Helge Limburg: Rede zur Corona-Verordnung (Aktuelle Stunde FDP)
TOP 20: Aktuelle Stunde (FDP) Corona-Verordnung: Chaos kostet Vertrauen in die Corona-Politik
- Es gilt das gesprochene Wort -
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Corona-Situation fordert uns alle extrem. Das ist keine Frage. Keine Landesregierung, keine Koalition würde diese Krise ohne Fehler, ohne Auseinandersetzungen, ohne Widersprüche durchstehen. Das ist klar. Aber das entbindet Sie, Herr Ministerpräsident Weil, Sie Frau Gesundheitsministerin Behrens, und auch Sie, Herr Wirtschaftsminister Althusmann, der Sie hier ja so gerne Opposition spielen, nicht davon, den Menschen Orientierung zu bieten. Klare Orientierung, was wann wo warum gilt, Benennung, wo Fehler passiert sind, und was aus ihnen folgt. Und Fehler und Widersprüchlichkeiten sind leider einige erfolgt.
Die Logopädie ist bereits angesprochen. Natürlich war das gravierend, was da zunächst in der Verordnung stand. Es ist gut, dass Sie vergleichsweise schnell reagiert haben und diese wichtige Aufgabe wieder ermöglicht haben.
Dann ist da der Sport. Dass der Spitzensport läuft während der Amateursport Saisons abbrechen muss, daran müssen wir uns ja scheinbar gewöhnen. Aber an die Widersprüchlichkeiten müssen wir uns nicht gewöhnen, die werden wir hier immer wieder kritisieren. Sie sagen im Prinzip ist Amateursport verboten. §10 Abs. 1 Nr. 7 Ihrer Verordnung. Das gilt allerdings nicht im Kinder- und Jugendbereich, da dürfen draußen auch mehr Jugendliche Sport machen, wenn sie maximal 14 sind. Der oder die 15jährige, die da vielleicht normalerweise im Dorfklub mittrainiert ist raus, Ausnahmemöglichkeiten gibt es nicht, Pech gehabt, bei Verstoß drastisches Bußgeld. Sport draußen geht auch nicht komplett, hängt vom Sport ab: Klettern am Felsen erlaubt, Klettern im Kletterpark oder Seilgarten, ausnahmslos verboten. Schwimmen auch draußen im beheizten Freibad, verboten. Golf erlaubt, Minigolf verboten. Verstehen kann das kein Mensch! Seit Monaten fordern wir von ihnen den einfachen Grundsatz ein: Alles, was irgendwie geht, nach draußen verlagern, in Schule, Kita und eben auch im Freizeit- und Sportbereich, draußen könnten Sie deutlich mehr zulassen als drinnen, das sagen uns alle Wissenschaftler*innen, allein, die GroKo weiß es besser und will dem nicht folgen. Das ist mehr als bedauerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beispiel Einzelhandel: Im Bereich der privaten Kontakte haben Sie endlich, endlich unsere Kritik aufgegriffen und Kinder unter 15 Jahren von den Beschränkungen ausgenommen. Aber beim Einzelhandel mit Termin, da taucht diese Beschränkung wieder auf. Da ist plump die Rede von einer Begleitperson, ohne Ausnahme. Wahrscheinlich hatten Sie ein klassisches Pärchen im Kopf, aber faktisch bedeutet das für den alleinerziehenden Vater oder Mutter von zwei kleinen Kindern, dass sie dieses Angebot eben nicht wahrnehmen können, dass sie wieder mal hinten runterfallen, weil sie nicht eines ihrer Kinder einfach alleine lassen können. Es ist bitter, dass wir nach einem Jahr Pandemie an so vielen Stellen immer noch über die Rechte und Möglichkeiten für Familien und Kinder streiten müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Über die unzureichenden Wirtschaftshilfen aus ihrem Haus haben wir gestern schon gesprochen Herr Althusmann. Hören Sie doch auf Detlev Schulz-Hendel und Jörg Bode, wischen Sie das nicht alles immer so arrogant zur Seite, sondern nehmen Sie die Kritik ernst, handeln Sie und beenden Sie Chaos und Verunsicherung bei den Wirtschaftshilfen!
Die Debatte, die geführt wird ist ja aber längst auch eine andere: Die Inzidenzzahlen steigen und steigen, Intensivmediziner und andere fordern einen weiteren Lockdown. Und Sie? Schweigen dazu weitgehend.
Zwei CDU-Minister äußern sich: Der eine, Herr Thümler, begibt sich öffentlich in Opposition zur Verordnung und tut so, als habe er mit der Landesregierung und ihren Verordnungen nichts zu tun. Der andere, Herr Althusmann, fordert eine neue Bemessungsgrundlage als nur den Inzidenzwert. Dabei suggerieren sie ganz bewusst, dass, wenn man nur anders zählen würde, man schnell zu Lockerungen kommen würde. Das ist gegenwärtig schlicht nicht wahr. Die Inzidenzzahlen steigen, aber es steigt eben auch die Zahl der belegten Intensivbetten. Insofern bringt die von Ihnen angezettelte Debatte Herr Althusmann niemanden weiter außer, dass sie Verunsicherung weiter schürt und das Gefühl schürt, dass man sich auf niemanden mehr verlassen kann, am allerwenigsten auf diese Landesregierung. Herr Ministerpräsident Weil schweigt zu alledem und tut so, als ginge es ihn nichts an, was sein Wissenschaftsminister und sein Wirtschaftsminister öffentlich gegen die eigene Regierung sagen und fordern. Dieses Verhalten schürt Misstrauen wo wir Vertrauen brauchen, es schürt Verunsicherung wo wir Orientierung brauchen, es schürt Unklarheit, wo norddeutsche Klarheit nötig wäre. Das ist zu wenig für Niedersachsen, meine Damen und Herren.
Sagen Sie doch den Menschen klar, ob es einen Lockdown geben wird nächste Woche und in welchen Bereichen. Oder sagen Sie, welche Begleitmaßnahmen wie Testen, Verlagerung nach draußen und Hygienekonzepte Sie verstärken, um Schließungen zu vermeiden. Aber beenden Sie diese Kakophonie der CDU-Minister und das große Schweigen der SPD-Minister und des Ministerpräsidenten. So führt man das Land jedenfalls nicht gut in der Krise.
Dies alles zeigt: Diese Regierung, diese Koalition wäre gut beraten, sich endlich mal gut beraten zu lassen. Wir haben jetzt ein Jahr Pandemie, und noch immer gibt es nicht eine einzige Parlamentsabstimmung, bei der die Fraktionen von SPD und CDU ausdrücklich den Kurs der Regierung unterstützt haben. Das ist bezeichnend. Die Unterrichtung des Landtages über geplante Verordnungen gibt es überhaupt erst, seit Grüne und FDP diese per Eilantrag vor dem Staatsgerichtshof erzwungen haben. Und der Staatsgerichtshof war es auch, der Ihnen in der vergangenen Woche einen Bruch der Landesverfassung bescheinigt hat, weil Sie den Landtag übergangen haben. Beteiligen Sie den Landtag, Verbände und die Öffentlichkeit doch in dem Sinne, dass Sie Anregungen und Kritik tatsächlich aufgreifen und berücksichtigen und nicht abprallen lassen. Stimmen Sie als Koalitionsfraktionen doch mal Anträgen und Gesetzentwürfen zu oder bringen Sie selbst mal Vorschläge ein, anstatt hier immer nur auf Fundamentalopposition in der Koalition zu setzen.
Wir reichen Ihnen die Hand, um diese Pandemie gemeinsam mit entschiedenen Maßnahmen mit Augenmaß zu bewältigen. Aber ergreifen müssen Sie diese Hand schon selbst.