Antrag: Schutz für Kinder in den sozialen Medien stärken – Gefahren des Influencer-Marketings entschlossen begegnen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Soziale Medien sind aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Auch in Familien spielen diese eine immer größere Rolle. Millionen Menschen posten Bilder und Videos in sozialen Netzwerken, in denen auch ihre Kinder zu sehen sind (so genanntes „Sharenting“). Die Freude und Stolz über die eigenen Kinder will mit Verwandtschaft und Freund*innen geteilt werden. Über mögliche Risiken und Gefahren des Teilens von Bildern und Videos von Kindern wird dagegen oftmals heftig gestritten. Unstrittig ist: Eltern wollen ihre Kinder schützen, sind sich aber möglicher Folgen und Gefahren in sozialen Netzwerken nicht immer bewusst.

Neben diesem privaten Gebrauch sozialer Medien zum Teilen des Familienlebens, existiert auch ein großer kommerzieller Markt. Familieninfluencer*innen teilen ihren Familienalltag mit ihren Follower*innen, geben Einblicke und Tipps – und vermarkten Produkte. Influencer-Marketing ist ein weltweites Geschäft, hinter dem tausende Unternehmen stehen, die ihre Produkte vermarkten, und tausende Agenturen, die Werbekunden vermitteln sowie Influencer*innen vertreten und beraten. Die Kinder der Familieninfluencer*innen spielen dabei eine wesentliche Rolle: Ohne sie funktioniert das Geschäftsmodell nicht. Terre des hommes hat in seinem Kinderarbeitsreport 2024 die Arbeit von Familieninfluencer*innen untersucht und dabei hohe Risiken für Kinder, die an der Content-Erstellung von Familieninfluencer*innen beteiligt sind, aufgezeigt. Nach Einschätzung der Organisation können Kinder hier massiven Risiken ausgesetzt sein: Schädigung ihrer Entwicklung, Risiko einer Bindungs- und Beziehungsstörung, Gefährdung ihrer Sicherheit, Verletzung ihrer Privat- und Intimsphäre. Ein Dossier des deutschen Kinderhilfswerks zeigte zudem bereits 2019 ähnliche Gefahren und Risiken von Kinderinfluencer*innen auf.

Die Berichte, aber auch die immer größere Verbreitung und kommerzielle Bedeutung von Influencing in sozialen Medien zeigt Handlungsbedarf zum Schutz von Kindern im Netz auf, sowie Regelungsbedarf zum Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung von Kindern im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention auf.

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung:

  1. Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass
    • Arbeitsfelder wie Influencing explizit in § 6 Absatz 1 Jugendarbeitsschutzgesetz aufgenommen werden und in diesem Zuge auch geprüft wird, inwiefern die Aufnahme einer notwendigen pädagogischen Begleitung in § 6 Absatz 3 JArbSchG sinnvoll ist;
    • Unternehmen, Vereine und Agenturen bei Kooperationen mit Influencer*innen (gesetzlich) verpflichtet werden, entsprechende Ausnahmegenehmigungen im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes einzuholen, sofern Kinder bei der Erstellung des Werbeinhalts beteiligt sind. Ausnahmen für unter 3-jährige sollen dabei weiterhin ausgeschlossen bleiben;
    • rechtliche Regelungen getroffen werden, damit Eltern, analog zur Regelung in Frankreich, eine behördliche Erlaubnis für die Tätigkeit als Familieninfluencer*in einholen müssen sowie einen Teil der Einnahmen auf ein Konto für das Kind hinterlegen müssen;
    • rechtliche Regelungen getroffen werden, die sicherstellen, dass keine Beiträge von kommerziell arbeitenden Familieninfluencer*innen zugelassen werden, welche die Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen verletzen oder ihre persönliche Sicherheit gefährden.
  2. In Abstimmung mit den zuständigen Gewerbeaufsichtsämtern und den kommunalen JugendämternStrategien zu entwickeln, wie die Einhaltung der bestehenden Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes im Bereich Influencer Marketing kontrolliert werden können;
  3. Dabei zu prüfen, inwiefern durch eine bundeslandübergreifende Kooperation Ressourcen und spezifische Kenntnisse gebündelt werden können, um eine effektive Durchsetzung der Rechtslage zu ermöglichen;
  4. Eine Aufklärungskampagne insbesondere in den sozialen Medien zu initiieren, um über die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes aufzuklären. Innerhalb einer solchen Kampagne außerdem über die Gefahren der Verbreitung von auch harmlosen Bildern aus Sozialen Netzwerken auf pädokriminellen Plattformen aufzuklären.

Begründung

Kinderarbeit gilt in Deutschland und Europa als weitgehend abgeschafft; sie ist hierzulande gemäß Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) verboten. Behördliche Ausnahmen betreffen die Teilnahme von Kindern unter 13 Jahren etwa an Theaterauftritten oder Musikaufführungen „und anderen Aufführungen, bei Werbeveranstaltungen sowie bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträgern sowie bei Film- und Fotoaufnahmen“ (JArbSchG §6). Sowohl Umfang als auch Umsetzung sind dort klar geregelt: Die Beteiligung von Gewerbeaufsichtsamt und auch des Jugendamtes sind klar geregelt, bis hin zu obligatorischen ärztlichen und schulischen Gutachten. Für Kinder unter drei Jahren sind keine Ausnahmegenehmigungen möglich.

Für erfolgreiche Influencer*innen ist ihre Tätigkeit ein Vollzeitjob: Sie müssen planen, arrangieren, aufnehmen, schneiden, posten, Kommentare verwalten, mit Agenturen und Werbekunden verhandeln, Posts zur Abnahme vorlegen und möglicherweise ändern. Beiträge für Instagram und YouTube müssen wegen unterschiedlichen Bildformaten getrennt aufgenommen werden. Kinder-Influencer*innen und die Kinder von Familieninfluencer*innen müssen vor einem Dreh gekleidet, frisiert und angeleitet werden. Szenen müssen eventuell wiederholt werden. Die tatsächliche Zeit, die Kinder für einen Post aufwenden müssen, kann von außen nur geschätzt werden. Die Arbeit der Familieninfluencer*innen und ihrer Kinder macht jedoch deutlich, dass Arbeitszeiten, wie sie etwa für Kinder bei Theater-, Musik- und Filmproduktionen gelten, häufig und deutlich überschritten werden. Ziel ist es daher, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die die Einhaltung des Jugendarbeitsschutzes im Bereich Influencer Marketing sicherstellen.

Die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen in Social Media wäre von den Arbeitgebenden, in diesen Fällen auch häufig die Personensorgeberechtigten, zu beantragen. Den Arbeitsschutzbehörden sind somit nur die Fälle bekannt, in denen entsprechende Anträge gestellt und ggf. Ausnahmen erteilt wurden. Derzeit erfolgt weder die Antragsstellung, noch die Überprüfung auf entsprechende mögliche informelle Arbeitsverhältnisse nicht systematisch. Indem Aufklärung betrieben wird, aber auch Eltern und Unternehmen gesetzlich in die Pflicht genommen werden, kann diese Lücke geschlossen werden – denn weder Selbstverpflichtungen der Werbeindustrie noch Richtlinien der sozialen Medien und Plattformen zeigten bislang Wirkung.

Vorbild kann dabei eine entsprechende Regelung aus Frankreich sein: Dort gibt es seit 2020 spezifische gesetzliche Regelungen zum Schutz von Kindern, die in sozialen Medien als Influencer*innen tätig sind. Die Gesetze zielen darauf ab, Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung zu schützen und stellen sicher, dass ein Großteil ihres Einkommens auf ein Sperrkonto eingezahlt wird, auf das sie erst bei Volljährigkeit zugreifen können. Eltern (und Unternehmen) müssen eine Genehmigung einer lokalen Behörde einholen, bevor sie Videos von Kindern unter 16 Jahren zu kommerziellen Zwecken veröffentlichen dürfen. Verstöße gegen diese Regelungen können Geldstrafen bis zu 75.000 Euro und Haftstrafen von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Da Eltern für die Arbeit als kommerzielle Influencer*innen sowieso ein Gewerbe anmelden müssen, wäre eine entsprechende Regelung auch in Deutschland umsetzbar.

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