Gesetzentwurf zur Änderung der niedersächsischen Verfassung (Schuldenbremse)

Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen:

Gesetz zur Änderung der niedersächsischen Verfassung

Artikel 1

Die Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2011 (Nds. GVBl. S. 210), wird wie folgt geändert:

1.       Artikel 58 wird wie folgt geändert:

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt geändert: Die Worte „und im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit“ werden gestrichen.

2.       Artikel 71 erhält folgende Fassung:

„Artikel 71

Kreditaufnahme, Gewährleistungen

1Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Gesetz. 2Grundlage sind die Regeln zum Finanzwesen des Grundgesetzes. 3Ausnahmen sind insbesondere zur Abwehr einer nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zur Abwehr einer akuten Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen in der Landeshaushaltsordnung festzulegen.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 01.01.2020 in Kraft.

Begründung

Es ist nicht sinnvoll, ausgewählte Artikel des Grundgesetzes zum Finanzwesen im Detail in die Verfassung des Landes Niedersachsen zu übernehmen. Nach der Änderung von Art. 109 Abs. 3 GG kommt beispielsweise dem Art. 106 Abs. 3 GG eine wachsende Bedeutung zu, weil die Finanzierung des Haushalts nur noch ausnahmsweise über Kredite möglich ist. Im Regelfall muss über Art. 106 Abs. 3 sichergestellt werden, dass die Deckung der notwendigen Ausgaben von Bund, Ländern und Kommunen sichergestellt werden kann.

Nach Art. 106 Abs. 3 GG werden die Anteile von Bund und Ländern am Umsatzsteueraufkommen durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, festgesetzt. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder dabei gleichmäßigen Anspruch auf die Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Entwickeln sich die Deckungsverhältnisse von Bund und Ländern auseinander, sind nach Art. 106 Abs. 4 GG die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer anzupassen. Gemäß erster Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes erhält der Bund im Jahr 2018 einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen von 50,2 % zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die Länder erhalten 2018 einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen von 46,6 %, die Gemeinden von 3,2 %. Die Mittelabführungen an die EU, teilweise in Form von MWSt-Eigenmitteln, erfolgen aus dem Gesamtsteueraufkommen des Bundes. Sollte die finanzielle Ausstattung des Landes nicht ausreichen, um zentrale Landesaufgabe wie zum Beispiel die Bildung angemessen und auskömmlich zu gewährleisten, muss das Land gegebenenfalls den Bund auf einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer verklagen, damit Art. 106 Abs. 3 GG tatsächlich mit Leben gefüllt wird.

In der politischen Praxis haben die Deckungsquoten laut Landesregierung (Drs. 18/1740) bei der Festsetzung der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern an Bedeutung verloren. Die Vereinbarung von Vorab- und Festbeträgen zur Aussteuerung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung hat die Deckungsquotenmethode in den vergangenen Jahren ersetzt. Vor diesem Hintergrund sollte das Land den Status Quo anhand der Entwicklung unterschiedlicher Kosten grundlegend prüfen und gegebenenfalls wissenschaftlichen Sachverstand einholen, um für die Zukunft sicherzustellen, dass die Umsatzsteuerquoten entsprechend den grundgesetzlichen Regeln festgelegt werden.

Vor diesem Hintergrund kann auch auf den Halbsatz in Art. 58 NV verzichtet werden. Die bisherige Regelung in Art. 58 der Niedersächsischen Verfassung könnte so interpretiert werden, dass eine Reduzierung oder Begrenzung der Staatsausgaben des Landes einseitig zu Lasten der Unterstützung der Kommunen vollzogen werden könnte. Die Streichung des so genannten Leistungsfähigkeitsvorbehalts soll die Gleichwertigkeit der Finanzierung der Kommunen und der Landesaufgaben sicherstellen.

Die Niedersächsische Verfassung sollte daher insgesamt auf die Regeln zum Finanzwesen im Grundgesetz verweisen. Die Ausnahmen zu Art. 109 Abs. 3 GG sollten nicht isoliert in der Verfassung geregelt werden, sondern in der Landeshaushaltsordnung. Eine Überregulierung entspricht einerseits nicht dem Wesen einer Verfassung, zudem werden mit Drs 18/3258 eine Reihe neuer unbestimmter Rechtsbegriffe aufgenommen, die noch nicht Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen waren. Es ist daher zielführend die Regelung der Ausnahmen von Art. 109 Abs. 3 GG in der Landeshaushaltsordnung vorzunehmen. Die hier insbesondere genannten Ausnahmen entsprechen denen des Grundgesetzes sowie den bisherigen Ausnahmen in Art. 71 S. 3 NV.

Die Schuldenbremse des Grundgesetzes wirkt erst ab dem Jahr 2020. Bislang gilt in Niedersachsen die bisherige Schuldenbegrenzungsregel des Art. 71 NV. Das In-Kraft-Treten dieses Gesetzes zum 01.01.2020 stellt sicher, dass die bisherige Schuldenbegrenzungsregel nahtlos durch die neue, am Grundgesetz orientierte Regelung, abgelöst wird. Ein Spielraum für über beide Regelungen hinausgehende Verschuldung, wie im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehen, bestünde dann nicht.

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