Eva Viehoff: Rede zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie (Gesetzentwurf der Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

das vorliegende Gesetz musste an vielen Stellen angepasst und geändert werden, auch unabhängig von den kleinen vollzogenen Änderungen durch CDU und SPD.

Mein Dank geht daher heute an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Dort musste sicher sehr viel Arbeit aufgebracht werden, um die handwerklichen Fehler des Ministeriums beim Verfassen des Gesetzes zu beseitigen.

Doch auch das ist sicher dem Eiltempo geschuldet mit dem dieses Gesetz durchgezogen wird. Das allerdings verbessert eben nicht die Situation an den Hochschulen.

Dieses von SPD und CDU vorgelegte Gesetz zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie als Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) eignet sich nicht dazu, die Situation der Universitäten und Hochschulen in Niedersachsen nachdrücklich zu verbessern.

Mit seiner Einseitigkeit auf mehr Autonomie der Präsidien gefährdet es vor allem die innere Demokratie der Hochschulen.

Keine der Anregungen aus den weiteren Statusgruppen – dem wissenschaftlichen Mittelbau, den Gleichstellungsbeauftragten und den Studierenden wurde nach Anhörung in den Beratungen Rechnung getragen, geschweige denn übernommen.

Wer die Autonomie der Hochschulen stärken will muss die Beteiligung aller Statusgruppen sicherstellen und das heißt aktuell ihre Mitwirkung muss gestärkt und nicht wie durch die jetzigen Regelungen vorgesehen, geschwächt werden.

Klar ist: dieses Gesetz stärkt die Autonomie einer einzelnen Statusgruppe - der Präsidien - auf Kosten aller anderen, nämlich der Studierenden, der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und dem nichtwissenschaftlichen Personal. Fairness und Verantwortung gehen anders.

Für die Studierenden, die seit 4 Semestern kaum eine Hochschule von innen gesehen haben hat das Gesetz wenig übrig. So werden die Mitwirkungsmöglichkeiten zur Vergabe der Studienqualitätsmittel eingeschränkt und Studieninteressierte für bestimmte Studienfächer nun verpflichtet, an Studienorientierungskursen teilzunehmen.

Um es klar zu sagen: gegen ein Angebot von solchen Kursen ist ja gar nichts einzuwenden, sie verpflichtend zu machen, baut eine neue Hürde auf sich für ein Studium zu entscheiden. Darüber hinaus verpasst das Gesetz die Chance, wirkliche Perspektiven für eine dauerhafte Beschäftigung jenseits der Professur zu eröffnen, um Fachkräftesicherung zu betreiben.

In meiner Zeit am Alfred-Wegener-Institut haben mir alle Kolleg*innen, ob Emmy-Nöther oder HGF-Nachwuchsgruppe immer wieder zurück gespiegelt wie wichtig eine gute Basis ist und wie wichtig es ist, dass Daueraufgaben Dauerstellen benötigen – denn nur so kann man exzellent und erfolgreich sein; denn „Exzellenz braucht Basis“.

#IchbinHanna scheint im MWK noch nicht angekommen zu sein.

Und auch bei den Juniorprofessuren ist man mutlos geblieben und bleibt bei vier Jahren zwischen Promotion und Berufung und wendet nicht die Berliner Regelung vollumfänglich an, inklusive der Familienkomponente - wie es jetzt auch die FDP vorschlägt. In Niedersachsen sollten Interessierte daher darauf achten, bitte nicht mehr als zwei Kinder zu bekommen, denn dann ist es vorbei mit der wissenschaftlichen Karriere als Juniorprofessor*innen. Damit missachtet das Gesetz differenzierte Karriere- und fachspezifische Berufsverläufe.

Das ignoriert das Gesetz dann vollends mit der Genieklausel, die vom GBD selbst als verfassungsrechtlich kritisch betrachtet wird. Diese Klausel schränkt die Transparenz von Berufungsverfahren ein und ist gerade auch aus gleichstellungspolitischer Sicht abzulehnen, weil sie dem Ziel zu mehr Geschlechtergerechtigkeit widerspricht (§ 3 Absatz 3) Die Klausel sieht vor herausragende Wissenschaftler*innen ohne Ausschreibung (§26, Absatz 6) berufen zu können. Herausragend wäre z.B. ein Leibnizpreis, der jedoch einen Frauenanteil von ca. 10% hat, auch bei anderen hochrangigen Auszeichnungen sieht es nicht besser aus.

Und auch die vorgesehenen Exzellenz- und Experimentierklauseln bieten trotz hoher Hürden die Gefahr der Möglichkeit der Aushebelung der bestehenden Selbstverwaltungsstrukturen an den Hochschulen.

Die vorgesehenen Veränderungen sind zudem, an den Hochschulen, unter dem rigiden Sparkurs der Landesregierung umzusetzen. Gerade die schlechte finanzielle Ausstattung der Hochschulen werden der „Autonomie“ enge Grenzen setzen.

So bleibt das Gesetz im Ansatz stecken, bietet keine Perspektiven für den wiss. Mittelbau, widerspricht der Erreichung von Bildungsgerechtigkeit durch zusätzliche Studiengebühren für internationale kooperierende Studiengängen und baut durch die verpflichtenden Studienorientierungskursen neue Hürden für Studieninteressierte auf.  Und selbst bei der Frage der Nachwuchsentwicklung im Bereich der Professur bleibt das Gesetz hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Dieses Gesetz hat den konservativen Hauch eines zurück „zu den Talaren mit dem Muff von 1000 Jahren“ und wird von uns abgelehnt.

Vielen Dank.

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