Gesetzenwurf zur Regelung des Jugendstrafvollzugs im Land Niedersachsen

 

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Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen:

Entwurf einesGesetzes zur Regelung des Jugendstrafvollzuges im Land Niedersachsen

(GJVollz Nds)

vom...

Artikel 1

Jugendstrafvollzugsgesetz Niedersachsen (JstVollzG Nds)

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe in Jugendstrafanstalten in Niedersachsen.

§ 2 Ziel des Vollzuges

Ziel des Vollzuges der Jugendstrafe ist eine soziale und eigenverantwortliche Lebensführung der Gefangenen ohne Straftaten zu ermöglichen.

§ 3 Gestaltung des Vollzuges

(1) Während des Vollzuges der Jugendstrafe sind alle Gefangenen in der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer zu fördern.

(2) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden. Die Belange der Sicherheit der Anstalt und der Allgemeinheit sind in diesem Rahmen zu beachten. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. Der Vollzug wird von Beginn an darauf ausgerichtet, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit ohne Straftaten einzugliedern.

(3) Sachliche Mittel, personelle Ausstattung und Organisation der Einrichtungen des Jugendstrafvollzuges werden an dessen Zielsetzung, den Inhalten und den methodischen Vorgehensweisen ausgerichtet. Die gesicherten Erkenntnisse der Erziehungswissenschaften sind mit Hilfe entsprechend qualifizierten Personals umzusetzen.

§ 4 Mitwirkung

Die Gefangenen sollen motiviert und gefördert werden aktiv am Vollzugsziel mitzuwirken

§ 5 Leitlinien der Förderung und Erziehung

(1) Grundlage der erzieherischen Förderung im Vollzug sind alle Maßnahmen und Programme, welche die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Gefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels entwickeln und stärken. Hierzu kann der Vollzug aufgelockert und in geeigneten Fällen weitgehend in freien Formen durchgeführt werden.

(2) Durch differenzierte Angebote wird soweit wie möglich auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Förderbedarf der Gefangenen eingegangen. Bei der Konzeption des Vollzuges und bei allen Einzelmaßnahmen werden die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Gefangenen soweit wie möglich berücksichtigt. 

(3) Die Bereitschaft der Gefangenen zur Mitwirkung ist durch eine auf Ermutigung zur aktiven Mitarbeit abstellende Förderplanung, Bereitstellung motivierender Lerngelegenheiten und verbindlicher Entwicklungshilfen sowie durch unterstützende Maßnahmen zu wecken, zu fördern und zu fordern.

(4) Die erzieherische Förderung richtet sich auf schulische Bildung, berufliche Qualifizierung und arbeitspädagogische Angebote, soziale Rehabilitation wie dem Erlernen von Opferempathie und gewaltfreiem Handeln und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte.

(5) Die erzieherische Förderung berücksichtigt die Erkenntnisse der modernen Erziehungswissenschaft und der Lernforschung. Das Personal ist entsprechend zu qualifizieren.

§ 6 Stellung der Gefangenen

(1) Die Gefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Jugendstrafanstalt unerlässlich sind.

(2) Vollzugliche Maßnahmen sind den Gefangenen auf Verlangen in einer verständlichen Sprache zu begründen und zu erläutern.

§ 7 Einbeziehung Dritter

(1) Die Jugendstrafanstalten arbeiten mit fachbezogenen außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen, namentlich mit Schulen und Schulbehörden, Einrichtungen für berufliche Bildung, Behörden und Stellen der staatlichen und privaten Straffälligenhilfe, der Jugendgerichtshilfe (§ 38 Abs. 2 Satz 9 des Jugendgerichtsgesetzes), Arbeitsämtern, Gesundheitsbehörden, Ausländer- und Integrationsbeauftragten, Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege sowie mit sonstigen Personen und Vereinen, deren Einfluss die Eingliederung der Gefangenen fördern kann, eng zusammen.

(2) Die Jugendstrafanstalten bilden ein Netzwerk mit offenen Einrichtungen freier Träger, in denen Gefangene während einer Übergangszeit vor der Entlassung oder beurlaubte, bedingt entlassene und ehemalige Gefangene untergebracht und betreut werden können (Übergangseinrichtungen).

(3) Die Personensorgeberechtigten und die Jugendämter werden in die Planung und Gestaltung des Vollzuges in angemessener Weise einbezogen.

§ 8 Aufnahmeverfahren

(1) Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(2) Mit den Gefangenen wird am Tag der Aufnahme ein Erstgespräch geführt, in dem in einer ihnen verständlichen Sprache ihre aktuelle Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Eine notwendige Übersetzung kann mit ihrem Einverständnis von einem geeigneten Mitgefangenen durchgeführt werden, ansonsten ist sie von einem Sprachmittler vorzunehmen. Auf Verlangen wird ihnen ein Exemplar des Textes dieses Gesetzes und der von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie der zur Ausführung erlassenen Verwaltungsvorschriften ausgehändigt und erläutert. Die Gefangenen erhalten den Text der Hausordnung.

(3) Die Gefangenen werden unverzüglich ärztlich untersucht und der Anstaltsleitung vorgestellt.

(4) Die Personensorgeberechtigten und das für die Mitwirkung in dem Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz nach § 87b des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständige Jugendamt werden von der Aufnahme unverzüglich unterrichtet.

§ 9 Vorbereitende Untersuchung, Mitwirkung der Gefangenen

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren werden den Gefangenen das Ziel des Aufenthalts in der Jugendstrafanstalt sowie die vorhandenen Unterrichts-, Bildungs-, Ausbildungs- und Freizeitangebote erläutert.

(2) Der Förderbedarf der Gefangenen wird ermittelt. Die Untersuchungen erstrecken sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse sowie alle sonstigen Umstände, deren Kenntnis für eine zielführende Vollzugsgestaltung und für die Eingliederung nach der Entlassung sinnvoll und notwendig erscheint.

(3) Die Planung der Vollzugsgestaltung und die Bedeutung des Förderplans werden mit den Gefangenen erörtert. Ihre Anregungen und Vorschläge werden in die Überlegungen einbezogen.

§ 10 Förderplan

(1) Auf Grund der vorbereitenden Untersuchung wird unverzüglich, jedenfalls innerhalb der ersten vier Wochen nach der Aufnahme, ein verbindlicher Förderplan erstellt. Die Entlassungsvorbereitung ist integraler Bestandteil der Förderplanung.

(2) Sind verschiedene Fördermaßnahmen gleichermaßen geeignet, soll die Wahl wenn möglich im Einvernehmen mit den Gefangenen getroffen werden. Einvernehmliche Fördervereinbarungen werden angestrebt. Der Förderplan wird in regelmäßigen Abständen auf seine Umsetzung hin überprüft, mit den Gefangenen erörtert und entsprechend der Entwicklung der Gefangenen und der weiteren Erkenntnisse über die für ihren Förderbedarf maßgebenden Umstände (§ 9 Abs. 2) fortgeschrieben.

(3) Der Förderplan enthält - je nach Stand des Vollzuges - Angaben insbesondere über folgende Bereiche:

  • Erläuterung der dem Förderplan zugrunde liegenden Annahmen zur Entwicklung des straffälligen Verhaltens sowie der Ziele, Inhalte und Methoden der Förderung,
  • Art der Unterbringung im Vollzug, insbesondere die Zuordnung zu einer Wohngruppe oder Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung sowie Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahmen bei fehlendem oder unzureichendem Angebot,
  • Art und Umfang der Teilnahme an schulischen, berufsorientierenden, -qualifizierenden oder arbeitspädagogischen Maßnahmen oder Zuweisung von Arbeit sowie Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahmen bei fehlendem oder unzureichendem Angebot,
  • Art und Umfang der Teilnahme an therapeutischer Behandlung oder anderen Hilfs- oder Fördermaßnahmen sowie Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahmen bei fehlendem oder unzureichendem Angebot,
  • Art und Umfang der notwendigen Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge,
  • Art und Umfang der Teilnahme an Freizeitangeboten,
  • Eignung zu sowie Planung von Lockerungen des Vollzuges und Urlaub,
  • Gestaltung der Außenkontakte und Art und Umfang der Fördermaßnahmen bei heimatferner Unterbringung,
  • Mitwirkung an der Alltagsgestaltung und Selbstverwaltung in der Jugendstrafanstalt,
  • Maßnahmen und Angebote zum Ausgleich von Tatfolgen, insbesondere Wiedergutmachung und einvernehmliche Konfliktregulierung,
  • Schuldenregulierung,
  • Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung, insbesondere die Fortsetzung oder Aufnahme einer beruflichen oder schulischen Ausbildung oder einer beruflichen Tätigkeit nach der Entlassung sowie weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Lebensführung,
  • Bestimmung der für die Koordination der Entlassungsplanung verantwortlichen Person,
  • Fristen zur Überprüfung und Fortschreibung des Förderplans.

(4) Die Personensorgeberechtigten erhalten Gelegenheit, Anregungen und Vorschläge einzubringen. Diese sollen, soweit mit dem Vollzugsziel und der Gestaltung des Vollzugs vereinbar, berücksichtigt werden.

(5) Der Förderplan und seine Fortschreibungen werden den Personensorgeberechtigten und der Vollstreckungsleitung bekannt gegeben. Mit den Personensorgeberechtigten werden sie auf Wunsch erörtert.

§ 11 Verlegung und Überstellung

(1) Die Gefangenen können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Jugendstrafanstalt verlegt werden, wenn das Erreichen des Vollzugszieles oder die Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird, eine erhebliche Störung der Ordnung der Jugendstrafanstalt auf andere Weise nicht vermieden werden kann oder wenn Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe eine Verlegung erforderlich machen.

 (2) Die Gefangenen sind vorher über die Gründe der Verlegung oder Überstellung zu informieren. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Die Personensorgeberechtigten, die Verteidigung und die Jugendämter werden von Verlegungen der Gefangenen unverzüglich unterrichtet.

§ 12 Sozialtherapie

(1) Die Gefangenen werden in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung des Jugendstrafvollzuges verlegt, wenn die Wiederholung einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder § 182 des Strafgesetzbuches oder wegen einer gefährlichen Gewalttat aufgrund einer Störung ihrer sozialen und persönlichen Entwicklung zu befürchten und nicht auszuschließen ist, dass die Gefangenen mit den Mitteln der Sozialtherapie erreicht werden können.

(2) Andere Gefangene sollen mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische Einrichtung des Jugendstrafvollzuges verlegt werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Anstalt zur Erreichung des Vollzugszieles angezeigt sind.

(3) Die Gefangenen werden zurückverlegt, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in der Person der Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.

(4) Kommt eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt des Jugendstrafvollzuges aus Gründen, die die Gefangenen nicht zu vertreten haben, nicht in Betracht, werden geeignete alternative Behandlungsmaßnahmen getroffen.

§ 13 Offener Vollzug

(1) Gefangene sollen mit ihrer Zustimmung in einer Jugendstrafanstalt oder Abteilung einer Jugendstrafanstalt ohne oder mit verminderten Vorkehrungen gegen Entweichungen untergebracht werden, wenn sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügen, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe nicht entziehen und die Möglichkeiten des offenen Vollzuges nicht zu Straftaten missbrauchen werden. Eine Abweichung von diesem Grundsatz allein wegen des Geschlechts ist unzulässig.

(2) Gefangene, die sich für den offenen Vollzug nicht eignen, werden im geschlossenen Vollzug untergebracht.

(3) Ausnahmsweise dürfen Gefangene im geschlossenen Vollzug verbleiben oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies für ihre Förderung notwendig ist.

§ 14 Lockerungen des Vollzuges

(1) Zur Durchführung notwendiger Fördermaßnahmen auch außerhalb der Anstalt können Vollzugslockerungen gewährt werden.

(2) Als Lockerungen des Vollzuges können gewährt werden:

  • regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Jugendstrafanstalt unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten (Freigang),
  • Verlassen der Jugendstrafanstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht von Vollzugsbediensteten (Ausgang), gegebenenfalls jedoch in Begleitung einer Bezugsperson (Ausgang in Begleitung),
  • Übernachtung außerhalb der Jugendstrafanstalt zur Teilnahme an Lehrgängen oder anderen Veranstaltungen, die das Erreichen des Vollzugszieles oder die Eingliederung fördern,
  • Unterbringung in einer besonderen Erziehungseinrichtung oder in Übergangseinrichtungen freier Träger.

(3) Die Lockerungen dürfen mit Zustimmung der Gefangenen gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu erproben, dass sich die Gefangenen nicht dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen und die Lockerungen nicht zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

(4) Gefangene dürfen ohne ihre Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.

§ 15 Urlaub aus dem Vollzug

(1) Zur Förderung der Wiedereingliederung in das Leben in Freiheit, insbesondere zur Aufrechterhaltung sozialer Bindungen, kann nach Maßgabe des Förderplans in der arbeitsfreien Zeit Urlaub bis zu 24 Kalendertagen in einem Vollstreckungsjahr gewährt werden.

(2) § 14 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Durch Urlaub wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.

§ 16 Weisungen für Lockerungen und Urlaub, Widerruf und Rücknahme

(1) Für Lockerungen und Urlaub können Weisungen erteilt werden.

(2) Lockerungen und Urlaub können widerrufen werden,

  • wenn auf Grund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt wer
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