Dringliche Anfrage: Was versteht die Landesregierung unter sozialverträglichen Studiengebühren und wer kommt dafür auf?

...

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 04.10.05

Fast genau ein Jahr vor der angekündigten Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Niedersachsen zum Wintersemester 2006/07 hat die Landesregierung noch immer kein belastbares Modell veröffentlicht, aus dem für die Betroffenen ersichtlich wäre, mit welchen Belastungen sie zu rechnen haben und zu welchen Konditionen sie sich verschulden müssen.
In der Ausgabe des Focus vom 12. September 2005 werden von Niedersachsens Wissenschaftsminister Stratmann Details zur der Einführung von Studiengebühren und zu den Konditionen von Bildungskrediten verraten, wie es dort heißt. Im Wesentlichen wird darin BAföG-Empfängern eine Maximalschuld von 15000 Euro in Aussicht gestellt. Das konnten sich BAföG-Empfänger aber auch schon vorher ausrechnen, denn das BAföG in seiner jetzigen Ausgestaltung begrenzt die zinslose Schuldenlast auf maximal 10000 Euro. Rechnet man wie der Wissenschaftsminister zehn Semester à 500 Euro Studiengebühren hinzu, ist die Summe 15000 erreicht. Nichts hingegen erfährt der Leser über den Schuldendienst, durch den die Summe erheblich ansteigen könnte.
Nimmt man die bisherigen Ankündigungen des Wissenschaftsministers zusammen, so scheinen sie sich weitgehend am Baden-Württemberger Studiengebührenmodell zu orientieren. Auch hier sollen BAföG-Empfänger maximal 15000 Euro zahlen. Dort ist außerdem die Einrichtung eines gemeinsamen Fonds der Hochschulen geplant, in den Studiengebühren fließen. Der Fonds sichert das Ausfallrisiko für Darlehen und hält dadurch das Zinsniveau relativ niedrig. Aus dem Fonds werden die Schuldenbegrenzung sowie Gebührenbefreiungen aus den unterschiedlichsten Gründen finanziert und Hochbegabte gefördert. Außerdem muss der Fonds nach einem halben Jahr Zahlungssäumnis die Kredite der Banken übernehmen und ist danach für die Eintreibung oder Abschreibung ausstehender Schulden selbst verantwortlich.
Die sozialen Komponenten der Studiengebühren werden dort demnach ausschließlich von den Studierenden und ihren Gebühren selbst finanziert, die Hochschulen haben darüber hinaus mit einem hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand zu rechnen. Das führt dazu, dass die Studiengebühren, die auch in Baden-Württemberg eigentlich in voller Höhe für die Verbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung stehen sollten, in erheblicher Höhe anderen Zwecken zugeführt werden.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wann veröffentlicht die Landesregierung ihr Studiengebührenmodell mit allen Konditionen und fühlt sie sich an die Vertrauensschutzfrist von einem Jahr gebunden, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat?
2. Die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben ihre Absichten zur Ausgestaltung von Studiengebühren bereits veröffentlicht und befinden sich in der Umsetzungsphase. Plant die Landesregierung die Übernahme dortiger Regelungen und wenn ja, welche?
3. Sollte die Landesregierung ebenfalls die Einrichtung eines Fonds wie in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen planen: Wir hoch ist der Anteil der Studiengebühren, der in die soziale Flankierung und die Absicherung des Studiengebührenkreditwesens fließen wird und damit nicht für die Verbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung steht?

Fraktionsvorsitzender

Zurück zum Pressearchiv