Jetzt einen Gesetzesentwurf zum Erhalt der Förderschulen Lernen einzubringen und zugleich am gemeinsamen Entschließungsantrag weiterarbeiten zu wollen, ist paradox! Das ist, als sage man: Wasch mich, aber mach mich nicht nass!

Die Förderschulen werden auslaufen. Da helfen auch keine Petitionen oder anderslautende kommunale Beschlüsse. Ebenso ist „Umlabeling“ zu anderen Förderschwerpunkten höchst problematisch. Diese Praxis führt nur dazu, dass Lebens- und Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen beschränkt werden. Tatsächlich werden sie stigmatisiert, be-hindert und be-sondert. Zudem bindet das Festhalten an einem Auslaufmodell personelle und materielle Ressourcen, die wir für den Transformationsprozess an den anderen Schulen dringend brauchen!

Die Umsetzung der Inklusiven Schule bedeutet, JETZT den notwendigen Umbruchprozess endlich einzuleiten. Wir denken die Schule ausgehend von den Kindern und ihren Bedürfnissen! Schulen müssen inkludierfähig werden. Nicht die Kinder und Jugendliche müssen ihre Inkludierbarkeit beweisen. Schulen müssen so umgestaltet werden, dass sie gute Lern und Lebensorte für ALLE sind. Die Akteur*innen müssen so unterstützt werden, dass sie allen Kindern und Jugendlichen eine qualitativ hochwertige Bildung ermöglichen. Ich spreche von einem zieldifferenzierten und individualisierten Lehren und Lernen. Hierbei spielen multiprofessionelle Teams eine zentrale Rolle. Wir brauchen die unterschiedlichen Professionen, also Therapeut*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Lehrkräfte und anderes, nicht lehrendes Personal an Schule. Die Expertise der Sonderpädgagog*innen wird in der allgemeinbildenden Schule gebraucht. Deshalb werden wir jetzt regionale Konzepte zum Gelingen der Inklusion und für gute Übergänge gestalten. Dazu gehört, Perspektiven für die Kollegien im inklusiven Setting aufzuzeigen. Durch die neue Teamarbeit verändert sich das Berufsbild von Pädagog*innen. Deshalb werden wir Freiräume ermöglichen und Kooperationszeiten ausbauen und stärken. Dazu gehören auch berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen, damit alle die notwendigen Kompetenzen für eine inklusive Pädagogik entwickeln und ausbauen können. Ebenso wollen wir systemische Lösungen vorhalten. Das Ressourcen-Etikettierung-Dilemma werden wir damit beenden.

Wir wollen das Inklusions-Theater beenden. Die Instrumentalisierung von Eltern und Kindern ist unethisch! Die Idee, dass Kinder mit Behinderungen oder verhaltensauffällige Kinder an Förderschulen besser aufgehoben sind, ist nur die halbe Wahrheit. Auch dort gibt es Mobbing. Zugleich verschwinden die Kinder aus dem Blick der Mehrheitsgesellschaft und werden marginalisiert. Weil viele glauben, dass dort bessere Zustände sein und sie besser gefördert würden. Aber das stimmt nicht. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das gemeinsame Lernen für alle förderlich ist.

Inklusion wird in Niedersachsen je nach Ort und Schule ganz unterschiedlich umgesetzt. An vielen Orten läuft es schon sehr gut und wir werden weiterhin daran weiterarbeiten, den Entschließungsantrag aller demokratischen Fraktionen zur Weiterentwicklung der Inklusiven Schule umzusetzen.

Inklusionspädagogik bedeutet nicht eine Gleichmachung oder dass alle Kinder zur gleichen Zeit das Gleiche lernen. Inklusion bedeutet auch, dass Kinder auch mal getrennt werden können, dass kleinere Lerngruppen gebildet werden können, aber eben nicht dauerhaft. Es ist sehr wohl möglich, innerhalb des Systems Schule auch situativ kleine Gruppen zu bilden, in denen Kinder und Jugendliche spezifische Angebote erhalten. Aber nicht, indem man sie in ein anderes Gebäude steckt und separiert. Die Trennung ist situativ.

Inklusion heißt, dass alle gemeinsam, individuell und zieldifferent lernen. Das Aufgehen der Förderschule Lernen in die allgemeinbildenden Schulen schafft Synergien und eine bessere Versorgung aller Kinder und Jugendlichen.

Schule ist eine Lern- und Lebensort. Bildung ist mehr als nur Wissensvermittlung, sondern bietet ein Miteinander für den Erwerb sozialer Kompetenzen. Insofern hat Inklusion an Schulen auch immer eine gesellschaftliche Dimension. Inklusion bedeutet, eine Pädagogik umzusetzen, in der die gesellschaftliche Vielfalt erfahren wird.

Zur Inklusion gibt es keine Alternative. Inklusion ist mehr als Sonderpädagogik, Ressourcen oder Haltung. Inklusion ist ein Menschenrecht. Inklusion bedeutet die Strukturen unserer Gesellschaft so zu gestalten, dass alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Behinderung, Herkunft oder Religion in Würde am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Es geht um den Abbau von Barrieren. Ich möchte meine Rede mit einem Zitat von Raul Krauthausen beenden: „Gelegentlich heisst es: Inklusion komme an eine Grenze oder sei gescheitert. Das würde bedeuten: Menschenrechte hätten Grenzen oder seien gescheitert. Das führt uns die Dramatik unmittelbar vor Augen: Menschenrechte dürfen nicht scheitern und Menschenrechte haben keine Grenzen!“

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