Julia Willie Hamburg: Rede zur Demokratiebildung (Aktuelle Stunde SPD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Mit dem Ansinnen Demokratiebildung zu stärken, rennen Sie bei uns offene Türen ein. Programme wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, „Europaschulen“, „Jugendwahlen“ oder auch die Thematisierung von Kinderrechten sind wichtig und erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Frage bleibt allerdings offen, woher Lehrkräfte in Zeiten von Fachkräftemangel und Überbelastung die Zeit haben, solche Maßnahmen auch entsprechend vorzubereiten und in der Schule zu etablieren. Wir müssen für ausreichend Freiräume sorgen, damit solche Programme nicht nur ein Etikett an der Schultür sind, die mit einer Projektwoche flankiert werden. Für die Lehrkräfte an den Schulen ist das mit einem riesigen Berg Arbeit verbunden, den man hier in den Blick nehmen muss.

Demokratiebildung ist mehr als ein Projekt – deshalb erwarte ich eigentlich mehr als nur ein weiteres Programm. Es bedarf struktureller Veränderungen. In Schulen sollte es mehr Möglichkeiten echter Teilhabe geben, die Schülerinnen und Schülern deutlich machen, dass ihre Stimme etwas zählt. Es Bedarf eines verbesserten Beschwerdemanagements. Demokratie an Schule bedeutet nicht zuletzt auch eine verbesserte Beteiligung aller Statusgruppen an Schule. Hier sollte die Landesregierung Schritte gehen.

Ebenso muss es darum gehen, Schulen strukturell stärker zu machen, gegen Diskriminierung. Solange Kinder immer noch Diskriminierungserfahrungen etwa aufgrund ihrer sexuellen Orientierung machen, solange „Jude“ als Schimpfwort auf Schulhören ertönt – solange muss Demokratiebildung an allen Schulen auch in der Lage sein, sofort zu intervenieren und hier auch Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Gerade aber diese Hilfe ist vielfach unterbesetzt. Lehrkräfte wenden sich beispielsweise im Bereich der sexuellen Orientierung an SchLAU – das ist aber gar nicht die richtige Adresse. SchLAU macht peer-to-peer Angebote, aber keine Lehrkräfte Fortbildung oder Krisenintervention. Hier muss Niedersachsen noch besser werden.

Und nicht zuletzt wäre ein effektiver Schritt, Demokratiebildung wirksam und flächendeckend zu verankern, die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Erst jüngstens hat dies auch eine Bertelsmannstudie bestätigt. Diese Möglichkeit sollte Niedersachsen ergreifen, um die erste Wahl auch in die Schulzeit fallen zu lassen. Es ist hierfür an der Zeit.

So schön Projekte auch sind, so viel Spaß sie auch machen und so viel Sinnvolles sie auch an Schulen ermöglichen, sie sind und bleiben Projekte an einzelnen Schulen. Demokratie verteidigen, heißt aber Demokratie leben und verankern und zwar an allen Schulen. Die Jugend ist dafür bereit – lassen Sie uns gemeinsam mehr Demokratie wagen.

Vielen Dank.

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