Gesetz zur nachhaltigen Sicherung von Wohlstand, Eigentum und Ressourcen

 

Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen:

Gesetz zur nachhaltigen Sicherung von Wohlstand, Eigentum und Ressourcen

Artikel 1

Artikel 71 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung vom 19. Mai 1993 (Nds. GVBl. S. 107), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Dezember 2020 (Nds. GVBl. S. 464), erhält folgende Fassung:

„(4) 1Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Gesetz. 2Grundlage sind die Regeln zum Finanzwesen des Grundgesetzes. 3Ausnahmen sind insbesondere zur Abwehr einer nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zur Sicherung des Landesvermögens oder zur Abwehr einer Naturkatastrophe, einer außergewöhnlichen Notsituation oder einer akuten Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen in der Landeshaushaltsordnung festzulegen. 4Dem Landtag ist jährlich eine Vermögensaufstellung der öffentlichen Güter und ein Bericht zur Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen vorzulegen.“

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Begründung

Der Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 zur Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz des Bundes enthält Festlegungen, die auch die Finanzpolitik vor grundlegend neue Herausforderungen stellen. Der Senat hat entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12.12.2019 über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. „Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten verletzt“, heißt es im Beschluss. „Die aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen. Artikel 20 a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität“, heißt es im Urteil. Dabei ist eine Abwägung mit anderen Schutzgütern vorzunehmen. Fortschreitende Veränderungen können diese Abwägung einengen.

Bemerkenswert ist in der Begründung auch die Aussage des BVG (Pressemitteilung 31/2021, vom 29.04.2021): „Da infolge des Klimawandels Eigentum, zum Beispiel landwirtschaftlich genutzte Flächen und Immobilien, etwa aufgrund steigenden Meeresspiegels oder wegen Dürren Schaden nehmen können, schließt auch das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG eine Schutzpflicht des Staates hinsichtlich der Eigentumsgefahren des Klimawandels ein.“

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verdeutlicht Schwächen der Regelung in Artikel 71 Abs. 4 Niedersächsische Verfassung (NV), der Bezug auf Artikel 109 Abs. 3 GG nimmt. Die Regelung nimmt bislang lediglich Bezug auf eine einfache Einnahmen-Ausgaben Regelung. Die weitergehende Beschlusslage des Bundesverfassungsgerichts, die auf die Freiheitsrechte künftiger Generationen und auf die Schutzpflicht des Staates für materielle und immaterielle Güter abhebt, wird aber nicht ausreichend abgebildet.

Mit der Sicherung der Freiheitsrechte künftiger Generationen sind zum einen irreversible Veränderungen gemeint, die die natürlichen Lebensgrundlagen negativ beeinflussen, die Verschiebung von haushaltswirksamen Entscheidungen auf künftige Generationen zur Folge haben können oder das Unterlassen von Maßnahmen, die öffentliche und private Güter sichern können.

Notwendig erscheint daher insbesondere eine Berichtspflicht zur Entwicklung der materiellen und immateriellen öffentlichen Güter, zur Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen und zu mittelbaren Auswirkungen auf Dritte. Damit würde auch ein Aspekt des neuen Artikel 6 c NV „In Verantwortung auch für die künftigen Generationen schützt das Land das Klima und mindert die Folgen des Klimawandels“, in der Umsetzung konkretisiert.

Eine solche Aufstellung muss von der Landesregierung jährlich mit dem Haushaltsplanentwurf und der mittelfristigen Finanzplanung vorgelegt werden. Die Landeshaushaltsordnung hat festzulegen, wie die Bilanzierung öffentlicher Güter erfolgt und wie gegebenenfalls unterlassene Unterhaltung von Immobilien, Küstenschutzanlagen und anderer öffentlicher Infrastruktur zu bewerten ist. Der jährliche Bericht muss auch einen Teilbericht zur Entwicklung fruchtbarer Böden, Wasserhaushalt, Klima, Biodiversität und Luftqualität umfassen.

Bislang wird Vermögensverzehr (beispielsweise durch Verkauf von Landesvermögen) im Haushaltsplan und in der mittelfristigen Planung ebenso wenig transparent, wie unterlassene Unterhaltung von Infrastruktur. In der Folge konnte bislang bei der Einnahmen-Ausgaben Rechnung eine schwarze Null stehen, während die implizite Verschuldung wegen unterlassener (Ersatz)- Investitionen trotzdem steigt. Auch Minderungen der Ertragskraft von Böden, verminderte Trinkwasserressourcen, klimatische Langzeitfolgen für Küstenschutz und Infrastruktur, verminderte Resilienz durch Artenverluste und gesundheitliche Folgen der Luftqualität können die implizite Verschuldung des Landes erhöhen, wenn keine Bilanzierung erfolgt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt die Finanzplanung jetzt vor neue Herausforderungen. Auch längerfristige Folgen staatlichen Handelns bzw. staatlichen Unterlassens für die natürlichen Lebensgrundlagen müssen eingeschätzt werden. Entsprechend sind auch Kriterien für nachhaltig wirksame aktivierbare rentierliche Investitionen vorzusehen, die das Landesvermögen sichern oder künftige Vermögensverluste abwenden.

Nach der Änderung von Artikel 109 Abs. 3 GG kommt dem Artikel 106 Abs. 3 GG eine wachsende Bedeutung zu. Im Regelfall muss über Artikel 106 Abs. 3 GG sichergestellt werden, dass die Deckung der notwendigen Ausgaben von Bund, Ländern und Kommunen sichergestellt werden kann.

Nach Artikel 106 Abs. 3 GG werden die Anteile von Bund und Ländern am Umsatzsteueraufkommen durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, festgesetzt. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder dabei gleichmäßigen Anspruch auf die Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Entwickeln sich die Deckungsverhältnisse von Bund und Ländern auseinander, sind nach Artikel 106 Abs. 4 GG die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer anzupassen. Gemäß erster Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes erhält der Bund im Jahr 2018 einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen von 50,2 % zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die Länder erhalten 2018 einen Anteil am Umsatzsteueraufkommen von 46,6 %, die Gemeinden von 3,2 %. Die Mittelabführungen an die EU, teilweise in Form von Mehrwertsteuer-Eigenmitteln, erfolgen aus dem Gesamtsteueraufkommen des Bundes. Sollte die finanzielle Ausstattung des Landes nicht ausreichen, um zentrale Landesaufgaben wie z. B. die Bildung angemessen und auskömmlich zu gewährleisten, muss das Land gegebenenfalls den Bund auf einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer verklagen, damit Artikel 106 Abs. 3 GG tatsächlich mit Leben gefüllt wird.

In der politischen Praxis haben die Deckungsquoten laut Landesregierung (Drs. 18/1740) bei der Festsetzung der Umsatzsteueranteile von Bund und Ländern an Bedeutung verloren. Die Vereinbarung von Vorab- und Festbeträgen zur Aussteuerung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung hat die Deckungsquotenmethode in den vergangenen Jahren ersetzt. Vor diesem Hintergrund sollte das Land den Status Quo anhand der Entwicklung unterschiedlicher Kosten grundlegend prüfen und gegebenenfalls wissenschaftlichen Sachverstand einholen, um für die Zukunft sicherzustellen, dass die Umsatzsteuerquoten entsprechend den grundgesetzlichen Regeln festgelegt werden.

Die Niedersächsische Verfassung sollte daher insgesamt auf die Regeln zum Finanzwesen im Grundgesetz verweisen. Die Ausnahmen zu Artikel 109 Abs. 3 GG sollten nicht isoliert in der Verfassung geregelt werden, sondern in der Landeshaushaltsordnung.

Hinweis gemäß Artikel 68 NV: Die vorgeschlagene Änderung der Niedersächsischen Verfassung soll Wohlstand, Eigentum und Ressourcen des Landes nachhaltig sichern.

 

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