Detlev Schulz-Hendel: Rede zu Autoländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen gehen voran (Aktuelle Stunde SPD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

der Umbau der Autoindustrie und die Förderung alternativer Antriebe sind hier in diesem Haus keine neuen Themen. Das Problem: Die Forderungen aus den vergangenen Jahren sind noch immer aktuell.

Hier eine kleine Auswahl:

„Die Zukunft der Automobilität hängt von der Entwicklung alternativer Antriebstechnologien ohne klimaschädliche Emissionen ab.“

[Auszug aus einem EA der Grünen im Jahr 2009]

„Eine zentrale Herausforderung im 21. Jahrhundert wird die Umsetzung nachhaltiger Mobilitätskonzepte sein. Hierbei spielen neue Antriebstechnologien und Antriebskonzepte eine zentrale Rolle.“

[Auszug aus einem EA im Jahr von SPD und Grünen 2010]

„Der Autohersteller VW AG will demnächst ein günstiges Elektroauto anbieten.“

[Auszug aus einem EA im Jahr von SPD und Grünen 2010]

„Die Entwicklung von innovativen Antriebstechnologien bietet für den Standort Niedersachsen […] zahlreiche Chancen und Potenziale […] für die Sicherstellung der künftigen Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Fahrzeugindustrie […].“

[Auszug aus einem EA von CDU, SPD, FDP, Grüne - aus 2012]

Diese Zitate könnten auch im druckfrischen Positionspapier der drei Ministerpräsidenten aus Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen stehen. In Berlin vor der Bundespressekonferenz haben die drei vor ein paar Tagen öffentlich versprochen, sich künftig zusammen für alternative Antriebe und für neue Mobilitätskonzepte in Deutschland einzusetzen.

Was ist eigentlich zwischen den damaligen ja durchaus richtigen Bekundungen hier im Landtag und dem gemeinsamen Papier der drei Ministerpräsidenten von heute passiert?

Was die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Antriebe angeht zu wenig, zu zögerlich und zu spät! Und neue Mobilitätskonzepte? Weitgehend Fehlanzeige.

Stattdessen haben wir ein beispielloses Täuschungs- und Vertuschungsmanöver von Wirtschaft und Bundesregierung erlebt.

Der Diesel-Betrug und der Umgang damit stehen für einen beispiellosen Vertrauensbruch gegenüber den Autofahrerinnen und Autofahrern, aber genauso für Innovationsignoranz und für Stillstand. Und das eindeutig zu Lasten der Gesundheit und zu Lasten des Klimas.

Das Ergebnis ist bitter: Im Jahr 2020 sollten eigentlich eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Das war die Vorgabe der Bundesregierung vor neun Jahren. Tatsächlich fahren aber heute nur rund 150.000 E-Autos auf unseren Straßen. Deutschland liegt mit seiner E-Auto-Quote weit abgeschlagen hinter anderen EU-Ländern (wie Norwegen mit einem Marktanteil von 39 Prozent oder auch Schweden und die Niederlande.)

Anrede,

„Zu viel Zeit wurde […] schon verspielt und zu viele Ziele wurden verfehlt. Abwarten ist keine Option mehr!“, sagen Marcus Söder, Winfried Kretschmann und Stephan Weil zu Recht.

Das sehen wir genauso! Den Finger nach Berlin zeigen, reicht aber nicht! Auch diese Landesregierung darf sich gerne mal an die eigene Nase fassen, wenn es um das Verfehlen von Zielen angeht.

Ein Blick in den Haushalt 2019 genügt: Da haben SPD und CDU die Mittel für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Niedersachsen gestrichen! Kaum zu glauben und doch wahr, meine Damen und Herren der GroKo.

Wer hier Geld streicht, ist kein Partner der Automobilindustrie, sondern legt ihr Felsbrocken in den Weg.

Volkswagen-Chef Diess fordert inzwischen, dass sich die öffentliche Hand mehr für die Ladeinfrastruktur engagiert. SPD und CDU als Vertreter des Großaktionärs Niedersachsen müssten jetzt eigentlich rote Ohren bekommen.

Zweites Beispiel für Schein und Sein bei der GroKo: Eine zeitgemäße Mobilitätpolitik denkt über das Auto hinaus an alle Formen der Mobilität. Und erkennt im Fahrrad nicht das Problem, sondern einen Teil der Lösung. Bei Verkehrsminister Bernd Althusmann habe ich Zweifel: Wir Grünen haben sein Haus gefragt, ob die Landesregierung wie andere Länder auch das Dienstrad-Leasing für Landebedienstete fördere und damit das Dienstrad dem Dienstauto gleichstellt.

Die Antwort: Keine Unterstützung für das Dienstfahrradleasing. Politik auf der Höhe der Zeit zu machen, geht anders.

Wenn diese Landesregierung die Mobilitätswende ernsthaft angehen will, dann muss sie ganz schnell eine Wende vollziehen. Ansonsten ist das Konzept der drei Länderchefs nicht viel wert.

Anrede,

wir unterstützen das Papier der drei Länder. Keine Frage! Einzelne Punkte, wie der Ruf nach synthetischen Treibstoffen, sind für uns allerdings rückwärtsgewandt.

Wenn die selbsternannten „Auto-Länder“ aber wirklich etwas bewirken wollen, müssen sie über ihr Papier weit hinausdenken:

Denn wir müssen an den großen Stellschrauben drehen:

Wir brauchen konkrete Ziele für den Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie – 2030 muss Schluss mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren sein.

Wir brauchen die CO2-Bepreisung. Natürlich in Kombination mit einem "Bürger-Energiegeld", das sozialen Ausgleich schafft. Nur eine Abgabe auf Treibhausgase erzielt Wirkung; das sagen nicht nur wir, das sagen auch viele Ökonomen

Und wir brauchen einen staatlichen Klimafonds. Der Finanzbedarf für den Kampf gegen die Erderwärmung liegt nach unseren Prognosen bei mindestens 100 Milliarden Euro. Wir brauchen massiv Investitionen in klimafreundliche Infrastruktur und Mobilität.

Meine Damen und Herren, die Zeit drängt, lassen Sie uns gemeinsam mit Mut die Zukunft angehen.

Vielen Dank.

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