Christian Meyer: Umsetzung des „Niedersächsischen Weges“ in Naturschutz-, Gewässerschutz- und Waldrecht

- Es gilt das gesprochene Wort -

(Anrede)

Als erstes möchte ich mit mich zweimal bedanken. Zum einen beim „schlauen Herrn Nacke“, dem wir es laut dem Weser-Kurier zu verdanken haben, dass wir heute im Parlament über den Naturschutz inhaltlich diskutieren können und nicht nur über einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen im Ausschuss. Prima, dass wir endlich über die Sache reden und nicht darüber wieviel Zeit die CDU-Parlamentarier zum Lesen hatten. 

Und ich möchte mich bedanken bei den über 200 Verbänden, die das Volksbegehren gemeinsam ausgearbeitet haben und den über 50.000 Niedersächs*innen die es bereits unterschrieben haben. Denn ohne sie hätten CDU und SPD niemals solche Gesetze auf den Weg gebracht. Ich möchte daran erinnern, dass SPD und CDU in ihrem Koalitionsvertrag nichts von mehr Naturschutz wissen wollten. Gewässerrandstreifen sollten maximal einen Meter betragen, verkündete Umweltminister Olaf Lies noch 2017. 

Und große Teile der CDU redeten von Freiwilligkeit und gegen Verbote.

Jetzt haben wir drei Gesetze auf dem Tisch, das Naturschutzgesetz, das Wasser- und das Waldgesetz die endlich einige Verbote zum Schutz der Natur enthalten. Verbote von Totalherbiziden in Naturschutzgebieten, Verboten vom Düngen und Spritzen am Gewässerrand und Verbot der Grünlandumwandlung in Acker.

(Anrede)

Viele wichtige Punkte sind noch offen und man merkt, dass viele Konflikte ausgeklammert und noch Leerstellen sind.
Beispiel Gewässerrandstreifen. Diese betragen - anders als im Volksbegehren - nur drei Meter und können in bestimmten Gebieten auf gerade mal einen Meter abgesenkt werden. Während im Volksbegehren in Abstimmung mit den Verbänden die Ausnahmen klar definiert sind und Gewässerrandstreifen nur auf zwei Meter abgesenkt werden können, heißt es bei Ihnen im Gesetz, dass die Gebiete in denen die Randstreifen kleiner sind, ausschließlich von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium definiert werden. Das kann das halbe Land sein, wie es Teile der CDU wollen oder wirklich nur wenige eng begründete Ausnahmen.

Oder nehmen wir die Pestizide. Viele Bürger*innen wundern sich, dass Insektengifte und Pestizide überhaupt in Naturschutzgebieten zugelassen sind. Dabei haben wir einen Rückgang der Artenvielfalt gerade bei Insekten selbst in Schutzgebieten. Daher fordert das Volksbegehren einen vollständigen Verzicht auf Gifte in Schutzgebieten.

In ihrem Entwurf verzichten Sie grundsätzlich nur bei Grünland auf Insektizide, lassen sie aber auf Ackerland generell zu. Und auch bei Grünland erlauben Sie bei bestimmten Schadschwellen, selbst den großflächigen Einsatz von Insektengiften, die auch viele geschützte Arten und Vögel beeinträchtigen. Auch diese Schadschwellen sollen noch von Landwirtschaftskammer und Ministerien definiert werden. Ein weiteres großes Loch in Ihrem Gesetz, dass den Artenschutzzielen nicht genügt. Und Olaf Lies erklärt auf Facebook den Bauern ganz freizügig, dass sich da gar nichts ändere und sie spritzen könnten wie bisher.

In Baden-Württemberg hat übrigens eine Grün-Schwarze Regierung aufgrund des Drucks eines Volksbegehrens ein Totalverbot von Pestiziden in Schutzgebieten gesetzlich verankert. Hier soll selbst auf artenreichem Grünland Insektizid-Einsatz möglich bleiben. Fatal.

(Anrede)

Sie haben gefragt, warum wir das unter Rot-Grün nicht gemacht haben. Liebe SPD, seid ihr so vergesslich? Umweltminister Stefan Wenzel hatte etwa ein neues Wassergesetz mit 5 Meter breiten Gewässerrandstreifen erfolgreich mit den Ressorts abgestimmt und vom Kabinett einstimmig beschließen lassen. Dann haben die SPD-Fraktion und der damalige Wirtschaftsminister Olaf Lies angesichts von ein paar Protesten in Interviews erklärt, dass sie das nicht mehr mitmachen werden. Ihr habt die Naturschutzgesetze blockiert und deshalb glauben Euch die Leute nicht, dass ihr ein ernsthaftes Interesse an der Artenvielfalt habt und nicht beim kleinsten Proteststurm einknickt.

Im Gegenteil, die Landesregierung hat Angst vor Bayern. Sie hatten zweieinhalb Jahre Zeit wirksame Gesetze einzuleiten und für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen. Umweltverbände haben Ihnen immer wieder vor dem Landtag Forderungskataloge überreicht, wir Grüne haben mehrfach Anträge für besseren Naturschutz, für die Übernahme der bayerischen Regelungen und für wirksame Naturschutzmaßnahmen gestellt. Die Groko hat alles abgelehnt.

Für den Haushalt 2020 haben wir mehr als 230 Millionen Euro von der insektenfreundlichen Weideprämie bis zu 100 Millionen Euro für die Umsetzung der FFH-Richtlinie durch die Kommunen eingebracht. Von Ihnen wurden alle diese Anträge für mehr Naturschutz abgelehnt.

Stattdessen haben Sie das Glyphosat-Verbot in Kommunen und auf Bahnstrecken aufgeweicht, eine massive Ausweitung der Vogeljagd in Schutzgebieten auf den Weg gebracht und sich beim Artenschutz nur mit hohem Geldaufwand um den Wolf gekümmert und sich auch da verrannt.

Insekten, Schmetterlinge, Amphibien oder der Rückgang der Wiesenvögel auf Grünland kommen bei Ihnen nicht vor. Stattdessen werden nun zum dritten Mal in Folge die letzten Rückzugsflächen für Insekten wegen angeblichen Futtermangels der Milchkühe weg geschreddert und zerstört. Die Imkerverbände kritisieren das massiv, aber es ist wie beim Verbot von Schottergärten. Der Umweltminister redet viel, aber real passiert nichts.

Übrigens wurde auch das Klimagesetz vor genau einem Jahr im beschleunigten Verfahren von den Regierungsfraktionen eingebracht. Passiert ist nichts.

Das haben die Verbände von Bioland bis zum Heimatbund, vom Imkerverband Weser-Ems bis zum WWF satt und unterstützen das Volksbegehren Artenvielfalt.

Denn nur durch das Volksbegehren gibt es wie in Bayern und Baden-Württemberg die Chance auf Übernahme der Gesetze, eine gute Finanzierung und auch eine wirksame Umsetzung des Artenschutzes.

Ihr Finanzminister Hilbers hat es doch hier im Plenum klar gemacht worum es ihnen geht. Er hat 120 Millionen Euro zur „Verhinderung eines Volksbegehrens“ in den Haushalt eingestellt.

Würde das Volksbegehren jetzt beendet werden, gäbe es auch kein Geld mehr, so einfach ist das. Denn im aktuellen Haushalt 2020 – der vor dem Start des Volksbegehrens beschlossen wurde - sind 0 Euro zusätzlich für den Naturschutz. 0 Euro das ist ihnen der Naturschutz eigentlich wert...

(Anrede)

Das Artensterben wartet nicht bis der letzte CDU-Abgeordnete überzeugt ist und Finanzminister Hilbers die Kohle rausrückt. Nur das Volksbegehren hat Sie wie in Bayern zum hektischen Handeln getrieben, dass Sie sogar auf eine ausführliche juristische Beratung, Anhörung auch von Verbänden, die nicht beim Niedersächsischen Weg dabei sind und Ressortbeteiligung verzichtet haben. Oder woher die Eile, nach 2 ½ Jahren Nichtstun?

Das Volksbegehren hat trotz Corona-Einschränkungen bereits am 1. August das erforderliche Quorum um das doppelte Überschritten. Jetzt sammeln wir weiter und viele Ehrenamtliche unterstützen uns dabei. Ihnen gilt unser Dank, das sie sich für die Natur einsetzen.

Die Wahlergebnisse gestern in NRW, wo im Juli ebenfalls ein Volksbegehren gestartet wurde, zeigt, dass die Menschen guten Naturschutz mit den Grünen verbinden.

Umwelt- und Klimaschutz - waren dort Thema Nummer 1. Die Menschen machen sich Sorgen, wenn an den Windschutzscheiben und der Beleuchtung immer weniger Insekten sind. Und wenn im dritten Dürresommer in Folge immer weniger Vögel fliegen und unsere Wälder vor Trockenheit sterben.

In NRW übrigens Frau Modder wurde das Volksbegehren von BUND und NABU direkt im Kommunalwahlkampf eingeleitet und unterstützende Parteien sind nicht nur die Grünen, sondern auch die NRW-SPD.

(Anrede)

Zurück zu den Inhalten auf die es jetzt im Gesetzgebungsverfahren ankommt. Wir wollen von Bayern und vom Volksbegehren lernen. Das betrifft auch Bereiche außerhalb der Landwirtschaft. Warum z.B. nicht das Verbot von Himmelsstrahlern und insektenfreundliche Straßenbeleuchtung vorschreiben? Warum nicht wie Bayern Alleen an Straßen als geschützte Landschaftselemente schützen? In Niedersachsen als Land der Baumalleen sind viele Bürgerinnen und Bürger oft entsetzt wenn die Straßenbaubehörden von Herrn Althusmann bei der Straßensanierung oft die ersatzlose Abholzung der Baumalleen einfordern. Da könnten wir ebenso wie beim Schutz von Hecken die Formulierung des Volksbegehrens und aus Bayern übernehmen.

Auch beim Waldgesetz ist vieles dürftig. Ja gut, da wird das von mir im Konsens mit allen Beteiligten überarbeitete LÖWE PLUS Programm im Gesetz verankert, aber bei der Waldförderung wird wieder auf nichtheimische Arten gesetzt, die für heimische Arten keine Heimat bieten und auch für den Wasserhaushalt und Klimaschutz schädlich sind.

Und auch ein zusätzliches Wildnisgebiet im Solling mit 1000 ha soll bei Ihnen erst in der übernächsten Legislaturperiode im Jahr 2027 erfolgen. Da fließt noch viel salziges Wasser die Weser hinunter.

Gesetzliche Regelungen etwa für bedrohte Wiesenvögel fehlen ebenso bei SPD und CDU. Auch die Finanzierung ist noch sehr dürftig. So wollen Sie mit 300.000 Euro pro Jahr Rote Listen aktualisieren. Auf meine Anfrage welche, antworteten Sie gleich mit 26 Kategorien von Arten. Meine Damen und Herren, wer mal für ein Windrad Arten kartiert hat, weiß dass man mit 300.000 Euro vielleicht einen Landkreis oder eine Schmetterlingskategorie kartieren kann, aber eine gute Datengrundlage bekommen wir damit noch nicht, obwohl sie eben auch für die Energiewende wichtig ist.

Und Minister Lies hat seine Pflichtaufgaben beim Naturschutz noch nicht erledigt. Über 70 FFH-Gebiete müssen noch hoheitlich gesichert werden und die Pflege dieser Gebiete erfordert 90 Millionen Euro pro Jahr. Wo sind die Gelder oder ziehen wir sie von den 120 Millionen ab? Und dann droht noch ein zweite EU-Verfahren mit hohen Strafgeldern wegen dem schlechten Zustand unser Gewässer. Unter 3 Prozent sind im guten ökologischen Zustand. 97 Prozent der Seen, Flüsse und Bäche sind in schlechtem Zustand. Und ich rede da nicht nur von der Weserversalzung durch einen Kalikonzern, sondern auch von Schadstoffeinträgen durch fehlende Gewässerrandstreifen aus der Landwirtschaft.

Eine Verbesserung erfordert 100 Millionen Euro pro Jahr. Auch diese finde ich nicht im Haushalt.

(Anrede)

Sie sehen. Es ist noch vieles offen bei Ihren Gesetzen. es steht schlecht um die Natur und die Artenvielfalt in Niedersachsen. Die Gesetze haben große Lücken, die Verordnungen und Förderprogramme fehlen und die Finanzierung ist auch noch völlig unzureichend. Bislang sind Sie erst einen Tippelschritt auf ihrem Weg zur Aufhaltung des Artensterbens gegangen.

Nur das Volksbegehren sorgt für einen großen Schubs für unsere Arten – Für den Erhalt von Wildbienen, Schmetterling, Kiebitz und Lurch! Dafür werden wir uns weiter einsetzen und Unterschriften sammeln.

 

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