Antrag: Zugänge zum Internet ausbauen – Netzneutralität bewahren

Fraktion der SPD

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Hannover, den 11.06.2013

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Das Internet ist die technologische und gesellschaftliche Innovation unserer Zeit. Es ist frei und offen für alle - und es hat unser Leben und Arbeiten miteinander tiefgreifend verändert und uns allen dabei neue Formen der Kommunikation und Kooperation ermöglicht. Das Internet ist als Medium mit seiner schier ungebremsten innovativen Dynamik mittlerweile selbstverständlicher Teil unseres Alltags. Damit diese Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden kann, müssen die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden: Der freie und schnelle Zugang zum Netz muss für alle Menschen überall im Land gewährleistet werden.

Durch den technologischen Fortschritt werden für Internetdienste und -anwendungen zunehmend höhere Bandbreiten benötigt, da multimediale Informations- und Kommunikationsformen im Netz auch höherer Datenvolumina bedingen. Deshalb ist nicht nur der weitere Ausbau der Netzinfrastruktur entscheidend, sondern insbesondere die Bewahrung eines offenen Systems der Datenbereitstellung mit einem gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Transport von Datenpaketen. Dieser Grundsatz der Netzneutralität ist das Fundament des Internets, so wie wir es kennen.

Doch dieser Grundsatz der Netzneutralität gerät inzwischen in Gefahr: Während die technischen Möglichkeiten zur Ungleichbehandlung von Datenpaketen bis hin zur Blockade des Zugangs bei den Internetdienstanbietern schon länger bestehen, haben unlängst Anbieter - so insbesondere die Deutsche Telekom – angekündigt, die Netzneutralität zugunsten ihrer eigenen Dienste aufgeben zu wollen und sogenannte „Flatrate“-Angebote einzuschränken. Dabei sollen Mehrvolumenbedarfe und ein priorisierter Datentransport künftig nur gegen höhere Nutzungsentgelte für die Endverbraucherinnen und -verbraucher möglich sein.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. sich auf Bundesebene für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität, insbesondere als Regulierungsziel bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes, einzusetzen und dabei zugleich Inhaltskontrollen der übermittelten Datenpakete durch die Internetdienstanbieter auszuschließen,
  2. sich dafür einzusetzen, dass die Bundesnetzagentur zur Überprüfung dieser gesetzlichen Vorgaben ermächtigt wird und zugleich Internetdienstanbietern eine Informationspflicht gegenüber der Regulierungsbehörde auferlegt wird,
  3. sicherzustellen, dass bei Verstößen gegen die Netzneutralität wirksame Sanktionen gegen die Internetdienstanbieter greifen und zugleich den Kundinnen und Kunden bei Einschränkungen der Netzneutralität oder der Drosselung oder Beschränkung von als „Flatrate“ gekennzeichneten Dienstverträgen ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird,
  4. die Grundlagen für einen weiteren Ausbau der Internetinfrastruktur - dabei insbesondere den Breitbandausbau im ländlichen Raum - mit dem Ziel einer Universaldienstverpflichtung zu legen und insbesondere im Rahmen der kommenden EU-Förderperiode ressortübergreifend und EU-fondsübergreifend zu unterstützen - dabei soll sichergestellt werden, dass die Vergabe von staatlichen Mitteln für den Ausbau der Internetinfrastruktur (kabelgebundener Breitbandausbau sowie Ausbau von Funk-Infrastruktur wie LTE und LTE-advanced) an die Verpflichtung zur Einhaltung der Netzneutralität geknüpft wird,
  5. sich auf europäischer Ebene für eine internationale Verständigung zur Sicherung der Netzneutralität einzusetzen und dafür zu sorgen, dass bereits bestehende Beschlüsse konsequenter verfolgt und in nationales Recht umgesetzt werden.

Begründung

Die Einhaltung des Grundsatzes der Netzneutralität ist entscheidend für die weitere Gewährleistung eines offenen und freien Internets, an dem alle Menschen einkommens- und ortsunabhängig teilhaben können. Netzneutralität gewährleistet dabei nicht nur eine Gleichberechtigung der Marktchancen von Anbietern, sondern auch den Erhalt von Informations- und Meinungsfreiheit im Netz. Diese Grundlagen können nur gesichert werden, wenn die Netzneutralität im Telekommunikationsrecht gesetzlich verankert und zugleich auf dem Wege des Verbraucherschutzrechts abgesichert wird. Letztlich ist Netzneutralität zugleich auch elementar für die Bewahrung von diskriminierungs- und überwachungsfreier Kommunikation in der modernen Demokratie. Zur Regulierung und Kontrolle einer gesetzlich normierten Netzneutralität liegt es aufgrund der bereits vorliegenden Zuständigkeiten nahe, die Bundesnetzagentur für den Rechtsvollzug zu betrauen.

Die Einschränkung der Netzneutralität wird auf Basis von wirtschaftlichen Interessen vor allem von Internetdienstanbietern wie der Deutschen Telekom forciert. Damit ergibt sich zugleich eine besondere Fragestellung hinsichtlich des Verbraucherschutzes, da zunehmend als „Flatrate“ gekennzeichnete Angebote eingeschränkt werden und tatsächliche diskriminierungsfreie Datenübertragung ohne Volumenbeschränkung nur mit weiteren Mehrentgelten von den Kundinnen und Kunden eingekauft werden kann. Damit entsteht für Endverbraucherinnen und -verbraucher eine undurchsichtige Angebotsdarstellung - dieser muss durch die Schaffung von zusätzlichen und den weiteren Ausbau von vorhandenen Kundenrechten begegnet werden.

Entscheidend für Niedersachsen ist der weitere Ausbau der Zugänge zum Internet durch einen Ausbau der Netzinfrastruktur. Hierbei muss sichergestellt werden, dass mit staatlichen Mitteln ge-förderte Investitionen die Netzneutralität zur Voraussetzung haben - dort, wo Steuergelder einge-setzt werden, muss für die Bürgerinnen und Bürger auch eine diskriminierungsfreie Nutzung der Netzinfrastruktur gewährleistet werden.

Noch im Oktober 2011 gab es nach Ansicht der VertreterInnen der Bundesregierung in der Enquete Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ in Deutschland keine akute Gefährdung der Netzneutralität. Durch den Vorstoß der Deutschen Telekom hat sich diese Annahme mittlerweile als falsch herausgestellt. Die VertreterInnen der Oppositionsfraktionen im Bundestag waren schon damals der Ansicht, dass die Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben werden müsse und forderten in einem Sondervotum, einen rechtlichen Rahmen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, mit dem der freie und gleichberechtigte Zugang zum Internet nachhaltig gewährleistet werden solle. Außerdem wurde in diesem Sondervotum festgehalten, dass die Netzneutralität in Deutschland explizit zum Regulierungsziel erhoben werden müsse. Gleiches gelte für die europäische Ebene, auf der die Kommission bereits 2009 im Rahmen der Reform des EU-Telekommunikationsrechts die Netzneutralität als politisches Ziel und als von den nationalen Regulierungsbehörden zu fördernden Regulierungsgrundsatz vorgegeben hat. Diese bereits bestehenden Beschlüsse auf EU-Ebene müssen mit mehr Engagement umgesetzt werden.

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