Antrag: Schäden für Mensch und Natur nicht absehbar – Nutzen nicht erkennbar – Kosten nicht überschaubar: Deshalb kein Einvernehmen zur Elbvertiefung

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest, dass durch die geplante weitere Vertiefung der Außen- und Unterelbe erhebliche negative Auswirkungen auf den Hochwasserschutz insbesondere die Deichsicherheit in der Elbregion und die Wasserwirtschaft insbesondere die zunehmende Versalzung von Grund- und Oberflächenwasser sowie die Ökologie des Flusses zu erwarten sind. Die Natur setzt Grenzen; der Fluss kann nicht beliebig weiter ausgebaggert werden. Zudem kann das Ziel, die deutschen Seehäfen für gestiegene Anforderungen des Schiffsverkehrs und einen steigenden Hafenumschlag zu ertüchtigen, durch eine bessere Kooperation der deutschen Seehäfen erreicht werden.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

eine weitere Elbvertiefung abzulehnen. Es sind alle Möglichkeiten mit dem Ziel auszuschöpfen, das Einvernehmen des Landes im laufenden Planfeststellungsverfahren für die beantragte Elbvertiefung zu verweigern. Das Land wäre von den Auswirkungen der geplanten Elbvertiefung in Hinsicht auf die Wasserwirtschaft, die Landeskultur und die Ökologie des Flusses in nicht hinnehmbarer Weise negativ betroffen. Mit der erneuten Ausbaggerung der Elbe wäre eine Verschiebung der Brackwasserzone verbunden, die zu schwerwiegenden Versalzungen von Grund- und Oberflächenwasser führen würde und die Versorgung des Obstanbaugebietes "Altes Land" mit Süßwasser gefährden könnte. Eine zu erwartende Verschiebung der Brackwasserzone um bis zu dreizehn Kilometer flussaufwärts könnte zudem in nicht hinnehmbarer Weise die Ziele der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL) und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an der Elbe gefährden.

Der Landtag fordert die Landesregierung ferner auf,

auch deshalb kein Einvernehmen für eine neue Elbvertiefung zu erteilen, um zu verhindern, dass wie bei der kürzlich genehmigten Weservertiefung negative Folge dieses Eingriffs in das Flusssystem für die Landwirtschaft über den Landeshaushalt ausgeglichen werden sollen. Die Folgekosten für die Aufrechterhaltung des Obstanbaus im Alten Land könnten nach vorläufigen Abschätzungen bis zu 150 Millionen Euro betragen.

Begründung

Seit 2002 ist eine Elbvertiefung geplant, mit der einer Fahrrinnenanpassung auf 15,9–17,1 Meter unter Seekartennull (SKN) erreicht werden soll. Diese erneute Elbvertiefung soll Schiffen mit einem Tiefgang bis 13,5 Metern tideunabhängig und bis 14,5 Metern tideabhängig die Zufahrt zum Hamburger Hafen ermöglichen. Die geplante Elbvertiefung hat erhebliche Beeinträchtigungen von Gebieten zur Folge, die nach der europäischen Flora, Fauna und Habitat-Richtlinie geschützt sind.

Die Elbe ist in den letzten 200 Jahren immer wieder vertieft worden. Folgende Vertiefungen wurden vorgenommen:

1818 bis 1825 auf SKN ?3,5 m entspricht NN ?5,4 m

1850 bis 1862 auf SKN ?4,8 m entspricht NN ?6,7 m

1909 bis 1910 auf SKN ?7,5 m entspricht NN ?9,4 m

1922 bis 1937 auf SKN ?9,5 m entspricht NN ?11,4 m

1957 bis 1964 auf SKN ?10,5 m entspricht NN ?12,4 m

1964 bis 1969 auf SKN ?11,5 m entspricht NN ?13,4 m

1974 bis 1978 auf SKN ?13,0 m entspricht NN ?14,9 m

1991 bis 1999 auf SKN ?14,9 m entspricht NN ?16,8 m

(SKN = Seekartennull; NN = Normalnull)

Die achte Elbvertiefung wurde ab 1991 geplant und von 1998 bis 1999 umgesetzt, das Ergebnis war eine Fahrrinnentiefe von 12,9 m SKN oder 16,8 m NN. Seitdem können Containerschiffe die Elbe tideunabhängig bis zum Hamburger Hafen mit einem Süßwassertiefgang von 12,8 m bei einer Breite von 32,3 m befahren, Massengutschiffe bis zu einer Breite von 45 m bei gleicher Tiefe. Der Tidenhub beträgt normalerweise 3,7 m, weshalb sich der maximale Tiefgang bei Flut um etwa 1,8 m erhöht. So können tideabhängig auslaufende Schiffe einen Salzwassertiefgang von maximal 13,5 m haben. Es gibt ein Startfenster von 30 bis 80 Minuten, in dem Schiffe, je nach Typ, auch mit einem Tiefgang von maximal 15,1 m die Elbe hinauf fahren können. Mittlerweile ist die Grenze des ökologisch Verträglichen überschritten.

Durch diese Bauwerke hat sich das ursprüngliche Tidegeschehen zwischen mittlerem Tideniedrigwasser und mittlerem Tidehochwasser sowie die Wasserstände bei Sturmfluten erheblich verändert. Der Tidenhub hat sich in Hamburg insgesamt gut verdoppelt.

Seit dem Sommer 2000 werden immer wieder Sauerstofflöcher in der Tideelbe über längere Zeiträume beobachtet. Als Ursachen für die heutigen Sauerstofflöcher werden die letzten Elbvertiefungen, der dadurch mitverursachte Rückgang von Flachwassergebieten durch Sedimentation, die gestiegenen Unterhaltsbaggerungen, die Nitratbelastung des Oberwassers und das Schlickeggen im Hamburger Hafen und im Flusslauf angesehen. So wurde z. B. am 29. Mai 2007 ein Sauerstoffgehalt von 3 Milligramm Sauerstoff pro Liter Wasser in der Unterelbe ab Hafen Hamburg unterschritten.

Drei Wochen bevor die letzte Elbvertiefung am 30. November 2000 den offiziellen Abschluss fand, wurde die nächste Vertiefung bis 2003 vom Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe gefordert. Im September 2006 wurde auf Grundlage des Bundeswasserstraßengesetzes das Planfeststellungsverfahren für die 9. Elbvertiefung beantragt. Die Auslegung der Planunterlagen erfolgte vom 21. März bis zum 4. Mai 2007 mit verkürzter sechswöchiger Frist lt. Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben. In dieser Zeit wurden von den betroffenen Menschen, Verbänden und Kommunen ca. 5.200 Einwendungen erhoben. Die Einwendungen haben erhebliche Mängel der Planung offengelegt, die wesentliche Änderungen der Pläne zur Folge hatten. Am 11. Juni 2007 wurde der Antrag auf Durchführung einer vorgezogenen Teilbaumaßnahme von Hamburg Port Authority zurückgezogen. Im Herbst 2008 wurde eine erneute vierwöchige Planauslegung durchgeführt. Zuletzt hatte es 7200 Einwendungen gegeben.

Inzwischen wurde das dritte öffentliche Beteiligungsverfahren für die aktuell geplante Elbvertiefung abgeschlossen: vom 31. Mai bis 14. Juli 2010 lagen die Planunterlagen in den betroffenen Städten und Gemeinden Schleswig-Holsteins und Niedersachsens und den Hamburger Bezirken aus. Zunächst wurde mit dem Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses im Herbst 2010 gerechnet, dieser Zeitplan konnte allerdings nicht gehalten werden. Zuletzt übermittelte die Planfeststellungsbehörde im Januar 2011 der Europäischen Kommission die Unterlagen für eine Stellungnahme nach der FFH-Richtlinie. Vor Eingang dieser Stellungnahme von der EU Kommission kann das Planfeststellungsverfahren nicht abgeschlossen werden.

Der Küstenschutz ist gerade im Land Hadeln ein viel beachtetes Thema. Weite Teile der Marsch, insbesondere die Samtgemeinde Land Hadeln, liegen unter dem Meeresspiegel. Würde bei Otterndorf, zum Beispiel am Glameyer Stack, der Deich brechen, wäre eine großflächige Überflutung zu befürchten. Die Ausbaupläne bewirken eine Gefährdung der Deichsicherheit infolge von Wasserstands- und Strömungserhöhungen.

Das Problem der Versalzung des Grundwassers und des Beregnungswassers für das Obstanbaugebiet "Altes Land" würde durch die Verlagerung der Salzwasserzone flussaufwärts als Folge der weiteren Vertiefung der Elbe noch größer werden. Die Landesregierung verspricht den Obstbauern die Aufrechterhaltung der Bewässerungsmöglichkeiten. Die notwendigen Maßnahmen um weiter Süßwasser für den Obstanbau bereitzustellen werden jedoch auf 150 Mio € Kosten geschätzt. Zu befürchten ist, dass die Obstbauern im alten Land oder das Land - wie schon bei Planungen für einen Generalplan Wesermarsch - auf den Kosten sitzen bleiben.

Nach Pressemeldungen vom 28. und 29. September 2011 hat die EU-Kommission erneut einen Fragekatalog an die Genehmigungsbehörde und den Antragsteller gesandt mit dem Ziel, das Ausmaß der durch eine erneute Vertiefung zu erwartenden Ausweitung der Brackwasserzone beurteilen zu können. Die Ergebnisse dieser erneuten Überprüfung des Projektes durch die Europäische Kommission stehen noch aus.

Mittlerweile werden die Kosten einer erneuten Elbvertiefung auf ca. 460 Millionen Euro geschätzt. Dazu würden noch einmal bis zu 150 Millionen € Folgekosten kommen, um weiterhin Obstanbau im Alten Land betreiben zu können. Noch nicht berücksichtigt sind die die Kosten der Schäden an den immer stärker belasteten Deichen an der Elbe. Die Elbvertiefung ist also auch volkswirtschaftlich nicht vertretbar. Die parallele und wiederholte Vertiefung aller Flussmündungen in der deutschen Bucht ist weder ökologisch noch ökonomisch verantwortbar.

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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