Antrag: Transformation unterstützen, Innovation fördern – Niedersachsens Automobilindustrie zukunftsfähig aufstellen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis90/Grünen

Transformation unterstützen, Innovation fördern – Niedersachsens Automobilindustrie zukunftsfähig aufstellen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Aktuell arbeiten ca. 340.000 Erwerbstätige in Niedersachsen im automobilaffinen Bereich. Dies verdeutlicht die enorme Bedeutung der Automobilitätsbranche als Wirtschaftszweig in Niedersachsen. Deshalb ist die Zielsetzung in Niedersachsen klar: der Einsatz für eine nachhaltige, faire und zukunftsweisende Mobilität.

Niedersachsen bekennt sich zu einer Mobilitätswende, die die tradierten Formen einer jahrzehntelang verankerten Verkehrspolitik kritisch hinterfragt und die Mobilität zukunftsfähig aufstellt. Ziel ist es, motorisierte Fahrten mit fossilen Brennstoffen zu vermeiden, zu verlagern und energie- sowie flächeneffizient umzugestalten. Beim klimafreundlichen Wandel der Mobilität betrachten wir deshalb das Auto nicht allein für sich, sondern immer im Zusammenspiel mit anderen Mobilitätsformen. Im Bereich des Individualverkehrs kommt der Elektromobilität die Rolle einer Schlüsseltechnologie zu auf dem Weg zu einem emissionsfreien PKW-Verkehr. Längst haben sich Automobilkonzerne wie der Volkswagenkonzern auf den Weg gemacht, den Abschied vom Verbrennungsmotor mit fossilen Brennstoffen einzuläuten und am Weltmarkt mit batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen zu bestehen. Die Vorgaben der EU, ab 2035 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, bilden dazu einen festen Rahmen, der zugleich eine große Herausforderung darstellt. Denn schließlich bedarf es nicht nur erheblicher Anstrengungen in der Entwicklung neuer, markttauglicher und preislich attraktiver Modelle im BEV-Segment, sondern auch des zügigen Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Verstärkung der Stromnetze und eines weiteren Ausbaus der Ladeinfrastruktur.

Gerade im Bereich der notwendigen Infrastruktur wird deutlich, dass Automobilhersteller und Zulieferer die großen Herausforderungen im Bereich der klimaschonenden Transformation der Automobilwirtschaft nicht ohne politische Unterstützung und die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen stemmen können. Grundsätzlich ist zudem der Abschied von Errungenschaften der Vergangenheit oft unbeliebt und wird von den Betroffenen als Risiko wahrgenommen. Dieses darf gerade in Bezug auf die vielen niedersächsischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Automobilbranche nicht unterschätzt werden. Neben den Automobilherstellern kommt den zahlreichen Unternehmen der Automobilzulieferindustrie in Niedersachsen eine zentrale Rolle zu, wenn es um die zukünftige strategische Ausrichtung ihrer Betriebe und die damit verbundenen Investitionsentscheidungen für Zukunftstechnologien und neue Geschäftsmodelle geht. Dabei kommt der rechtzeitigen Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – auch hinsichtlich der Frage möglicher Bedarfe für Fortbildung und Qualifizierung – eine besondere Bedeutung zu. Umso wichtiger ist der niedersächsische Schulterschluss der Sozialpartner im Bereich der Transformation. Nur wenn Betriebsräte, Gewerkschaften, Unternehmen und Verbände an einen Strang ziehen, kann die Transformation gelingen. Diesen Weg gilt es für uns weiterhin landespolitisch zu unterstützen und zu fördern.

Besonders hervorzuheben ist auch unsere niedersächsische Forschungslandschaft im Bereich der Mobilität. Sowohl in den Bereichen der Batterieforschung, der Energiespeicherung, der Zirkularität und des Leichtbaus als auch des autonomen und vernetzten Fahrens wird in niedersächsischen Instituten und Kooperationen Spitzenforschung betrieben, die wichtige Ergebnisse für das Gelingen der automobilen Transformation liefert. Deshalb gilt es, das erfolgreiche Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken und auszubauen.

Der Landtag stellt fest:

  1. Die Automobilwirtschaft ist Kernbestandteil der deutschen und insbesondere niedersächsischen Wirtschafts- und Wissenschaftsstrategie.
  2. Die bisherigen Anstrengungen der Landesregierung zur Stärkung der Elektromobilität und der Wasserstoffwirtschaft in Niedersachsen haben die erfolgreiche Entwicklung maßgeblich unterstützt und sollten weiterhin intensiv vorangetrieben werden.
  3. Niedersachsen ist auch zukünftig auf Individualverkehr angewiesen und muss die dafür notwendigen Rahmenbedingungen weiterhin bereitstellen.
  4. Mobilität ist ein Grundrecht und damit Kernaufgabe staatlicher Strukturen.
  5. Ein klimaneutraler Individualverkehr ist essentiell für das Erreichen der Klimaziele.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. ihr Konzept zur Mobilitätsstrategie zu erarbeiten und anschließend schnellstmöglich vorzustellen und umzusetzen,
  2. den größtmöglichen Teil der Wertschöpfungskette der Herstellung batterieelektrischer Fahrzeuge weiterhin in Niedersachsen zu erhalten und auszubauen,
    1. Dies gilt für bestehende Produktionsstandorte und die mögliche Ansiedlung neuer Unternehmen, wobei insbesondere der Aspekt der Kreislaufwirtschaft in den Bereichen Recycling von Batterien und Kunststoffen in Fahrzeugen ausgebaut werden soll,
  3. in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften die Transformation der Automobilindustrie auch für die Beschäftigten verträglich und zukunftsfähig zu gestalten,
  4. den für den Umbau der Elektromobilität notwendigen Netzausbau in Niedersachsen weiter intensiv voranzutreiben,
  5. die Forschung und praktische Umsetzung des autonomen Fahrens der Stufe 4 unter Berücksichtigung des dazugehörigen Ausbaus der Digitalisierungsstrukturen ebenfalls zu intensivieren,
    1. hierzu so zeitnah wie möglich Modellprojekte zu initiieren,
    2. in Zusammenarbeit mit den Anbietern des ÖPNV und SPNV zu prüfen wie autonomes Fahren der Stufe 5 (ohne menschlichen Fahrer) innerhalb der nächsten Jahre in den laufenden Busverkehr implementiert werden kann,
  6. zu prüfen, wie in Niedersachsen ausgebildete hochqualifizierte Fachkräfte im Automobilsektor in Niedersachsen gehalten und weitergebildet werden können,
  7. den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen wie E-Fuels weiterhin zu ermöglichen, jedoch einen klaren Fokus auf Elektromobilität als langfristige Zukunftstechnologie im PKW-Individualverkehr zu legen,
  8. die Forschung im Bereich Batterieeinsatz und Energiespeicherung weiter voran zu treiben,
  9. zu prüfen, wie der Forschungsbereich weiterer CO2 – neutraler Antriebstechnologien verstärkt werden kann,

Der Landtag bittet die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass

  1. ein bundesweiter Transformationsfonds gebildet wird, der unter umwelt- und sozialpolitischen Standards zukunftsfähige emissionsfreie Technologien besonders fördert und insbesondere Automobilzulieferer bei der Transformation zu alternativen Antrieben und digitalen Geschäftsmodellen finanziell unterstützt,
  2. weitere Förderprogramme für öffentliche und nicht-öffentliche Ladeinfrastruktur initiiert und ausgeweitet werden,
  3. eine Förderung von öffentlicher Ladeinfrastruktur (im Sinne von „Laden statt Tanken“) in Ballungsräumen beziehungsweise Gebieten mit Mehrfamilienhausbebauung geprüft und umgesetzt wird,
  4. die Ladeinfrastruktur im Bereich der Elektromobilität massiv ausgeweitet wird,
    1. hierfür bestehende Genehmigungsverfahren insbesondere für sogenannte Nebenanlagen von Ladeinfrastruktur (z.B. Transformatoren, Pufferspeicher) sowie im Geltungsbereich des Bundesfernstraßengesetzes deutlich zu verschlanken,
    2. insbesondere den Ausbau von Schnellladesäulen zu verstärken,
  5. vor dem Hintergrund der massiven Aufgabenstellungen auch in der Mobilitätswende eine investitionsorientierte Weiterentwicklung der Schuldenbremse geprüft wird,
  6. der Bereich des autonomen Fahrens auf Bundesebene einheitlich vorangetrieben wird.

 

Begründung

Die Automobilitätsbranche macht einen signifikanten Anteil an der Wirtschaftsstruktur Niedersachsens aus – Sie ist eindeutig die niedersächsische Kernindustrie und der größte Jobmotor. Um den Herausforderungen im Bereich der Mobilität gerecht zu werden und die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele einer nachhaltigen, fairen und zukunftsweisenden Mobilität zu erreichen, ist es notwendig, eine klare politische Strategie zu verfolgen.

Die Mobilitätswende in Niedersachsen sollte tradierte Formen der Verkehrspolitik überdenken und motorisierte Fahrten mit fossilen Brennstoffen reduzieren. Die Transformation zielt darauf ab, umwelt- und flächeneffiziente Mobilitätsangebote zu schaffen, um die Bevölkerung zum Umstieg auf den Umweltverbund zu bewegen. Mobilität ist als Grundrecht und Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, persönliche Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung zu betrachten.

Die Weiterentwicklung und schrittweise Implementierung von autonomem Fahren kann als Möglichkeit der Weiterentwicklung der Mobilität insgesamt gesehen werden. Hierzu sollte die Schuldenbremse vor dem Hintergrund der Mobilitätswende überprüft, hochqualifizierte Fachkräfte im Automobilsektor gehalten, synthetische Kraftstoffe ermöglicht und die Forschung im Bereich Batterieeinsatz und Energiespeicherung vorangetrieben werden.

Die Ausschreibung eines bundesweiten Transformationsfonds, die Initiierung und Ausweitung von Förderprogrammen für Wallboxen sowie die massive Ausweitung der Ladeinfrastruktur im Bereich Elektromobilität sind für ein Gelingen der Mobilitätswende essentiell. Dabei sollten auch die Genehmigungsverfahren verschlankt und der Ausbau von Schnellladesäulen verstärkt werden. Einheitliche Fortschritte im Bereich des autonomen Fahrens auf Bundesebene werden ebenfalls gefordert.

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