Dringliche Anfrage: Welche Position hat Niedersachsen zur Investitionsbremse in Klimaschutz und Bildung und Gründung einer Landeswohnungsbau -und Landeshochschulgesellschaft?

2009 wurde mit den Stimmen von CDU und SPD im Deutschen Bundestag (und gegen die Stimmen von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) in Art. 109 des Grundgesetzes ein Verbot der Netto-Neuverschuldung auch für Investitionen aufgenommen. 2019 beschloss die SPD-geführte Landesregierung in Niedersachsen einen Gesetzentwurf zur Aufnahme des Verbots der Netto-Kreditaufnahme auch in die niedersächsische Verfassung. Laut Pressemitteilung der Staatskanzlei von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vom 19.3.2019 ist dies „ein ausdrückliches Bekenntnis zur Schuldenbremse“. Abweichungen von dem Verbot der Netto-Kreditaufnahme sind nach der von SPD und CDU gegen die Stimmen der Landtagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen am 23.10.2019 im Landtag beschlossenen Regelung auch im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhnlicher konjunktureller Lage nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich, sobald die Kreditsumme mehr als 0,5 Prozent des letzten Haushaltsvolumens beträgt. Damit ist die Hürde zur Aufnahme von Krediten in Notsituationen in der Niedersächsischen Verfassung höher als im Grundgesetz, wo eine einfache Mehrheit ausreicht. Die frühere rot-grüne Koalition mit Finanzminister Peter-Jürgen Schneider hatte auf eine Regelung in der Landesverfassung verzichtet und für Beschlüsse über Ausnahmen lediglich eine einfache Mehrheit vorgesehen.

Laut Finanzminister Hilbers ist die sogenannte Schuldenbremse In Niedersachsen von der großen Koalition in der Verfassung verankert worden.

Am 3.November 2020 distanzierte sich die Fraktionsvorsitzende der SPD Johanne Modder jedoch von der selbst beschlossenen Investitionsbremse. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir nach der Pandemie, die gewiss nicht in einigen Monaten vorbei ist, die Wirtschaft wieder hochfahren. Da ist die Schuldenbremse eher hinderlich.“ (HAZ vom 3.11.2020 unter der Überschrift „SPD in Niedersachsen will wieder mehr Schulden machen können“).

Die Pressestelle des der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsident Weil unterworfenen Finanzministeriums gab hingegen am 3.11.2020 folgende Mitteilung heraus: „Angesichts verschiedener Überlegungen, ob und inwieweit Ausnahmen von der Schuldenbremse möglich oder notwendig seien, erklärte der Niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers, dass er solche Überlegungen grundsätzlich ablehne. (…) Aufgabe der Politik sei es, richtig zu gewichten und nicht finanzierbare Aufgaben zu verschieben oder ganz aufzugeben. Alles müsse dabei auf den Prüfstand.“

Am 6.11.2020 meldete die Hannoversche Allgemeine Zeitung unter der Überschrift „Auch Ministerpräsident Stephan Weil ist gegen die Schuldenbremse“:

„Nach der SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Johanne Modder hat sich jetzt auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für eine Abschaffung der Schuldenbremse ausgesprochen. „Ich stand noch nie in der Fankurve der Schuldenbremse“, sagte der Ministerpräsident der Tageszeitung „Welt“ „Gerade unter dem Druck der Pandemie und ihrer Konsequenzen werden in den nächsten Jahren große Aufgaben auf den Staat zukommen. Die Handlungsfähigkeit des Staates aber ist durch die Schuldenbremse deutlich eingeschränkt“.

In diesem Zusammenhang wird aktuell auch über eine neue Landeswohnungsbaugesellschaft und eine eigene Landeshochschulgesellschaft diskutiert. Umweltminister Olaf Lies (SPD) erklärte am 29.4.2021 im Landtag für die Landesregierung, dass die Landesregierung eine solche Wohnungsbaugesellschaft gründen wolle. „Wir prüfen nicht, ob sie notwendig ist, sondern wir prüfen, wie man so etwas umsetzen kann. (…) Wenn der Staat beim Thema Wohnen nicht in die Verantwortung geht, dann wird die Privatwirtschaft allein das Problem im Sinne der Mieterinnen und Mieter nicht lösen“

Der Gesamtinvestitionsbedarf für die sachgerechte bauliche Erneuerung beider Hochschulkliniken wird sich einschließlich der Bereiche „Forschung und Lehre“ laut Landesrechnungshof (Jahresbericht 2021, Seite 132) vermutlich auf über 6 Mrd. € summieren. Bei den Hochschulen des Landes gibt es nach Angaben des DGB Niedersachsen und der Landeshochschulkonferenz Niedersachsen (LHK) einen Investitionsstau von 4,34 Mrd. Euro. „Und was macht die Landesregierung in dieser Situation? Sie dreht den Geldhahn weiter zu! Die Hochschulen müssen seit 2020 eine globale Minderausgabe von 24 Mio. Euro jährlich leisten.“ (DGB-Schlaglicht 4/2021)

Mit dem Gute-KiTa-Gesetz unterstützt der Bund die Länder bis 2022; die Folgefinanzierung ist offen. In der Neuen Presse vom 5.6.2021 erklärte Finanzminister Hilbers, dass er in Qualitätsverbesserungen in Kitas wie eine Dritte Kraft nicht investieren will, sondern lieber die Unternehmenssteuern senken will.

Gleichzeitig sprach er sich gegen den von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet vorgeschlagenen Deutschlandfonds für mehr Investitionen aus. Die Frage in der Neuen Presse lautete: „Im Prinzip ist die Forderung von Armin Laschet aber schon sehr ähnlich zum Niedersachsenfonds, den die Grünen und der DGB vorschlagen und den Sie auf Landesebene ablehnen, oder?“

Weiterer erheblicher Finanzbedarf ist in den kommenden Jahren beim Klimaschutz, der Digitalisierung, Wohnen, Bildung, Mobilität, Naturschutz, Wirtschaft und durch Corona Folgen bei den Kommunen zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Soll nach Auffassung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), das von SPD und CDU im Landtag 2019 gegen die Stimmen der Grünen Fraktion beschlossene Verbot der Nettokreditaufnahme in Art. 71 für Investitionen in Bildung, Wohnen, Bauunterhaltung oder Klimaschutz geändert werden?
  2. Wie steht die Landesregierung zum Modell des Niedersachsen-Fonds des DGB um damit den finanziellen Handlungsbedarf bei kommunalen Corona Folgen, Bauunterhaltung, Klimaschutz, Neubauten der Maximalversorger, Bildung und Digitalisierung zu finanzieren?
  3. Wie und mit welchem Startkapital wird Minister Lies eine neue Landeswohnungsbaugesellschaft noch in dieser Legislaturperiode gründen?
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