Dringl. Anfrage: Umweltminister Sander verweigert sich europäischem Naturschutzrecht, gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung in Norddeutschland und riskiert den Ruin des Landeshaushalts
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Am 05.10.04 hat die Landesregierung die Nachmeldung von 253 FFH-Gebieten mit einer Gesamtfläche von ca. 53.500 ha beschlossen. Mit einem Anteil von insgesamt unter 7% der Landfläche erreicht das Flächenland Niedersachsen nicht einmal den Bundesdurchschnitt des Anteiles von FFH-Gebieten an der Landfläche von 7,4%. Der EU-Durchschnitt von über 14% wird etwa zur Hälfte erreicht.
Bereits im November letzten Jahres hat die Landesregierung der EU-Kommission 233 Gebiete als Nachmeldevorschläge des Landes Niedersachsen vorgestellt. Der Stand der FFH-Gebietsmeldungen wurde im Rahmen eines Arbeitsgespräches zwischen Bund, Ländern und der EU-Kommission am 21./22.01.2004 in Bonn erörtert. Das Protokoll dieses Gespräches listet den Nachmelde- und Ergänzungsbedarf auch für Niedersachsen für jeden Lebensraumtyp und jede Art im Einzelnen auf. Die von der Landesregierung im November 2003 vorgelegten Nachmeldevorschläge waren dabei bereits berücksichtigt. Die Kommission machte im Januar 2004 deutlich, dass sie davon ausgehe, "das Deutschland mindestens die in Bonn diskutierten Gebiete offiziell vorschlagen wird". Weiter heißt es im Protokoll: "Jede erhebliche Reduzierung der Gebietskulisse würde im anschließenden offiziellen Meldeprozess die Ergebnisse des bilateralen Gespräches in Frage stellen". Unter dieser Maßgabe wurde von der Kommission das laufende, bußgeldbewehrte Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ausgesetzt.
Anknüpfend an das Bonner Arbeitsgespräch fand am 25.03.2004 ein Termin der EU-Kommission mit den Küstenländern Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein statt (Protokolldatum: 04.08.2004). Im Protokoll dieses Gespräches wird nochmals eindeutig die Erwartung der EU-Kommission formuliert, dass die Ästuare von Ems, Weser und Elbe als FFH-Gebiete gemeldet werden müssen. Dem Beschluss des Landeskabinetts zur FFH-Nachmeldung ist ein Beteiligungsverfahren vorausgegangen. In dieses Verfahren waren 252 Gebiete eingebracht worden. Wie die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens umgesetzt worden sind, bleibt allerdings für die Fachöffentlichkeit, Umweltverbände und BürgerInnen und Bürger undurchsichtig. Im Ergebnis wurde die Flächenkulisse des Entwurfs um 1.600 ha reduziert und u.a. 7 Gebiete vollständig gestrichen und Gebietsgrenzen wurden teilweise willkürlich festgelegt.
Umweltminister Sander provoziert durch diese Missachtung europäischen Naturschutzrechts ein empfindliches Zwangsgeld der Europäischen Kommission für die Bundesrepublik Deutschland, indem er erneut einen fachlich angreifbaren Vorschlag abgibt.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Aufgrund welcher bisher nicht bekannten Vereinbarungen oder Absprachen mit der EU-Kommission geht die Landesregierung davon aus, entgegen aller bisher bekannten Aussagen der Kommission die Ästuare von Ems und Weser nicht als FFH-Gebiete melden zu müssen?
2. Welche Ziele verfolgt die Landesregierung, wenn sie fachlich unzureichende Gebietsvorschläge abgibt, die erkennbar von der EU-Kommission nicht akzeptiert werden?
3. Wie wird die Landesregierung reagieren, wenn sie von der Bundesregierung zur anteiligen Übernahme eines Zwangsgeldes wegen der Nicht-Umsetzung der FFH-Richtlinie verpflichtet wird?
Fraktionsvorsitzender