Dringliche Anfrage: Die Kardinalfrage: Gab es einen erneuten Verstoß gegen das Ministergesetz und Vorteilsannahme durch den früheren Ministerpräsidenten Christian Wulff?

 

"Die Grundsätze der tiefen Achtung vor dem Recht sind in allen Republiken unentbehrlich, sie gelten für alle, und man kann von vornherein sagen, dass da, wo sie fehlen, die Republik bald verschwunden sein wird", Alexis de Tocqueville, zitiert auf der Homepage des ehemaligen Ministerpräsidenten.

Nach dem selbst eingestandenen Rechtsbruch im Zusammenhang mit der Annahme und verspäteten Rückzahlung eines geldwerten Vorteils bei einem Atlantikflug mit Air Berlin vertrat der damalige Niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff die Auffassung, mit dem Einräumen des Fehlers und der Zusicherung, in Zukunft kein weiteres unbezahltes Upgrade in Anspruch nehmen zu wollen, alle notwendigen Konsequenzen gezogen zu haben.

In der NDR-Sendung "Niedersachsen 19:30" antwortet der Ministerpräsident am 21. Januar 2010 auf die Frage, ob er nach seinem Verstoß gegen das Ministergesetz noch als Vorbild wirken könne: "Ich hoffe sehr, dass man gerade durch das Umgehen mit einem Fehler sich Vorbildhaftigkeit erhält. Die braucht die Politik nämlich."

Erst im Dezember 2011 wurde deutlich, dass der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff den Landtag bereits kurz nach dieser Aussage erneut nicht korrekt und unvollständig informiert hat. Auf die Frage, ob es geschäftliche Beziehungen zwischen dem Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem Unternehmer Egon Geerkens oder irgendeiner Firma, an der Herr Geerkens als Gesellschafter beteiligt war gab, antwortete die Staatskanzlei: "Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben."

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass der ehemalige Ministerpräsident von dem Unternehmer Egon Geerkens einen anonymisierten Bundesbankscheck in Höhe von 500 000 Euro in Empfang genommen hat. Offen ist bislang, woher das Geld tatsächlich stammte, aus welchen Geschäften das Geld stammte, welchem Zweck es diente, ob es einen Kredit, eine Schenkung oder ein Dreiecksgeschäft gab, ob es Gegenleistungen gab, ob das Geld in der Schweiz oder in Deutschland versteuert wurde und wer in diesem Zusammenhang als wirtschaftlich Berechtigter zu gelten hat. "Wir sind beide sehr bekannt in Osnabrück. Und ich wollte nicht, dass irgendein Bank-Azubi sieht, dass so viel Geld von mir an Wulff fließt", so Egon Geerkens (Spiegel, 16.12.11). Egon Geerkens begleitete den Ministerpräsidenten als Teil der Wirtschaftsdelegation bei drei Reisen nach China/Japan, Indien und in die USA. Hier firmierte er als "Private Investor". Die Presse berichtet von einem zwischenzeitlich aufgegebenen Juweliergeschäft Geerkens. "Später kamen Häuser hinzu – in Osnabrück und anderswo, allerdings immer als private Vermögensverwaltung, nie gewerblich, betont Geerkens". (Focus, 14.12.11) Die Rede ist darüber hinaus von Projekten in Westerkappeln, Berlin, Marbella, Florida und Thailand. Bei seinem Interview (ARD/ZDF, 4.1.12) sprach der Bundespräsident mit Bezug auf Geerkens von "seinen Firmen, seinen Unternehmungen".

Im Zusammenhang mit der Scheckübergabe wurde zudem bekannt, dass der ehemalige Ministerpräsident und heutige Bundespräsident weitere private Vorteile bis in die heutige Zeit in Anspruch genommen hat: Einen Geldmarktkredit von der BW Bank zu "absolut einzigartigen" Konditionen (Gutachten Monitor, 12.1.2012), kostenlose Ferienaufenthalte in Ferienhäusern von Unternehmern und angeblich anonyme Geldspenden für Buchveröffentlichungen und für Hotelaufenthalte. Spenden, Sponsoringleistungen und Dienstleistungssponsoring  für unterschiedliche Adressaten erfolgten zudem im Zusammenhang mit Aktivitäten des Club 2013 und des "Nord-Süd Dialoges" zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg.

In einem aktuellen Beitrag der 'Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht' kritisiert Prof. von Arnim, dass die Staatsanwaltschaft bislang keine Ermittlungen aufgenommen hat: Die "Begründung für das Unterlassen von Ermittlungen gegen Wulff lässt sich nicht weiter aufrechterhalten. Die Staatsanwaltschaft muss – trotz des Immunitätsschutzes des Bundespräsidenten hinsichtlich der Straftaten – prüfen, ab wann sie für ihr weiteres Vorgehen gegen Wulff die Genehmigung des Bundestages einholen muss, um diese dann auch einzuholen".

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Gab es geschäftliche Beziehungen zwischen Christian Wulff und Herrn Egon Geerkens oder irgendeiner Firma, an der Herr Geerkens als Gesellschafter beteiligt war, oder irgendeinem Unternehmen oder irgendeiner Institution in Deutschland oder im Ausland, die Herr Geerkens als wirtschaftlich Berechtigter vertrat?
  2. Welche "Firmen" und "Unternehmungen" (ARD/ZDF 4.1.12) hat Herr Egon Geerkens oder einer seiner Familienangehörigen als wirtschaftlich Berechtigter in Deutschland und im Ausland vertreten oder als "Private Investor" betreut?
  3. Kann die Landesregierung ausschließen, dass zumindest der Anschein entstehen konnte, dass die dienstliche Stellung des ehemaligen Ministerpräsidenten bzw. des amtierenden Bundespräsidenten im Fall der BW Bank oder im Fall des Herrn Egon Geerkens oder im Fall des Herrn Carsten Maschmeyer oder im Fall des Herrn Wolf-Dieter Baumgartl oder im Fall des Herrn Groenewold zumindest mitursächlich für die Vorteilsgewährung bei Kreditkonditionen, Scheckübergabe, anonymer Spende, kostenloser Ferienhausüberlassung oder das Hotel-Upgrade im Bayrischen Hof waren?

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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