Dringliche Anfrage: Minister Sander gefährdet Weltnaturerbe und Deichsicherheit der Küste

 

Dringliche Anfrage

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                          Hannover, den 11.09.06

Minister Sander gefährdet Weltnaturerbe und Deichsicherheit der Küste

Mit den vom Landeskabinett beschlossenen Änderungen der "Zehn Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz" wird vom bisherigen Grundsatz abgewichen, Deiche landseitig zu verstärken und den dafür erforderlichen Klei nicht aus den besonders geschützten Salzwiesen abzubauen.

Nunmehr soll der Eingriff in die einzigartigen und ökologischen sensiblen Salzwiesen des Wattenmeeres durch Kleiabbau und seeseitige Deichverstärkung der Regelfall werden. 

Die neuen Küstenschutz-Grundsätze widersprechen damit dem Beschluss des Landtags vom 17.Mai diesen Jahres. Darin heißt es unter anderem: "Ein Beitrag zum effektiven Küstenschutz kann im Einzelfall die Kleientnahme im Deichvorland sein". Auch die seeseitige Verbreiterung ist demnach lediglich im Einzelfall möglich.

Mit der massiven Veränderung der Küstenschutz-Grundsätze kündigt die Landesregierung einen bisherigen Kompromiss auf, der seit 1995 zu einer Befriedung des bis dahin existierenden massiven Konflikts zwischen Natur- und Küstenschutz geführt hat. Zuvor war es vor allem am Cäciliengroden zu massiven Protesten mit Mahnwachen und Fackelzügen gekommen.

Der Deichbau an der niedersächsischen Küste wird u. a. aus EU-Mitteln finanziert. Diese Mittel werden in der Regel nur ausgezahlt, wenn damit nicht in EU-Vogelschutz- oder FFH-Gebiete eingegriffen wird. Neben Eingriffen in das FFH-Gebiet durch Kleiabbau und Deichverbreiterung sieht die Landesregierung eine Beweidung der Salzwiesen vor und begründet dieses mit einer Verminderung des Anfalls von Treibsel. Nach einem 1996 von der Landesregierung vorgelegten Bericht "Treibselproblematik an den Hauptdeichen der niedersächsischen Nordseeküste und der von der Tide beeinflussten Flussläufe" kann eine extensive Beweidung den Treibselanfall jedoch nicht wesentlich verringern.

Neben ihrem besonderen Wert für den Naturschutz haben die Salzwiesen die Funktion, bei Sturmfluten die Kraft des auflaufenden Wassers zu brechen. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderungen geht in seinem im Mai vorgelegten Sondergutachten zum Klima- und Meeresschutz davon aus, dass der Anstieg des Meeresspiegels wesentlich schneller und deutlich stärker eintreten wird, als bisher angenommen. Außerdem prognostizieren die Gutachter eine Zunahme der Häufigkeit und Intensität der Sturmfluten. Der Naturschutzbund Niedersachsen weist in seiner Pressemitteilung vom 05.09.2006 daher zu Recht darauf hin, dass der Bodenabbau vor dem Deich zu einer massiven Gefährdung der hinter dem Deich lebenden Menschen führen wird.

Wir fragen die Landesregierung:

  • Warum setzt sich die Landesregierung über den Beschluss des Landtages vom 17. Mai 2006 hinweg?
  • In welcher Höhe drohen EU- und Bundesmittel für den Küstenschutz verloren zu gehen, weil gegen geltendes EU-Naturschutzrecht und die am 18.11.2004 beschlossenen Grundsätze der Förderung des Deichbaus im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz verstoßen wird, nach denen keine Maßnahmen förderfähig sind, mit denen ökologisch wertvolle Flächen in Anspruch genommen werden?
  • Warum gefährdet die Landesregierung wegen vergleichsweise geringfügiger kurzfristiger Einsparungen mittelfristig die Deichsicherheit und damit Leib und Leben der Menschen an der Küste?

Fraktionsvorsitzender

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