Antrag: Stallbrände mit Tausenden toten Tieren endlich verhindern: Brandschutzkonzepte umsetzen, Tiere effektiv schützen, Feuerwehren entlasten

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Ende März sind bei einem Brand in der Schweinezuchtanlage in Alt Tellin in Mecklenburg-Vorpommern knapp 50.000 Tiere verendet. Von den in der Anlage gehaltenen Sauen und Ferkeln konnten laut Angaben der Betreiber gerade einmal 1.300 gerettet werden. Die Sauenrettung war auch aufgrund der Kastenstände und Abferkelkörbe nicht möglich.

Immer wieder kommt es auch in niedersächsischen Tierhaltungsanlagen zu Bränden. Eine Evakuierung der Tiere gestaltet sich äußerst schwierig, sodass regelmäßig Hunderte (bei Geflügel sogar Tausende) von Tieren qualvoll verenden.[1] Bei einem Brand in Essen (Landkreis Oldenburg) sind im Mai 2019 1500 Schweine gestorben und im Juli 2019 verendeten bei einem Brand in Neuenkirchen-Vörden (LK Vechta) 86.500 Legehennen.[2] Im Januar 2020 kamen 5.000 Hühner bei einem Stallbrand in Nordholz (LK Cuxhaven) ums Leben, und im August 2020 starben bei einem schweren Hofbrand in der Gemeinde Hesel im Landkreis Leer 50 Rinder,[3] um nur einige Stallbrände zu nennen.

Immer wieder muss die Feuerwehr außerdem ein Hauptaugenmerk auf den Schutz angrenzender Gastanks und Biogasanlagen legen. Im August 2020 verendeten bis zu 1.200 Schweine bei einem Feuer auf dem Versuchsgut der Universität Göttingen (LK Northeim). Etliche verletzte Tiere mussten von Veterinären notgetötet werden. Zusätzlich musste die Feuerwehr mit großem Aufwand das Übergreifen auf die angrenzende Biogasanlage verhindern.[4] Auch in Friesoythe (LK Cloppenburg) musste die Feuerwehr bei einem Brand, bei dem im September 900 der 1000 im Stall untergebrachten Schweine starben, zwei anliegende Biogasanlagen schützen.[5] Im November 2020 brannte eine Hühnerfarm bei Lutter (LK Goslar). In diesem Fall musste die Feuerwehr das Übergreifen der Flammen auf einen benachbarten Gastank verhindern. Zusätzliche Schwierigkeiten bereitete zudem die unzureichende Löschwasserversorgung auf dem abgelegenen Hof.[6]

Große Stallanlagen erfüllen häufig nur die Mindestanforderungen für freistehende landwirtschaftliche Betriebsgebäude ohne Aufenthaltsräume und nutzen die Möglichkeiten für übergroße Brandabschnitte. Fehlende vorbeugende Brandschutzmaßnamen und Evakuierungsmöglichkeiten der Tiere stehen in Konflikt mit Artikel 20 a des Grundgesetzes, der das Staatsziel Tierschutz formuliert.

Auch vor dem Brand gerettete Tiere werden in der Regel notgetötet und nicht mehr verwertet.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. für alle bestehenden großen Tierhaltungsanlagen in Niedersachsen - die nach BImschG genehmigungspflichtig sind sowie solche Ställe, die nur knapp unterhalb der durch die 4. BImschV vorgegebenen Grenzwerte liegen - Brandschutzvorkehrungen und -konzepte einzufordern und für deren Umsetzung eine angemessene Frist einzuräumen. Dabei muss auch die nach § 14 NBauO vorgeschriebene mögliche Rettung der Tiere im Brandfall gewährleistet sein.
  2. eine Verordnung auf den Weg zu bringen, die auf der Grundlage von § 51 NBauO für alle neuen großen Tierhaltungsanlagen schärfere Mindestanforderungen an den Brandschutz vorschreibt und sich dabei am Regelstandard der Region Hannover orientiert. Vorzuschreiben ist unter anderem:
    • automatische Brandmeldeanlagen mit direkter Rufweiterleitung an die entsprechende Einsatzleitstelle
    • eine gesicherte Löschwasserversorgung
    • eine Feuerwiderstandsdauer für alle tragenden und aussteifenden Bauteile, einschließlich des Dachtragwerks sowie von Innenverkleidungen und abgehängten Decken von mind. F 30
    • automatisch auslösende Rauch- und Wärmeabzugsanlagen
    • automatisch auslösende, breite Fluchttüren mit einem maximalen Abstand von 25 Metern
    • je eine Fluchttür ins Freie für jeden Stallgang bei Ställen mit Boxen oder Buchten
    • die regemäßige Überprüfung aller elektrischen Anlagen durch eine*n Sachverständige*n alle zwei Jahre
    • eine Blitzschutzanlage
    • ein Einsatzplan und die örtliche Einweisung der zuständigen Feuerwehr(en)
    • ein Alarmierungs- und Einsatzplan sowie eine örtliche Einweisung der zuständigen Veterinär*innen. Der Einsatzplan soll dabei sowohl Vorkehrungen für die Versorgung geretteter Tiere als auch für möglicherweise notwendige Nottötungen verletzter Tiere beinhalten.
    • Abschaltvorrichtungen für PV-Anlagen außerhalb des Stalls (soweit vorhanden)
    • Einrichtung eines „Rettungspferchs“, einem ausreichend großen, eingezäunten Evakuierungsbereich außerhalb des Stalls
  3. bei den Prüfungen bestehender Großställe speziell auch die Lüftungsanlagen sowie auf den Dächern angebrachte Solaranlagen zu überprüfen, um technische Defekte bzw. ein Heißlaufen der Lüftungsanlagen als mögliche Brandursachen auszuschließen
  4. bei der Entwicklung von Brandschutzkonzepten die tierartspezifischen Flucht- und Verhaltensmechanismen zu berücksichtigen
  5. eine tierartspezifische Obergrenze für die Anzahl von Tieren pro Brandabschnitt einzuführen und Bau- und Betriebsgenehmigung für Tierhaltungsanlagen an diese zu koppeln
  6. das Verwertungsverbot für gerettete Tiere zu prüfen, um Möglichkeiten zu schaffen, die geretteten Tiere weiter zu halten, so dass wirtschaftliche Zwänge nicht einer Tierrettung entgegenstehen.

Begründung

Die Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) sowie deren Durchführungsbestimmung definieren Mindeststandards für vorbeugende Brandschutzmaßnahmen an baulichen Anlagen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 der NBauO „dürfen Leben, Gesundheit sowie die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere nicht bedroht werden“. § 14 NBauO schreibt zudem vor, dass der Entstehung eines Brandes sowie der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt werden müssen und neben der Rettung von Menschen die Evakuierung der Tiere gewährleistet werden muss. Darüber hinaus ist der Tierschutz bereits seit 20 Jahren als Staatsziel im Grundgesetz verankert (Art. 20 a GG).

Die häufigen und oftmals verheerenden Brände in großen Tierhaltungsanlagen zeigen die erheblichen Schwierigkeiten dieser Anlagen mit Blick auf bauliche und präventive Brandschutzvorkehrungen auf.

Aufgrund ihrer oftmals abgeschiedenen Lage mit Abstand zu Ortslagen (Immissionsschutz) sowie den automatisierten Betriebsabläufen werden Brände oftmals erst mit Verspätung erkannt und die Alarmierung der Feuerwehr erfolgt mit Verzögerung. Darüber hinaus erfüllen großen Stallanlagen oftmals nur die Mindestanforderungen für freistehende landwirtschaftliche Betriebsgebäude (z.B. Decken ohne jegliche Feuerwiderstandsdauer) und weisen große Brandabschnittsgrößen auf. Damit zeichnen sich solche Stallgebäude aufgrund ihrer Bauweise insgesamt durch eine geringe Feuerwiderstandfähigkeit aus. Feuerwehrkräfte können Gebäude ohne ausreichend brandwiderständige Decken zum Beispiel wegen der Einsturzgefahrgar nicht oder zu kurz betreten. Stallanlagen sind zudem oftmals so angeordnet, dass ein Übergreifen eines Brandes auf angrenzende Ställe nicht verhindert werden kann. Die räumliche Nähe zu Güllespeichern sowie Biogasanlagen stellt darüber hinaus eine weitere Herausforderung für die Feuerwehren dar. Die Fokussierung auf die Tierrettung gerät dabei oftmals in Konflikt mit dem notwendigen Eigenschutz der Einsatzkräfte und muss diesem untergeordnet werden. Auch die aus brennenden Ställen gerettete Tiere binden zusätzlich Kapazitäten der Rettungskräfte, wenn kein gesicherter Evakuierungsbereich existiert. Eine große Anzahl umherirrende Tiere – dies haben Vorfälle kürzlich gezeigt – kann die Löschangriffe erheblich behindern.

Mit Blick auf Schweinehaltungs- und Mastanlagen ist die Entwicklung von Evakuierungskonzepten erforderlich, da diese ihren Stall in der Regel nicht selbstständig verlassen. So kommt es immer wieder zu Stallbränden, bei denen alle oder zumindest ein großer Teil der Tiere zu Tode kommt. Insbesondere in Kastenständen und Abferkelkörben fixierte Sauen sind bei Bränden dem Feuertod geweiht.

Die regelmäßigen Brände in großen Stallanlagen geben daher Anlass, die Anforderungen an den präventiven Brandschutz zu verschärfen und die Bedingungen für die Feuerwehr im Brandfall zu verbessern. Kleinere Ställe mit weniger Tieren sind aus Gründen des Brandschutzes unumgänglich.

[1] Vgl. Antwort der Landesregierung auf die Anfrage Drs. 18-3312.

[2]https://www.noz.de/lokales/samtgemeinde-artland/artikel/1751548/schweinestall-in-essen-oldenburg-abgebrannt-1500-schweine-verendet ; https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Verheerendes-Feuer-in-Huehnerstall-80.000-Tiere-verendet

[3]https://www.nord24.de/blaulicht/Nordholz-5000-tote-Huehner-nach-Feuer-in-Maststall-35676.html ; https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Hof-in-Hesel-brennt-50-Rinder-sterben,hesel138.html

[4]https://www.landundforst.de/landwirtschaft/tier/grossbrand-versuchsgut-uni-goettingen-562762

[5]https://www.sn-online.de/Nachrichten/Der-Norden/Friesoythe-Stall-mit-1000-Ferkeln-brennt-900-Schweine-sterben

[6]https://www.goslarsche.de/lokales/goslar_artikel,-feuer-in-der-h%C3%BChnerfarm-bei-lutter-gel%C3%B6scht-_arid,1535870.html

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