Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG)

Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen:

Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG)

Artikel 1

Änderung des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG)

Das Niedersächsische Nahverkehrsgesetz (NNVG) vom 28. Juni 19951) letzte berücksichtigte Änderung: §§ 4 und 7 geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 02.03.2017 (Nds. GVBl. S. 53).

1. § 2 wird wie folgt geändert:

§ 2

Grundsätze und Ziele

(1)    Der öffentliche Personennahverkehr muss unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Bedingungen sowie Einhaltung der Klimaschutzziele von Paris zu einer Verlagerung des Aufkommens im motorisierten Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel beitragen.

(2)    Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge.

(3)    Die Aufgabenträger sollen dem Ausbau und der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs gegenüber Maßnahmen für den motorisierten Individualverkehr den Vorrang einräumen, wenn diese hinsichtlich eines gesamtwirtschaftlichen, gemeinwohlorientierten und ökologischen Nutzens überwiegen.

(4)    Die Aufgabenträger (§ 4) sollen bei der Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs folgende Zielsetzungen berücksichtigen:

  1. Das Bedienungsangebot soll sich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung und den raumstrukturellen Erfordernissen richten.
  2. Sichere und leichte Übergänge vom Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr sind anzustreben.
  3. Die Fahrzeuge sollen umweltverträglich sein. Die Fahrzeugbeschaffung ist auf ökologische Erfordernisse auszurichten. Vom Jahr 2021 an werden im straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr und im Schienenpersonennahverkehr ausschließlich Fahrzeuge mit emissionsarmen Antrieben angeschafft. Vom Jahr 2030 an sind ausschließlich Fahrzeuge anzuschaffen, die treibhausneutral zu betreiben sind.
  4. Die Fahrzeuge sollen bequem sein. Bei Planung, Bau, Ausbau und Umbau von Verkehrsanlagen und bei der Fahrzeugbeschaffung sind die besonderen Bedürfnisse einzelner Nutzergruppen, insbesondere die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen, älteren Menschen, Kindern und Personen mit Kindern angemessen zu berücksichtigen. Die öffentlichen Zuwendungsgeber werden aufgefordert, Maßnahmen vorrangig zu fördern, die den besonderen Bedürfnissen dieser Nutzergruppen entsprechen.
  5. Bei der Gestaltung von baulichen Anlagen sowie beim Bedienungsangebot ist den Belangen von Frauen angemessen Rechnung zu tragen.

2. § 7, Absatz 4 wird wie folgt geändert

https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/1 Die Aufgabenträger nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 erhalten Finanzhilfen zur Abdeckung von Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Erstellung der Nahverkehrspläne. https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/2 Die Finanzhilfen betragen jährlich insgesamt 12 Millionen Euro. 3 Die Aufgabenträger erhalten einen Anteil, der jeweils zu einem Drittel nach der Einwohnerzahl, der Fläche und der demografischen Entwicklung des Gebiets zu bemessen ist, jedoch mindestens 100 000 Euro beträgt.4 Die Mittel werden vom Jahr 2021 an jährlich um 1,8 Prozent dynamisiert.5 

3. § 7a, Absatz 2 wird wie folgt geändert

https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/1 Zur Sicherstellung eines hochwertigen und kostengünstigen Verkehrsangebots im Ausbildungsverkehr und bei der Beförderung im straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr insgesamt sowie zur Abgeltung der in Verbindung mit der Aufgabe nach Absatz 1 entstehenden Kosten gewährt das Land den einzelnen kommunalen Aufgabenträgern (§ 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 3) ab dem Kalenderjahr 2017 eine jährliche Finanzhilfe aus den Mitteln nach § 7 Abs. 5 Satz 2 in Höhe des jeweils in der Anlage 1 aufgeführten Betrages. https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/2 Die Mittel sind vom Jahr 2021 an nach einem nachvollziehbaren Schlüssel auf die Aufgabenträger zu verteilen (Einwohner*innenzahl, Fläche, demografische Entwicklung). 3 Die Mittel sind so zu erhöhen, dass der Status quo erhalten bleibt und kein Aufgabenträger schlechter gestellt wird und sie sind von 2021 an jährlich um 1,8 Prozent zu dynamisieren.

4. § 7b, Absatz 1 wird wie folgt geändert

https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/1 Das Land gewährt den kommunalen Aufgabenträgern (§ 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 3) ab dem Kalenderjahr 2017 eine weitere jährliche Finanzhilfe aus den Mitteln nach § 7 Abs. 5 Satz 2 in Höhe der in der Anlage 2 genannten Beträge. https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/2 § 7a Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/3 Soweit der jeweilige Aufgabenträger seine Aufgabenträgerschaft gemäß § 4 Abs. 2 einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts übertragen hat, muss er dieser einen angemessenen Anteil des ihm nach Satz 1 oder 2 zustehenden Betrages zukommen lassen. https://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/4 Dieser Anteil ist mit jeweils einem Drittel nach der Einwohnerzahl, der Fläche und der demografischen Entwicklung des Gebiets zu bemessen, für das die Aufgabe übertragen wurde. 5 Die Mittel sind von 20 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro zu verdoppeln und die Mittel sind jährlich um jeweils 1,8 Prozent zu dynamisieren.

Begründung

Der Verkehrssektor verursacht ein Fünftel der CO2-Emissionen in Deutschland – und das seit Jahrzehnten auf einem konstant hohen Niveau. Dass der Verkehr mit hauptverantwortlich für die Erderwärmung ist, ist die Folge einer jahrzehntelangen Politik, die seit den 50er Jahren eine autogerechte Infrastruktur zum Leitbild für Verkehr und auch Stadtplanung erklärt hat. Stetig nimmt seither der Autoverkehr zu – zuletzt stieg die Anzahl der bundesweit gemeldeten PKW zum 1.1.2020 noch einmal um 1,3 Prozent auf insgesamt 47,7 Millionen Autos.[1] In der Konsequenz dieser Verkehrspolitik bewegen sich Menschen in Deutschland bevorzugt mit dem Auto fort, obwohl dies eine Reihe von Nachteilen birgt: Die Menschen verbringen zunehmend Lebenszeit wegen verstopfter Straßen im Stau; die Emissionen schädigen nicht nur Umwelt, sondern auch die eigene Gesundheit. Straßenbau und zunehmender PKW-Verkehr zerstören lebenswerte Wohnquartiere und versiegelt Flächen, was zum Artensterben beiträgt. Hier bei uns in Niedersachsen fährt rund die Hälfte der Menschen mit dem ökologisch belasteten Auto, während der Modal Split des umweltfreundlichen Öffentlichen Nahverkehrs gerade einmal 7 Prozent beträgt – damit belegt Niedersachsen im bundesweiten Vergleich den vorletzten Platz.[2] Angesichts der klimaschädlichen Wirkung, aber auch aufgrund des hohen Flächenverbrauchs, der Kosten und hohen öffentlichen Investitionen ist die Bevorzugung des PKW nicht länger zu rechtfertigen. Es stellt sich die Gerechtigkeitsfrage auf verschiedenen Ebenen – z.B. auch bei der Verteilung der Fläche. So zeigt eine Studie, dass zum Beispiel in Amsterdam ein Autofahrender 140 Quadratmeter Platz für sich beansprucht, während jemand, der/die mit der Straßenbahn fährt und sich damit gesamtgesellschaftlich verantwortungsbewusster als der/die Autofahrer*in verhält, gerade einmal nur sieben Quadratmeter benötigt.[3] Mobilität muss zeitgemäß und fair gedacht, entwickelt und umgesetzt werden. Die Bevorzugung des individualisierten Verkehrs muss zu einem Ende kommen und stattdessen müssen umweltfreundliche Verkehrsträger wie der ÖPNV und der SPNV gestärkt werden. Das Ziel muss sein, Verkehrssicherheit herzustellen, indem an menschlichen Bedürfnissen orientierte Infrastrukturplanung und -ausführung als integraler Bestandteil der Stadtplanung begriffen werden.

Die Erhöhung der Regionalisierungsmittel auf Bundesebene schafft eine nachhaltige und verlässliche finanzielle Grundlage, um den ÖPNV und SPNV auch in Niedersachsen dauerhaft auszubauen. Mit Beschluss des Bundestages im Januar 2020 erfolgt eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Länder:[4] Von 2020 an erhält auch Niedersachsen zusätzliche Mittel des Bundes, die auf 46 Millionen Euro bis zum Jahr 2031 jährlich ansteigen werden. Diese sind zu den bereits zugeteilten Mittel zu addieren, die im jetzt laufenden Jahr 750 Millionen Euro umfassen und die infolge der Dynamisierung auf mehr als 920 Millionen Euro bis 2031 anwachsen werden. Die jährliche Dynamisierungsrate beträgt dabei 1,8 Prozent.

Von dieser Mittelerhöhung muss auch der straßengebundene ÖPNV profitieren und die Aufgabenträger müssen anteilig gestärkt werden. Insbesondere ist die Verwaltungskostenpauschale (§ 7 Absatz 4 NNVG) zeitgemäß anzupassen, nachdem sie von Beginn der Gültigkeit des NNVG an, also seit 1995, nicht erhöht wurde und damit bislang noch nicht einmal ein Inflationsausgleich erfolgte. Die Verteilung der Mittel ist neu vorzunehmen und soll nach nachvollziehbaren Kriterien erfolgen. Analog zur bereits praktizierten Verteilung der 7b-Mittel soll daher auch die Zuteilung der Verwaltungskostenpauschale vorgenommen werden. Danach erhalten die Aufgabenträger einen Anteil, der sich nach der Einwohner*innenzahl, der Fläche und der demografischen Entwicklung des Gebiets bemisst. Aber auch die Ausgleichszahlungen im Schüler*innenverkehr sind umzustellen und gerecht vorzunehmen. Aktuell erfolgt eine äußerst intransparente Verteilung der Mittel. In manchen Landkreisen wird wesentlich mehr Geld für ein*e Schüler*in zugeteilt als in anderen. Das System ist so umzustellen und nach Kriterien auszurichten, dass die Zahlungen fair und für alle transparent nachvollziehbar sind. Auch hier sind die praxistauglichen Verteilungskriterien der 7b-Mittel anzuwenden. Allerdings soll kein Landkreis schlechter gestellt werden als bislang. Das Zahlungsniveau gibt dabei der Landkreis Osnabrück


[1] Kraftfahrtbundesamt, Pressemitteilung Nr. 6/2020 - Der Fahrzeugbestand am 1. Januar 2020

[2] Mobilität in Deutschland -  Kurzreport, Ausgabe September 2019, S. 13.

[3] Mobilitätsatlas 2019, Stadt Amsterdam

[4] Drucksache Bundestag 19/15622 - Gesetzentwurf: Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes

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