Antrag: Trinkwasserförderung an die Folgen des Klimawandels anpassen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Klimapolitik hat sich international zum Ziel gesetzt, den weltweiten Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen und damit die Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Als eine der Folgen der Klimaveränderungen wird erwartet, dass sich die Verteilung der jährlichen Niederschläge verändert und damit die Grundwasserneubildung nicht mehr in dem Umfang wie in der Vergangenheit erfolgen wird. Das als Trinkwasser und Brauchwasser nutzbare Grundwasserangebot wird dadurch in der Tendenz, wenn auch regional unterschiedlich, abnehmen. Es stehen zur Zeit mehrere wasserrechtliche Genehmigungsverfahren für große Trinkwasserentnahmen an, bei denen die Folgen des Klimawandels zu berücksichtigen sind.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. die Folgen des Klimawandels bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu berücksichtigen und bei der Nutzung von Grund- und Oberflächenwasser eine gewässereinzugsbezogene Bewirtschaftung der Wasserentnahmen sicherzustellen, die eine Nutzung der Ressource Wasser auch für künftige Generationen gewährleistet;
  2. als erforderliche Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels durch rechtliche Vorgaben sicherzustellen, dass
  • Genehmigungen zur Förderung von Trinkwasser aus Grundwasser von mehr als zwei Millionen Kubikmetern pro Jahr grundsätzlich auf fünfzehn Jahre und in Gebieten mit besonders sensiblen Grundwasserkörpern wie etwa in der Lüneburger Heide auf zehn Jahre befristet werden und
  • bei der Festsetzung der jährlich zulässigen Höchstfördermenge ein Klimaschutzabschlag von zwanzig Prozent berücksichtigt wird;
  1. den Wasserpfennig zu erhöhen und zweckgebunden für Wassereinsparmaßnahmen in Industrie, Landwirtschaft und Haushalten sowie zur Verbesserung von Qualität und Quantität des Grundwasseraufbaus einzusetzen;
  2. im Fachausschuss zu berichten, wann und in welchem Umfang aufgrund von Fortschritten bei der Umsetzung der WRRL mit erhöhten Trinkwassergewinnungsmöglichkeiten aus dem Uferfiltrat der Flüsse gerechnet werden kann.

Begründung

Bei zunehmenden, schon heute festzustellenden Starkregenereignissen fließen die Niederschläge überwiegend oberirdisch ab und tragen so nicht im notwendigen Umfang zur Grundwasserneubildung bei. Auch die prognostizierten geringeren Niederschläge in den Sommermonaten bei zunehmenden Niederschlägen in den Wintermonaten führen dazu, dass weniger Niederschlagswasser die grundwasserführenden Schichten erreicht und die Grundwasserstände sinken werden. Dadurch steht künftig weniger unbelastetes, nutzbares Grundwasser für die Trinkwasser- und Brauchwassergewinnung zur Verfügung. Gleichzeitig verändern sich durch die Klimaveränderungen die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen, verbunden mit einer absehbaren weiteren Steigerung des saisonalen Wasserverbrauchs zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen.

Südlich von Bremen soll die Genehmigung für das Wasserwerk Ristedt der Harz-Wasserwerke neu erteilt werden. Die jährliche Förderung von dreißig Millionen Kubikmeter ist beantragt. In der Nordheide, wo bisher von den Hamburger Wasserwerken jährlich fünfzehn Millionen Kubikmeter Trinkwasser gefördert wurden, soll künftig die Förderung auf 16,8 Millionen Kubikmeter heraufgesetzt werden, bei einer Laufzeit der Genehmigung von dreißig Jahren. In beiden Fällen werden von Bürgerinnen und Bürgern, Haus- und Waldbesitzern und Umweltverbänden erhebliche Schäden durch die Wasserentnahmen der vergangenen Jahrzehnte beklagt. Die Grundwasserabsenkungen hätten, so die Betroffenen, zu ökologischen Beeinträchtigungen von Fließgewässern, zu Setzungsschäden an Gebäuden und zu Trockenschäden in Wäldern geführt.

Angesichts der Diskussion um die Folgen des Klimawandels und notwendiger Anpassungsmaßnahmen werden verschiedenste Maßnahmen untersucht und auch bereits umgesetzt. So wird etwa bei der Erhöhung der Deiche und Küstenschutzbauwerke an der Nordseeküste bereits der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels als Folge der Klimaveränderungen berücksichtigt. Maßnahmen zur Sicherung der Grundwasservorkommen und künftigen Trink- und Brauchwassernutzung sind ebenfalls dringend notwendig. Aus Vorsorgegründen sind aber Beschränkungen von Genehmigungen und Erlaubnissen der Grundwassernutzung notwendig. Die Veränderungen des Wasserhaushalts als Folge des Klimawandels sind weiter zu untersuchen. Diese Notwendigkeit hat auch die Landesregierung erkannt.

Ein Ergebnis der Haushaltsklausur der Regierungsfraktionen zum Entwurf des Haushaltsplans 2010 war, dass die Notwendigkeit gesehen wurde, die wasserwirtschaftlichen Folgen des Klimawandels zu untersuchen. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

"Der Klimawandel führt auch in Niedersachsen zu wasserwirtschaftlichen Veränderungen. Mit dem Projekt "Globaler Klimawandel - Wasserwirtschaftliche Folgenabschätzung für das Binnenland (KliBiW)", sollen in den kommenden zwei Jahren im Wesentlichen die Bewertung der regionalen Klimaentwicklung, die Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt sowie eine Untersuchung der Klimawandelszenarien für das Hochwasser- und Niedrigwassermanagement ermöglicht werden. Für die Umsetzung dieses Projektes werden für 2010 und 2011 insgesamt 664.000 Euro bereitgestellt." (PM 253/2009 der CDU/FDP Fraktionen vom 17.11.2009)

Die Regierungsfraktionen sehen also auch einen dringenden Handlungsbedarf, die wasserwirtschaftlichen Problemlagen und den Wasserhaushalt als Folge des Klimawandels anzugehen.

Angesichts des zeitlichen dringenden Handlungsbedarfs, der sich aus anstehenden Genehmigungsverfahren ergibt, muss allerdings schon heute auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse gehandelt werden. Die Prognosen zu steigenden Temperaturen und zu erwartende Veränderung in der Verteilung der Niederschlagsmengen über das Jahr liegen heute bereits vor und können zur Grundlage von Genehmigungen gemacht werden. Wenn jetzt Genehmigungen zur Trinkwasserförderung erteilt werden, die über die nächsten dreißig Jahre, wie bisher üblich, die Grundwasserentnahmemengen festlegen, so ist das vor dem Hintergrund der Erkenntnisse über die Folgen des Klimawandels nicht mehr verantwortbar. Erkenntnisse aus dem Regierungsprojekt "Globaler Klimawandel- Wasserwirtschaftliche Folgenabschätzung" könnten bei heute für Jahrzehnte erteilten Genehmigungen nicht mehr berücksichtigt werden. Schon aus Vorsorgegründen müssen deshalb Genehmigungen zur Entnahme größerer Grundwassermengen auf 10 bis 15 Jahre zeitlich eng befristet und mit einem Klimawandelabschlag mengenmäßig begrenzt werden. Es erscheint sinnvoll diese Genehmigungen nach zehn bis fünfzehn Jahren zu überprüfen, die Prognosen und die ökologischen Auswirkungen festzustellen, sowie die tatsächlich in dieser Zeit eingetretenen Veränderungen des Wasserhaushalts zu berücksichtigen, um daran die Genehmigungen für die Fortsetzung der Wasserentnahmen auszurichten.

Zusätzlich zu zurückgehender Grundwasserneubildung wird nach den Prognosen der Beregnungsbedarf der Landwirtschaft steigen – vorausgesetzt die landwirtschaftliche Produktion wird wie bisher überwiegend als Intensivkultur weiterbetrieben. Eine Untersuchung des LBEG kommt zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2100 die potenzielle Beregnungswassermenge in Nordost-Niedersachsen um etwa 30% zunimmt. Dabei ist die schon heute zu beobachtende Tendenz nicht berücksichtigt, dass die Beregnung eingesetzt wird, um niederschlagsunabhängig eine landwirtschaftliche just-in-time Produktion sicherzustellen, um auf dem hart umkämpften Lebensmittelmarkt bestehen zu können.

Vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) werden erhebliche Auswirkungen des Klimawandels auf die potenzielle Beregnungsbedürftigkeit Nordost-Niedersachsens befürchtet:

"Im Nordosten Niedersachsens ist die natürliche Wasserversorgung der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen oft nicht ausreichend. Eine zusätzliche Feldberegnung ist auf vielen Ackerflächen notwendig, um den Ertrag und die Qualität zu sichern und gegebenenfalls zu erhöhen. Mit dem Klimawandel werden steigende Temperaturen und eine Veränderung in der Verteilung der Niederschlagsmengen erwartet. Um die Auswirkungen eines möglichen Klimawandels auf die landwirtschaftlichen Ackerflächen abschätzen zu können, ist die potenzielle Beregnungsbedürftigkeit bis zum Jahr 2100 berechnet worden. Bis zum Ende des Jahrhunderts ist mit einer stetig abnehmenden Klimatischen Wasserbilanz in der Hauptvegetationsperiode zu rechnen. In der Folge nimmt die potenzielle Beregnungsbedürftigkeit zu. Zusätzlich ist eine Prognose der zukünftigen potenziellen Beregnungswassermenge erstellt worden, die ergeben hat, dass die potenzielle Beregnungswassermenge bis zum Jahr 2100 im Mittel um etwa 30 % zunimmt."

Quelle: LBEG; GeoBericht 13; Mai 2009; Seite 3

Wegen der zu erwartenden Nutzungskonflikte um knapper werdende nutzbare Wasservorräte zwischen landwirtschaftlicher Beregnung, dem Wasserbedarf für Industrie und Gewerbe und dem Trinkwasserbedarf ist eine planvolle Bewirtschaftung dieser Ressource notwendig. Dabei ist auch der gute Zustand der ökologischen Systeme zu gewährleisten, der u. a. durch die Beachtung der Anforderungen der WRRL sichergestellt werden muss.

Politik ist gefordert, Regelungen zu treffen, die eine gerechte Verteilung regeln und einen sparsamen Umgang befördern.

Welche Dramatik die Wasserproblematik nicht nur für Niedersachsen und Europa, sondern weltweit in sich trägt, wird in dem Bericht des LBEG deutlich:

"Wasser ist zu einer Ressource geworden, deren Bedeutung stetig zunimmt. Wasserknappheit führt immer häufiger zu Konfliktsituationen zwischen den verschiedenen Nutzern (MÜLLER1996, RIESBECK 2007). So sind die Hauptnutzer der natürlichen Wasservorräte die Trinkwasserversorgung, die Industrie und die Landwirtschaft.

In Niedersachsen werden jährlich ca. 10 % der Grundwasserneubildungsmenge für diese Zwecke entnommen, das entspricht etwa 880 Mio. m³/a (POLLACK 1996). Der prognostizierte maximale Wasserbedarf im Untersuchungsgebiet liegt im Zeitraum 2071–2100 allein für die Landwirtschaft bei 29 % der jährlichen Grundwasserneubildung und somit deutlich über diesem Wert. Laut MÜLLER (1991) benötigt die Landwirtschaft 150–200 Mio. m³/a Beregnungswasser. Die prognostizierte potenzielle Beregnungswassermenge liegt für den Zeitraum 2071–2100 im Mittel bereits bei 300 Mio. m³/a und somit etwa doppelt so hoch.

Selbst wenn das Grundwasserdargebot für eine optimale Feldberegnung ausreichen würde, kann es zu Grundwasserabsenkungen in einigen Bereichen kommen, da die Wasserentnahme nicht gleichmäßig über den gesamten Grundwasserkörper verteilt werden kann. Eine bedeutend höhere Grundwasserentnahme als die 10 % der Grundwasserneubildung birgt zahlreiche Risiken und ist in vielen Gebieten kaum möglich. Gründe dafür sind z. B., dass die Ergiebigkeit vieler Grundwasserleiter nicht ausreichend ist. Außerdem verursacht eine Grundwasserabsenkung oft ökologische Schäden (MÜLLER 1991).

Quelle: LBEG; GeoBericht 13; Mai 2009; Seite 86

In einer Veröffentlichung des Umweltministeriums zu dieser Problematik heißt es:

"Grundwasserneubildung ist überwiegend auf den Winter beschränkt; und die Prognosen zum Klimawandel sagen für den Winter allgemein eher höhere Niederschläge vorher. Vor allem in Regionen mit gut durchlässigen Böden könnte dies trotz geringerer Niederschläge im Sommer und einer erhöhten potentiellen Verdunstung zu einem Anstieg des Dargebotes führen. Dagegen wird das Grundwasserdargebot in Regionen mit schlecht durchlässigen Böden und Böden mit geringer Speicherkapazität wahrscheinlich zurückgehen. Dies kann vor allem in heißen Sommern, in denen sich der Wasserbedarf der Vegetation zum Teil deutlich erhöht, zu Versorgungsproblemen führen. Denn insbesondere bei Böden mit geringerer Speicherkapazität und damit auch Produktivität ist eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Beregnung mit Erhöhung der Anzahl der Beregnungsgaben und einer Ausweitung der Beregnungsflächen zu erwarten. Insgesamt müssen wir also nicht davon ausgehen, dass die Grundwasserneubildung durch den Klimawandel überall in Niedersachsen sinken wird. In einigen Regionen des Landes ist jedoch mit einer mancherorts erheblichen Zunahme von Grundwasserschwankungen zu rechnen. Um diese Auswirkungen noch genauer einschätzen zu können, hat die Landesregierung ein Projekt in Auftrag gegeben, in dem der Einfluss der Klimaänderungen auf die regionale Grundwasserneubildung untersucht wird. Schwerpunkt ist hierbei die Ermittlung der Grundwasserneubildung in ihrer räumlichen und zeitlichen Variabilität sowie ökologisch wichtiger Wasserhaushaltsgrößen. Mit ersten Ergebnissen ist Ende 2009 zu rechnen; das Projekt wird im Jahr 2011 abgeschlossen."

Quelle: Struktur für eine Anpassungsstrategie in Niedersachsen, März 2009; NMU

Fraktionsvorsitzender

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