Christian Meyer: Erwiderung auf die Regierungserklärung zur Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie in Niedersachsen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen und uns alles Gute zu wünschen, dass 2021 ein Jahr der Hoffnung wird – ein Jahr in dem wir durch eine große Teamleistung das Coronavirus endlich überwinden. Und ich bin froh über den breiten Konsens zwischen Regierung und demokratischer Opposition, dass wir eine ernste Bedrohung haben, gemeinsam solidarisch handeln müssen und das Feld nicht den Trumps, Querköpfen und Coronaleugnern überlassen. Es geht hier um Menschenleben, um Gesundheitsschutz first, um zurzeit bis zu 1000 Sterbende pro Tag und nicht um eine harmlose Grippe. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht nicht umsonst nach der Menschenwürde gleich am Anfang unserer Verfassung und ist unser aller Auftrag!

(Anrede)

Und ich möchte an dieser Stelle den vielen Menschen danken, die seit Monaten erhebliche Einschränkungen und Anstrengungen auf sich nehmen, um der Ausbreitung des Virus zu begegnen und dem Corona-Virus entgegentreten. Insbesondere den vielen Pflegekräften und Arzt*innen, die seit Wochen wieder unter angespannten Bedingungen arbeiten, möchte ich herzlich für ihren Einsatz danken, aber auch versichern, dass wir ihre Leistungen nicht vergessen, sondern es als Auftrag sehen für bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht nur im Gesundheitswesen zu sorgen!

Nun befinden wir uns im neuen Jahr und die Euphorie des Impfstarts – die Hoffnung auf ein baldiges Licht am Ende des Tunnels ist überschattet von hohen Infektions- und Todeszahlen, die wir in den letzten Wochen auch in Deutschland beobachten mussten. Wir müssen feststellen, dass es richtig ist, die Kontakte deutlich zu reduzieren und die Schlagzahl der Ministerpräsidentenkonferenzen zeigt, wie dynamisch das Infektionsgeschehen in Deutschland derzeit immer noch ist. Umso wichtiger ist es an dieser Stelle zusammenzustehen und miteinander dem Virus die Stirn zu bieten!

Eigentlich wollten wir heute die Ministerpräsidentenkonferenz vorbesprechen – aber nun bereiten wir sie nach. Denn die Umstände haben es notwendig gemacht, dass Sie bereits früher zusammenkommen mussten. Die Infektionszahlen sind weiterhin hoch und eine weitere Kontaktreduzierung ist notwendig. Wir haben schon früh dazu aufgerufen, bei den Kontaktreduzierungen nicht nur die Schulen, Kitas und das private Umfeld in den Blick zu nehmen, sondern da anzusetzen, wo die meisten Kontakte passieren. In der Arbeitswelt. Denn während im Frühjahr letzten Jahres ein Viertel der Menschen zuhause gearbeitet haben, waren es im November 2021 gerade einmal 14 Prozent. Und hier liegt ein entscheidender Unterschied. Deshalb ist für uns klar: Wenn wir Kontakte vermeiden wollen, dann dort, wo sie hauptsächlich entstehen. Auf dem Weg zur Arbeit und bei der Arbeit selbst. Nicht umsonst waren die ersten Hotspots Schlachthöfe oder Verteilzentren sowie die Massenunterkünfte von Werksvertrags- oder Saisonarbeiter*innen. Hier brauchen wir wirklich klare Maßnahmen wie Einzelunterbringung und Schluss mit beengten Wohnverhältnissen auch in großen Wohnkomplexen wie in Göttingen. Seit 3 Jahren warten die Kommunen auf das Wohnraumschutzgesetz von Minister Lies mit klaren Mindeststandards an Hygiene und Wohnfläche. Wir brauchen endlich sicheren und angemessenen Wohnraum für alle!

(Anrede)

Die Zahlen zeigen uns: Auch beim Home-Office ist noch reichlich Luft nach oben. Deshalb fordern wir, dass mobiles Arbeiten, dort wo es geht, in Zeiten so hoher Infektionszahlen, die Regel wird. Das haben Sie lange zurückgewiesen und keinen Handlungsbedarf gesehen. Und vor einer Woche? Da haben Sie dann mit den Sozialpartnern einen Appell zu mehr Homeoffice gestartet. Um dann eine Woche später per Presse zu verkünden, es bräuchte ein Recht auf Homeoffice. Das konnten Sie dann gegen den Koalitionspartner nicht durchsetzen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir begrüßen an dieser Stelle Ihre inhaltliche Position für ein Recht auf Homeoffice.

Deshalb fordern wir Sie an dieser Stelle auf, Herr Ministerpräsident: Machen Sie das Krisenmanagement zur Chefsache und sorgen Sie dafür, dass Niedersachsen beim Arbeitnehmerschutz Vorreiter wird. Denn es ist ja nicht so, als wenn Arbeitgeber nicht auch ein Interesse am Schutz ihrer Arbeitnehmer*innen hätten. Deshalb fordern wir Sie auf: Gehen Sie mit den Unternehmen ins Gespräch und schaffen Sie einen klaren Rahmen für die Schaffung von Heimarbeitsplätzen und fördern sie diese und nicht das Pendeln zum Arbeitsplatz. Etwa durch einen unbürokratischen Kredit des Landes, damit das Arbeiten zu Hause am Ende nicht am Geld für die Infrastruktur scheitert. Gleichzeitig erhöhen Sie das Personal der Gewerbeaufsicht und der Ordnungsbehörden, damit effektive Kontrollen dazu führen, dass wir keine Meldungen mehr über Infektionsherde bei Logistikunternehmen oder aus der Fleischindustrie bekommen. Der Schutz der Beschäftigten und die Vermeidung von Infektionen am Arbeitsplatz sollten höchste Priorität haben.

Und seien sie auch Vorbild bei der Landesverwaltung. Wenn nur 22 Prozent der Bediensteten im Finanzministerium in Home-Office arbeiten, hat Herr Hilbers seine Digitalisierungshausaufgaben nicht erfüllt, obwohl jede Steuerzahlerin ihre Steuererklärung elektronisch abgeben muss. Erlauben Sie mehr Finanzbeamt*innen Homeoffice!

Und helfen Sie der Gastronomie, dem Einzelhandel, den Soloselbständigen und der Kulturbranche wirklich und nicht mit schönen Worten oder der lapidaren Feststellung, dass es halt eine große Insolvenzwelle geben. Auch Soloselbständige, die für Corona nun wirklich nichts können, benötigen schnelle unbürokratische Hilfen. Und wenn Sie nun erklären Ihr Wirtschaftsminister Althusmann würde sich um schnelle Auszahlungen der November- und Dezemberhilfen irgendwann kümmern, dann nimmt es Sie nicht aus der Verantwortung. Genauso wenig darf immer nur mit dem Finger auf die Groko in Berlin verwiesen werden. Auch das Land muss hier besser werden und sich nicht in Ressortstreitereien verheddern.

Der Shutdown darf nicht auch zu einer wirtschaftlichen und sozialen Existenzkrise werden. Und jetzt zu helfen und in die sozialölologische Transformation zu investieren ist auch nachhaltiger und generationengerechter als auf der starren Schuldenbremse zu beharren wie es der Finanzminister und Teile der CDU aus reiner Ideologie und mit Dogmatismus tun.

(Anrede)

Ein weiteres Thema der Ministerpräsidentenkonferenz war ja nun die Fortsetzung der bisherigen Maßnahmen und damit auch der Schul- und Kitaschließungen und der „Plus-Eins-Kontaktregel“. Diese Regelungen sind, Sie haben es bereits ausgeführt, insbesondere für Familien besonders hart. Aber ich muss Ihnen auch deutlich sagen: Sie sind sehr problematisch und infektiologisch nicht nachvollziehbar. Das Ziel muss doch nicht sein, dass Menschen sich vier Mal am Tag mit einer unterschiedlichen Person treffen, sondern dass Menschen sich derzeit in festen Gruppen miteinander treffen, um die Infektionen nicht zu verbreiten. Deshalb fordern wir Sie auf, künftig mit dem Ziel sogenannter „Social Bubbles“ – also festen Haushalten, die sich treffen – zu arbeiten, denn die ermöglichen ein sicheres soziales Miteinander auch in Zeiten von social distancing und gerade diesen Halt brauchen wir doch alle in diesen düsteren Zeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Für Familien und Kinder sind Ihre Regelungen wirklich lebensfremd, Herr Ministerpräsident. Ich kann es nicht anders sagen. Und wissen Sie wohin das führt? Dazu, dass Menschen sich nicht an diese Regeln halten. Und das gilt es doch zu vermeiden! Wenn ein zweijähriges Kind sich verabreden will, soll die Mutter das vierjährige dann alleine zuhause lassen? Und warum sollte sie das verstehen? Und das Großelternpaar darf dann Mama und das zweijährige sehen und das vierjährige wartet vor der Tür? Oder wird vorher bei dem anderen Großelternpaar abgegeben? Damit dann zwei Großelternpaare sich anstecken? Herr Ministerpräsident, dass Sie für Geschwisterkinder keine Ausnahme machen, stellt Eltern vor riesige Probleme und ist aus infektiologischer Sicht nicht zu begründen. Wir reden hier von ganz grundsätzlichen Problemen und nicht davon, dass jemand eine Faschingsfeier feiern möchte. Ich möchte Sie deshalb hier erneut auffordern: Berücksichtigen Sie die besonderen Belange von Kindern und Familien und beenden Sie diese unnötige Belastung.

Denn diese sind durch die harte Zeit der Schul- und Kitaschließungen ohnehin schon besonders belastet. Und auch hier möchte ich Ihnen deutlich mitgeben: Nutzen Sie die Zeit der Aussetzung des Präsenzunterrichtes dafür, endlich eine inzidenzbasierte, langfriste Strategie für das Lernen unter Coronabedingungen zu entwickeln und machen Sie unsere Schulen pandemiefest. In den letzten elf Monaten ist es nicht gelungen, die Schulen baulich, digital und mit klaren Regeln darauf vorzubereiten, die Regeln des Infektionsschutzes auf Schule zu übertragen. Sie betonen immer, dass Bildung für Sie die oberste Priorität hat, in Ihren Investitionen und in Ihrem Handeln der letzten Monate kann man das nicht ablesen. Aus Prinzip Hoffnung wird der Schulbetrieb nicht pandemiefest. Wir erwarten, dass Sie ein kommunales Investitionspaket für Lüftungssysteme an Schulen auf den Weg bringen, Lehrkräfte verlässlich mit FFP2-Masken ausstatten und AHA+L endlich konsequent auf die Schulen übertragen. Und nicht zuletzt, dass Sie den Schülern endlich den Druck nehmen und klar sagen, wie Sie bundesweit in diesem Jahr mit den Schulabschlüssen und verpassten Lerninhalten umgehen und dass Sie das Sitzenbleiben und Abschulen für dieses Jahr aussetzen. Das Credo muss lauten: Keiner soll durch Corona in der Schule benachteiligt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bringt mich zu meinem nächsten Thema: Bereits im Frühjahr letzten Jahres – dem ersten Lockdown – wurde sichtbar, dass soziale Isolation sich auf Menschen ganz unterschiedlich auswirkt. Die sozialen Härten werden massiv verschärft. Und deshalb ist es so entscheidend, die Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren, die unter diesen Maßnahmen besonders leiden. Corona darf nicht weiter zur Armutsfalle werden. Deshalb möchte ich Sie inständig auffordern, die Kommunen finanziell dabei zu unterstützen, ihre sozialen Auffangangebote deutlich aufzustocken. Die Kommunen sind finanziell bereits weit über Ihre finanzielle Belastungsgrenze hinaus. Aber ich sage Ihnen deutlich: Die Suppenküche, die zusätzlichen Angebote der Tafeln, die aufsuchende Jugendhilfe, die Gewaltschutzzentren, die Suchthilfe, therapeutischen Beratungsangebote und der Infektionsschutz in Sammelunterkünften für Wohnungslose dürfen in diesen Zeiten nicht am Geldbeutel der Kommunen scheitern. Wir müssen als Land dringend das Signal geben, dass wir wollen, dass diese Angebote in Zeiten so drastischer Infektionsschutzmaßnahmen besonders ausgebaut werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn gerade jetzt müssen wir die sozialen Härten besonders abmildern.

Herr Weil, Sie haben in Ihrer Rede deutlich gemacht, dass wir noch einen langen Atem brauchen. Und genau deshalb wird es so entscheidend sein, dass wir endlich eine langfristige Strategie im Umgang mit dem Virus und für ein Leben mit dem Virus auf den Weg bringen und entwickeln. Natürlich müssen wir sie immer wieder mit neuen Erkenntnissen aus der Wissenschaft anpassen. Aber eine gute, flexible Strategie ist doch besser als keine und hektisches Stochern im Nebel. Es gibt nicht den einen Eisberg, den man wie bei der Titanic umfahren muss und dann ist alles gut, sondern man muss auch wissen, wie und auf welchem Weg man am Ziel ankommt und wann man den Kurs korrigiert.

Das ist sicherlich nicht leicht, aber auf lange Sicht gesehen leichter, als wenn wir uns im 14-Tages-Rhythmus von Ministerpräsidentenkonferenz zu Ministerpräsidentenkonferenz hangeln und jedes Mal ein anderes Bundesland eine neue Sau durch das Dorf treibt. Sie sprechen zurecht an, dass wir heute noch nicht wissen, welche Inzidenz wir in 14 Tagen haben werden. Nein, das wissen wir nicht. Aber was wir doch wissen ist, wie lange unsere Gesundheitsämter in der Lage sind Kontakte nachzuverfolgen. Wie viele Infektionen wir in der Bevölkerung haben können, bis einige Wochen später die Intensivstationen überfüllt sind. All das wissen wir – und mit diesen Daten kann genauso ein inzidenzbasierter Stufenplan bundesweit entwickelt werden. Wir könnten den Menschen in unserem Land klar sagen, woran sie sind und welche Inzidenz, welche Maßnahmen und Freiräume mit sich bringt. Mit einer entsprechenden Begleitforschung müsste obendrein die Wirksamkeit der Maßnahmen evaluiert werden, um diesen Stufenplan entsprechend anzupassen. Herr Ministerpräsident, noch im Dezember wurde genauso ein Stufenplan von Ihnen angekündigt.

Lassen Sie uns an diesem langfristigen Umgang arbeiten, damit uns bei diesem Marathon nicht auf halber Strecke die Luft ausgeht. Wir können das Virus gemeinsam besiegen, daran glauben auch wir ganz fest: Aber wir brauchen dafür eine Struktur mit dieser Krise umzugehen, so unvorhersehbar auch ist, was noch kommen mag. Die dauerhafte Alarmbereitschaft ermüdet alle und sorgt bei den Menschen dafür, dass sie irgendwann abstumpfen und resignieren, wenn wir ihnen keine Lebensperspektiven mit dem Virus aufzeigen. Und dazu gehört auch mehr zu testen. Herr Weil, Frau Reimann, wir brauchen in Niedersachsen eine deutliche Ausweitung der Schnelltests. Und das geht vor allem, indem wir endlich auch Tests für den Heimgebrauch zulassen und Schnelltests insbesondere da einsetzen, wo viele Menschen zusammenkommen.

Und das bringt mich zu einem weiteren Satz, den Sie in Ihrer Erklärung gerade sagten: Jeder macht mal Fehler. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, Herr Weil. Jeder macht Mal Fehler. Und gerade in dieser Krise gestehen wir Ihnen auch Fehler zu. Die Situation ist unwägbar und schwer und wir alle – auch die Mitarbeiter*innen Ihrer Ministerien – arbeiten weit über Ihre Belastungsgrenze hinaus. Das erkennen wir absolut an und haben davor Hochachtung. Aber wissen Sie was halt symptomatisch an Ihrer großen Koalition nicht nur in der Krise ist? Sie hören dem Parlament nicht zu. Und deshalb möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal sagen: Parlamentarische Beteiligung ist kein Selbstzweck und es ist kein Bremsklotz.

ParlamentsBETEILIGUNG macht Regeln nicht schlechter, sondern besser!

Wir sind als Abgeordnete von den Menschen dieses Landes gewählt, um ihre Interessen zu vertreten und miteinander abzuwägen. Und deshalb hätten Sie sich manch einen Fehler vermeiden können, wenn Sie auf unsere Hinweise oder auch die Hinweise von den Menschen, die Ihre Regeln umsetzen sollen gehört hätten. Um das Beispiel mit den Kindern in der letzten Verordnung zu nehmen. Wir haben Ihnen im Ausschuss deutlich gesagt, dass es unlogisch ist, dass Sie Babys als eigenständige Personen rechnen. Und auch Kleinkinder und Geschwisterkinder. Dennoch haben Sie die Verordnung so in Kraft gesetzt. Und dann? Ihre Verordnung hatte keine 15 Stunden Bestand ehe sie angekündigt haben, sie wieder zu ändern. Was ist das für ein Rechtverständnis? Im Verordnungsblatt steht etwas anderes als die Pressesprecherin verkündet.

Wer, Herr Ministerpräsident, soll da denn dann noch durchblicken? Solche Fehler sind nicht menschlich, sie sind überflüssig – und am Ende steigt dann niemand mehr durch, was eigentlich die Regeln sind und macht was er will.

Das müssen wir doch vermeiden! Und deshalb fordere ich Sie erneut auf: Schaffen Sie Ausnahmen für Geschwisterkinder um dieses Hin und Her mit der nächsten Verordnung nicht wieder zu erleben.

Ein weiteres Beispiel sind die Schulöffnungen. Da öffnen Sie die Grundschulen am Montag, in dem Wissen, dass am Dienstag die Ministerpräsidenten über schärfere Maßnahmen beschließen werden. Und wer sind am Ende die Leidtragenden? Die Schulen, die nun ein neues System fahren müssen und nach drei Tagen wieder umplanen müssen. Die Eltern, die sich nun über andere Betreuungs- und Homeschoolingkonzepte Gedanken machen müssen. Und am Ende die Kinder, die nun zwei Tage in der Schule waren und jetzt ist das schon wieder vorbei. Am Ende ist das für alle die schlechteste Lösung. Und dann stellen Sie sich hier hin und sagen: „Das kann man ja nicht wissen.“ Ich sage Ihnen: Auf Sicht fahren ist etwas anderes als im Nebel zu stochern – und an dieser Stelle hätte ich mir ein vorausschauendes Agieren im Sinne der Schulen und Familien gewünscht.

Und noch ein letztes Beispiel möchte ich Ihnen nennen: Ihr Einladewesen für die Über-80-Jährigen. Seit längerem sprechen wir darüber, dass es sinnvoll wäre, die 80jährigen postalisch zu informieren. Meta Janssen-Kucz hat das mehrfach im Ausschuss gefordert. Es war Ihr Sozialministerium, Herr Weil, das sagte, solche Briefe bräuchte es nicht. Durch Druck entschieden Sie sich um und wollten dann doch per Brief informieren. Und was für Daten haben Sie genommen? Die eines Paketdienstleisters – weil sie innerhalb Ihrer Häuser eine falsche Rechtsauskunft erhalten haben. Diese Absurdität geht so weit, dass Menschen eine Einladung zur Impfung erhalten haben, die bereits seit acht Jahren gestorben sind. Wissen Sie, was das für die Angehörigen bedeutet, wenn sie eine „gute Nachricht“ der Sozialministerin bekommen?

Oder ein Fall aus meinem Betreuungswahlkreis Hameln-Pyrmont über den die HAZ heute berichtet. Ein 64 jähriger bekommt den Impfbrief weil er den Vornamen Egon hat und der Postdienstleister ihn damit für über 80 Jahre hielt. Der Mann ist jetzt tief enttäuscht, weil der offizielle Brief von Frau Reimann falsch war und falsche Hoffnungen geweckt hat.

Und Herr Ministerpräsident als ehemaliger Oberbürgermeister müssten Sie es doch wissen. Die Kommunen haben in ihren Melderegistern die offiziellen Daten und Altersangaben. In vielen Orten schickt ab 80 Jahren der Bürgermeister einen Glückwunschbrief. Nein Sie wollten nicht auf das Angebot der Kommunen setzen, dass sie die Briefe im Namen der Bürgermeister*innen verschicken, weil es musste ja unbedingt der Name der angeschlagenen Sozialministerin auf den Brief.
Meine Damen und Herren,

für solche Eitelkeiten auf dem Rücken der Bürger*innen fehlt mir echt jedes Verständnis!

Und dann stellen Sie sich heute hin und sagen, dass sei ein zweistufig angelegtes Verfahren? Bekommen halt einige falsche Briefe, einige gar keine und die Kommunen bügeln das dann mit einem zweiten Brief aus. Herr Ministerpräsident: Wenn einem solche Fehler passieren, dann stellt man sich hin und sagt: Das war falsch und das ist uns peinlich. Und ich entschuldige mich bei denjenigen die falsche Briefe bekommen haben. Nächstes Mal, da läuft das besser. Und man redet sich nicht um Kopf und Kragen, sondern übernimmt Verantwortung für das Ganze!  Man muss nicht sehenden Auges in überflüssige Fehler rennen und damit die Akzeptanz für die Maßnahmen gefährden. Auch bei den Impfinformationen wäre ebenso wie bei den Schulen eine engere Einbeziehung und echte Mitwirkung des Parlaments besser.

(Anrede)

Herr Ministerpräsident, die Opposition hat das heutige Sonderplenum nicht gefordert, um eine langatmige Regierungserklärung ohne Neuigkeitswert und ohne Strategie zu hören, sondern um beteiligt zu werden, mitwirken zu können, damit wir GEMEINSAM diese Pandemie bewältigen.  

Allein unsere Fraktion stellt heute 8 Anträge mit Verbesserungsvorschlägen zur Debatte und Abstimmung.

Wir wollen das für Bedürftige die erhöhten Maskenanforderungen kostenlos sind, wie es der Sozialverband fordert. Corona darf die Armut nicht weiter verschärfen. Wir wollen eine bessere Test- und Impfstrategie, gerade bei den Hotspots. Wir wollen mehr Kontrollen in Schlachthöfen, Betrieben und Unterkünften zum Gesundheits- und Arbeitnehmerschutz. Wir wollen, dass die bald wieder vollen Schulbusse deutlich entzerrt werden durch unterschiedliche Schulanfangszeiten. Wir wollen klare Regeln und Hilfen für die Schulen. Wir wollen die Corona-App zur Nachverfolgung endlich wirksamer machen. Wir wollen Betrieben helfen auf Homeoffice umzustellen und wir wollen Soloselbständigen und der Kulturbranche besser helfen. Auch die FDP hat viele diskussionswürdige Ideen und Vorschläge gemacht.

Sie meine Damen und Herren von SPD und CDU lehnen jedoch jegliche Verbesserungsvorschläge der Opposition heute ab. Bei keinem einzigen Antrag haben sie Änderungsvorschläge gemacht um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Was ist das eigentlich für ein Parlamentsverständnis bei dieser größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre?

Wo bleiben da eigentlich die Ideen der Regierungsfraktionen oder Korrekturen an den Verordnungen? Herr Toepffer beklagte in der HAZ über die Weihnachtstage, dass die Medien zu wenig über die Landtagsdebatten berichten würden. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Regierungsfraktionen keine echten Debatten und Abstimmungen etwa über umstrittene Details der Coronaverordnung wollen?
Wir fordern Sie jedenfalls auf und reichen Ihnen mit unseren Vorschlägen konstruktiv die Hand – GEMEINSAM mit allen Demokrat*innen aus der Krise zu kommen.  Wir haben doch alle dasselbe Ziel, da versteht niemand warum SPD und CDU alles ablehnen, was von der Opposition kommt und Korrekturen immer erst im Nachhinein vorgenommen werden, wenn es oft schon zu spät ist.

Und deshalb werden wir als Grüne Opposition auch weiterhin konstruktiv an dem Erfolg bei der Bekämpfung des Coronavirus mitarbeiten und Sie auf die Dinge hinweisen, von denen wir glauben, dass Sie diese stärker in den Blick nehmen müssen. Und das sind in diesen Zeiten insbesondere eine langfristige Strategie im Umgang mit dem Virus, wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen und eine neue Teststrategie für Niedersachsen, mehr Rücksicht für die Belange von Familien und Kinder und die Abfederung der sozialen Härten dieses Lockdowns. Die Lage ist zu ernst für Fehler und regierungsinternes Abschirmen und Wegdrücken von jeglicher konstruktiver Kritik.

Mein letzter Satz ist daher hoffnungsvoll: Wir als Opposition sind bereit konsequente, nachvollziehbare Entscheidungen zum Gesundheitsschutz auch gemeinsam mitzutragen. Dazu müssen sie aber das Parlament endlich ernst nehmen und nicht immer im Nachhinein unterrichten, was schon in den Zeitungen steht. Nehmen Sie das Angebot der Opposition über Corona-Entscheidungen mitwirken und mitentscheiden zu wollen ernst, denn nur GEMEINSAM kommen wir aus der Krise in eine gute Zukunft. Und gemeinsam mit einem starken Parlament, einer starken Kontrolle des Regierungshandelns zeigen wir nicht nur die Vorteile der Demokratie in der wir leben. Gemeinsam schaffen wir es auch besser, davon bin ich überzeugt.

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