Antrag: Versprechen halten – Gipsfrieden nicht antasten: Gipskarstlandschaft Südharz schützen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Landesregierung plant, in der Gipskarstlandschaft Südharz weitere Gebiete für den Gipsabbau freizugeben. Rund 40 Hektar sollen zusätzlich als Vorranggebiete Rohstoffgewinnung ausgewiesen werden, 10 Erweiterungsflächen sind vorgesehen. Zudem plant das Land, die strikte Ausschlusswirkung für den Gipsabbau außerhalb der Vorranggebiete aufzuheben, um weitere Möglichkeiten für Gipssteinbrüche zu eröffnen. Dies geht aus dem Änderungsentwurf zum Landesraumordnungsprogramm vor, den die Landesregierung zur Öffentlichkeitsbeteiligung vorgelegt hat.

Mit dieser Ausweitung des Gipsabbaus begeht die Landesregierung Wortbruch. Gemeinsam mit den Umweltverbänden wurden mit dem „Gipsfrieden“ von 2002 die Flächen für den Gipsabbau abschließend festgelegt. Der „Gipsfrieden“ stellt einen Kompromiss zwischen den Interessen der Industrie und den Belangen des Naturschutzes in der Gipskarstlandschaft Südharz dar. Dass dieser Kompromiss weiter Gültigkeit hat, hatte die Staatskanzlei noch im Juli 2019 in einem Schreiben an den BUND-Landesverband bestätigt. Göttingens Landrat Bernhard Reuter äußerte sich gegenüber dem Harzkurier „enttäuscht“ und „verärgert“ über das Vorgehen der Landesregierung: „Der Konflikt zwischen Natur und Wirtschaft erfordert sensibles Abwägen und differenziertes Vorgehen. Auf dieser Grundlage hatten wir 2002 einen belastbaren Kompromiss erreicht. Dahinter fällt der Entwurf des LROP zurück. Er übernimmt ungeprüft, undifferenziert und – ich muss es sagen – wider besseren Wissens Wünsche der Gipsindustrie“ [1]

Der Südharzer Zechsteingürtel ist ein Hotspot der Biologischen Vielfalt. Das Land Niedersachsen steht in der Verantwortung, diese einzigartige Naturlandschaft zu schützen. Die Gipskarstlandschaft Südharz ist von europäischer Bedeutung für den Naturschutz, auch der niedersächsische Teil ist Bestandteil des europäische Biodiversitäts-Netz Natura 2000. Dies gilt nicht nur für die ausgewiesenen Natura 2000-Gebiete. Im Sinne des Biotopverbunds sind auch Trittsteine, Korridore und Verbindungselemente zur Vernetzung der Schutzgebiete zu erhalten bzw. entwickeln.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. die Zusagen im Rahmen des sog. „Gipsfriedens“ einzuhalten. Entsprechend dürfen keine weiteren Flächen als Vorranggebiete der Rohstoffgewinnung für Gips ausgewiesen werden. Die strikte Ausschlusswirkung für den Gipsabbau außerhalb der Vorrangkulisse ist beizubehalten,
  2. das Ziel der Rohstoffeffizienz im Landesraumordnungsprogramm zu verankern, sodass primäre Ressourcen einerseits effizient eingesetzt und andererseits bestmöglich durch sekundäre Rohstoffe im Sinne einer wirksamen Kreislaufwirtschaft substituiert werden.
  3. Alternativen zu Naturgips sowie deren Einsatz in Gewerbe, Bau und Industrie zu fördern,
  4. darauf hinzuwirken, die Arbeitsplätze an bestehenden Gipsabbaustandorten langfristig zu sichern und den Betrieb auf das Recycling von Gipsprodukten umzustellen und
  5. einen Beteiligungsprozess mit den Kommunen und Akteuren der Region zu starten und die Grundlagen für ein gemeinsames UNESCO-Biosphärenreservat Südharzer Gipskarstlandschaft zusammen mit Thüringen und Sachsen-Anhalt zu schaffen.

Begründung

Die einzigartige Gipskarstlandschaft Südharz darf nicht dem Rohstoffabbau preisgegeben werden. Der vielfältige Naturraum mit kleinräumig wechselnden Standortverhältnissen beheimatet eine hohe Vielfalt an Lebensräumen, Pflanzen- und Tierarten. Die Gipskarstlandschaft ist wegen des charakteristischen Landschaftsbilds mit den typischen Elementen Erdfällen, Höhlen, Bachschwinden, Karstquellen und Dolinen, der Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz sowie für den Bodenschutz von besonderem Wert. Eine Vielzahl der für den Südharzer Zechsteingürtel charakteristischen Arten und Biotope ist selten und hochgradig gefährdet. Auch kleinflächige Erweiterungen der Vorranggebiete Rohstoffgewinnung führen zu untragbaren Konflikten mit dem Naturschutz.

Die Landesregierung begründet die Ausweisung zusätzlicher Vorranggebiete für den Gipsabbau mit dem Kohleausstieg, wodurch bis zum Jahr 2038 der sogenannte REA-Gips entfällt, der in den Rauchgasentschwefelungsanlagen der Kohlekraftwerke entsteht. Gleichzeitig geht die Landesregierung von einer gleichbleibend hohen Nachfrage nach Gips und gleichbleibenden Substitutionsmöglichkeiten (z. B. Recycling-Gips) aus und postuliert in Folge einen zunehmenden Bedarf an Naturgips-Abbau.

Die geplanten Ausweitungen des Gipsabbaus folgen einseitig den Interessen der Industrie. Eine validierte Prognose zum Gipsbedarf, Substitutionsmöglichen und Alternativen zu Naturgips hat das Land nicht vorgelegt. Ein länderübergreifender Bodenabbauplan für die Region Südharz besteht nicht. Eine differenzierte Einschätzung zu den ökologischen Folgen und der FFH-Verträglichkeit ist im Umweltbericht zum LROP nicht erkennbar.

Naturgips ist ein endlicher Rohstoff. Mit den bestehenden Abbaugenehmigungen ist Gipsabbauen bereits für weitere Jahrzehnte gesichert. Eine Ausweitung der Kulisse ist nicht erforderlich. Um die Arbeitsplätze in der Gipsindustrie langfristig zu sichern, muss eine Umstellung von Naturgips auf Recycling-Gips und andere Alternativen erfolgen.

Ein Biosphärenreservat fördert nachhaltige und naturverträgliche Wirtschaftsformen, ist ein Qualitätssiegel für den Tourismus und eröffnet neue Einkommens- und Beschäftigungschancen in der Region.

[1] Vgl. Harz-Kurier vom 2. März 2021

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