Antrag: Schutz der niedersächsischen Saatzuchtflächen garantieren!

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 19.10.04

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest:
- durch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, die artüberschreitendes Erbgut enthalten, sind die Saatzucht und die Vermehrung von Saatgut vor ein neues Problem gestellt. Erbgut, vor allen Dingen von Nutzpflanzen, deren biologische Vermehrung von Insekten und Wind abhängig ist, kann durch Einkreuzung des gentechnisch veränderten Erbmaterials grundlegend verändert werden;
- diesem neuartigen Problem muss vorsorglich mit einem adäquaten Lösungskonzept begegnet werden.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein Konzept zum Schutz der niedersächsischen Saatzuchtflächen vor Auskreuzungen gentechnisch veränderter Nutzpflanzen zu entwickeln und umzusetzen. Dabei muss geprüft werden
- ob die Errichtung geschlossener Anbaugebiete für die Erzeugung von Saatgut nach § 29 Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) ein geeignetes Instrument darstellt und ob damit auch Vermehrungsflächen zu schützen sind oder
- ob das Sorten- und Saatgutrecht sowie das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) einer Novellierung zu unterziehen sind, mit dem Ziel, traditionelle Formen der Saatzucht vor den Erbeigenschaften dieser neuartigen Pflanzen zu schützen.

Begründung
Auch wenn der Grenzwert für unbeabsichtigte, technisch unvermeidliche Verschmutzungen mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) bei Saatgut von der EU-Kommission noch nicht festgelegt und das deutsche Gentechnikgesetz sich noch im Vermittlungsausschuss befindet, sind Überlegungen zum Schutz der Saatgutflächen in Niedersachsen aus Vorsorgegründen erforderlich. Die Tatsache, dass ein hohes Auskreuzungspotential bei Pflanzen- und Nutzpflanzen besteht, deren biologische Vermehrung über Insekten und Wind erfolgt, ist wissenschaftlich belegt. Bereits in den Jahren 1995 bis 1999 haben verschiedene Institutionen in mehreren Bundesländern, darunter das Niedersächsische Landesamt für Ökologie, beim Monitoring von GVO-Pflanzen dies festgestellt und dokumentiert. Vgl. hierzu: Feldmann, S., (2000): Begleitforschung zur Freisetzung herbizidresistenter, transgener Rapspflanzen 1995-1999, Niedersächsisches Landesamt für Ökologie. Nachhaltiges Niedersachsen - Dauerhaft umweltgerechte Entwicklung 13, und Umweltbundesamt (2003) Konzeptionelle Entwicklung eines Monitorings von Umweltwirkungen transgener Kulturpflanzen, Teil 1 und 2, UBA-Texte 50/2003.
Diesem Problem muss aus mehreren Gründen insbesondere bei der Saatgutproduktion wirkungsvoll begegnet werden.
- Es bestehen in der EU gesellschaftliche Vereinbarungen darüber, dass sich das GVO-Erbmaterial nicht unkontrolliert verbreiten darf. Zu diesen gesellschaftlichen Vereinbarungen gehört die Gentechnikfreiheit der Produktionsverfahren des Biologischen Anbaus, geregelt in der EU-Verordnung (EU-VO) Nr. 2092/91. Dazu gehört außerdem die Anerkennung von Koexistenz und Wahlfreiheit in den Leitlinien der Kommission zur Koexistenz vom 29.7.03 sowie die EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG, geändert durch die Lebens- und Futtermittelverordnung (VO) 1829/2003, Art. 43. In diesem Artikel wird die Einfügung des Art. 26a in die EU-Freisetzungsrichtlinie verfügt, der sich mit Maßnahmen zur Verhinderung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in anderen Produkten befasst. Wortwörtlich lautet der Art. 26a in seinem Absatz (1): "Die Mitgliedstaaten können die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu verhindern."
- Auch das bereits vom Deutschen Bundestag verabschiedete, novellierte Gentechnikgesetz, das die nationale Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie ist und sich derzeit im Vermittlungsausschuss befindet, stellt eine solche gesellschaftliche Übereinkunft dar, mit der die unkontrollierte Verbreitung von pflanzlichem GVO-Erbmaterial verhindert werden soll.
- Saatgut ist die Qualitätssicherung von morgen und stellt mit seiner Flaschenhalsfunktion die Weichen für die gesamte Nutzpflanzenproduktion. Seine große ökonomische Bedeutung ist auch in Niedersachsen erheblich. Die Saatzuchtflächen in Niedersachsen betragen (einschließlich Vermehrung, deren Ergebnis das dann von den Landwirten ausgebrachte Zertifizierte-Saatgut ist) ca. 30 000 Hektar (ha). Davon entfallen ca. 1 000 ha auf den besonders kreuzungsgefährdeten Raps. Von einer Ausweitung dieser Fläche kann ausgegangen werden, denn die Verarbeiter biologisch erzeugter Produkte fragen verstärkt Biorapsoel nach, was in Niedersachsen bereits zu einer Ansprache und Schulung von Biolandwirten geführt hat, mit dem Ziel, die Anbaufläche für Bioraps zu erweitern.
Es ist nahe liegend, bei der Entwicklung einer Schutzkonzeption für Saatgut vor GVO, an bestehende Gesetze anzuknüpfen, die den verantwortlichen Umgang mit Saatgut (SaatG) und die Qualitätssicherung von Nutzpflanzen (PflSchG) regeln. Zumal diese Gesetze auch Ermächtigungsklauseln für die Länder beinhalten.


Fraktionsvorsitzender


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