Antrag: Wald im Klimastress: Naturnahen Waldumbau beschleunigen, Dialog über die Zukunft des Waldes fördern

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Stürme, Hitze, Borkenkäfer: Der niedersächsische Wald ist im Klimastress. Das zweite Dürrejahr in Folge führt zu massiven Schäden. Betroffen waren zunächst insbesondere Fichtenforste, doch die anhaltende Trockenheit setzt nun auch anderen Baumarten wie der heimischen Buche zu. Die Schäden im Landesforst und Privatwald sind regional und standörtlich sehr unterschiedlich, belaufen sich aber auf mehrere hundert Millionen Euro, eine genaue Bezifferung des Schadens steht noch aus.

Während die Landwirtschaft beim Anbau von Feldfrüchten jährlich neu reagieren kann, ist die Forstwirtschaft auf lange Planungszeiträume angewiesen. Aber die Ungewissheit, welche Klimaszenarien Realität werden, erschwert die Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen aus den letzten beiden Jahre gezogen werden müssen. Um möglichst viel Erfahrungswissen auszutauschen, muss der Dialog über die Zukunft des Waldes gefördert werden.

Nur eine Gewissheit besteht: Nur ein konsequenter, rascher Klimaschutz kann den Wald annähernd in seiner heutigen Form schützen.

Fest steht auch: Ursache der massiven Schäden ist jedoch nicht allein der Klimawandel. Das Ökosystem Wald ist durch Monokulturen, Bodenverdichtung und dem Anpflanzen nicht-heimischer bzw. nicht-standortgerechter Baumarten anfälliger gegenüber Schädlingsbefalls. Bestrebungen für einen Waldumbau weg von Nadelholz-Monokulturen hin zu einem Mischwald mit höherem Laubwaldanteil wurden nicht überall ausreichend genug verfolgt.

Rund ein Viertel der niedersächsischen Landesfläche ist bewaldet. Wälder sind unersetzlich als Wasserspeicher, Luftfilter und Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Wälder sind zudem enorme Kohlenstoffspeicher, die CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und in Holz bzw. im Humus binden. Insbesondere reine Kiefer- und Fichtenforste sind jedoch anfällig für Wetterextreme und Schädlingsbefall. Auch die Entnahme von Grundwasser für die landwirtschaftliche Beregnung kann zu einem weiteren Abfall des Grundwasserspiegels führen und Waldgebieten die Wasserverfügbarkeit verschlechtern. Ein Umbau zu naturnahen und standortgerechten Mischwald ist somit dringend geboten, um robuste und artenreiche Wälder zu erhalten. Bei diesem Umbau müssen zumindest in Europa heimische Laubbäume die zentrale Rolle spielen. Variationen heimischer Arten aus anderen klimatischen Regionen Europas können Chancen für den Waldumbau bieten.

Von Menschen nicht mehr bewirtschaftete Flächen wie in der Kernzone des Nationalparks Harz bieten die Chance, zu sehen, wie die Natur selbst auf den Klimawandel reagiert. Der Landtag begrüßt daher das Programm zur Natürlichen Waldentwicklung, das zehn Prozent des Landeswaldes als artenreichen Naturwald von der forstwirtschaftlichen Nutzung freistellt. Die Sicherung der Flächen ist bis zum Jahr 2020 naturverträglich abzuschließen.

Der Landtag bekräftigt die Schutzziele des Nationalpark Harz. Die Naturdynamikzonen, in denen der Wald einer natürlichen Entwicklung ohne forstliche Eingriffe überlassen wird, sind bis 2022 auf drei Viertel der Nationalparkfläche auszuweiten.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  1. Einen institutionalisierten Dialog zwischen Förster*innen, Naturschutzverbänden, Landesforsten, Forstgewerkschaft, Privatwaldbesitzer*innen, Naturwaldreservaten, Forschungs- und Lehreinrichtungen und anderen Akteur*innen über die Zukunft des Waldes von Seiten des Landes voranzutreiben.
  2. Endlich einen Beitrag zur Begrenzung der Klimakrise und ihrer Folgen zu leisten und ein wirksames Maßnahmenpaket zu beschließen. Wiederaufforstungsmaßnahmen an geeigneten Standorten können eine Teil-Maßnahme zur Speicherung von CO2 darstellen, Aufforstungsmaßnahmen dürfen jedoch nicht die Naturschutzkonzepte beispielsweise im Nationalpark Harz konterkarieren
  3. Im Landeswaldgesetz eine gute forstliche Praxis zu definieren, um durch eine ökologische Bewirtschaftung mehr Feuchtigkeit im Wald zurückzuhalten und die Gefahr von Waldbränden und Sturmschäden zu mindern, u.a. durch Maßnahmen zum Humusaufbau und gegen Waldbodenverdichtung, Entwässerungsgräben im Wald dürfen nicht weiter zu Trockenschäden führen.
  4. Maßnahmen zur besseren Ausrüstung und Ausbildung der Feuerwehren zu ergreifen, die eine Bekämpfung von Waldbränden ermöglichen.
  5. Die Vergrößerung der Reviere im Landesforst zu stoppen und die Ausbildung von forstlichen Fachleuten bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels zu verstärken.
  6. Die Landesförderung für den Waldumbau im Privatwald wieder an höhere Laubholzanteile und zumindest in Europa heimische Laubbaumarten zu koppeln. Die Neufassung der Richtlinie zur Waldbau-Förderung 2018 war ein wald- und klimapolitischer Rückschritt und muss rückgängig gemacht werden,
  7. Den Waldumbau an klimagefährdeten Standorten priorisieren: Reine Nadelholzbestände auf nicht standortgerechten Flächen bzw. auf durch den Klimawandel beeinträchtigten Flächen sind zu identifizierten und vorrangig in standortgerechte, stabile und überwiegend heimische Mischbestände weiterzuentwickeln.
  8. Den Verbleib von Tot- und Schadholz im Wald zu fördern und diese Maßnahme auch zur Stabilisierung der Holzpreise nach Extremereignissen wie Stürmen, Dürre und Schädlingsbefall einzusetzen,
  9. Die Jagd auf Schalenwild so auszugestalten, dass sie den Waldumbau nicht verhindert und eine natürliche Verjüngung und Wiederaufforstung ohne Zäune möglich sind,
  10. Die Möglichkeiten von „Wasserwald“ zur Verstärkung der Grundwasserneubildung zu nutzen und den gezielten Umbau von Nadelwald zu Misch- oder Laubwald an geeigneten Standorten auch außerhalb von Wasserschutzgebieten zu fördern,
  11. Eine Vorbildfunktion für einen bewussten und sparsamen Umgang mit dem Rohstoff Holz einzunehmen und alle Behörden der Landesverwaltung zur Nutzung von 100 Prozent Recyclingpapier zu verpflichten.

Begründung

Der Klimawandel hat in Niedersachsen Auswirkungen auf die Grundwasserbildung, warnt das Landesbergamt. Die Sommer werden heißer, Extremwetterereignisse häufen sich. Insbesondere im Nordwesten Niedersachsens könnte es künftig trockener werden.

Die gezielte Förderung von Mischwäldern ist auch eine Strategie der Risikostreuung: Je mehr unterschiedliche Bäume eine Waldgemeinschaft bilden und je vielfältiger die Waldstrukturen sind, desto geringer wird das Risiko eines Totalverlustes. Die Anfälligkeit von Mischbeständen gegenüber Schaderregern ist häufig geringer. Der Artenvielfalt kommt zudem zu Gute, dass eine Baumartenvielfalt meist auch mit einem hohen Maß an Struktur- und Lebensraumvielfalt verbunden ist.

Ausreichende Humusvorräte im Waldboden haben einen doppelten Nutzen: Eine günstige Bodenstruktur verbessert die Nährstoff- und Wasserversorgung der Waldbäume und sorgt so für gute Wuchsbedingungen. Zudem leistet die Humusentwicklung auch einen Beitrag zum Klimaschutz, denn der Boden gehört zu den bedeutendsten Speichern von Kohlenstoff. Die Humuspflege ist damit sowohl eine Anpassungs- als auch eine Klimaschutzmaßnahme.

Die niedersächsischen Landesministerien nutzen entgegen ihrer eigenen Zielsetzung bislang fast kein Recyclingpapier. Im vergangenen Jahr nutzte die Landesregierung zu 88,4 Prozent Normalpapier, obwohl sie sich 2013 unter Rot-Grün darauf verständigt hatte, den Anteil auf bis zu 10 Prozent zu senken.

Zurück zum Pressearchiv