Antrag: Sachgerechte Genehmigungsverfahren für Auslaufhaltungen sicherstellen!

...

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 29.4.2003

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung

Der Landtag stellt fest:
Ziel der heutigen Agrarpolitik ist es, durch veränderte politische Rahmenbedingungen vermehrt Landwirte zu ermutigen, ihre Nutztiere tiergerecht zu halten. Sie sollen ihnen bei Aufzucht und Mast Lebensbedingungen schaffen, die ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechen.
Da die Richtlinien und Vorschriften im immissionsrechtlichen Genehmigungsverfahren diese tiergerechten Haltungsformen mit Stroheinstreu, Auslauf ins Freie und Offenställen nicht sachgerecht bewerten, kommt es zu Benachteiligungen dieser landwirtschaftlichen Betriebe.

Der Landtag begrüßt,
dass die Bundesratsentschließung vom 26.4.2002, Drs. 393/02 zur Gründung eines Verbundprojekts geführt hat, in dem Untersuchungen zur Ermittlung und Bewertung von Emissionsdaten aus der Landwirtschaft, insbesondere aus Tierhaltungsanlagen mit artgerechter Haltung durchgeführt werden. Die Ergebnisse werden für das Jahr 2005 erwartet.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, bis zum Vorliegen dieser Ergebnisse sicherzustellen,
- dass es landesweit zu einer einheitlichen Genehmigungspraxis von Auslaufhaltung mit Stroheinstreu und Offenställen kommt,
- dass für diese Anlagen die Genehmigungsanforderungen nicht höher und die Auflagen nicht aufwändiger sind, als für geschlossene Tierhaltungsanlagen mit hoher Viehdichte, Spaltenböden, Gülle und Zwangsentlüftung und
- dass im Genehmigungsverfahren für die tiergerechten Haltungsformen z.B die jeweils günstigsten Berechnungsmethoden für Emissionsumfang und –ausbreitung angewendet werden.


Begründung

Durch die Agrarwende wächst unter anderem die zahlenmäßige Bedeutung tiergerechter Haltungsformen mit Stroheinstreu und Auslauf verbunden mit Offenställen. Zum einen findet eine hervorgehobene Betonung des ökologischen Landbaus durch Förderung, Marketinganstrengungen und Verbraucheraufklärung statt. Damit gewinnt eine Produktionsweise an Bedeutung, deren tierartgerechte Haltungsformen gesetzlich festgelegt sind (VO [EG] 1804/99), und bei denen die Auslaufhaltung ein zentrales Moment ist. Zum anderen macht die administrative Durchsetzung von tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Nutztierhaltung alternative Haltungsformen für Landwirte attraktiver. Ein Beispiel ist die Änderung der Legehennenverordnung, die das Sinnbild industrialisierter Tierproduktion abschaffte, den Käfig.
Das Land Niedersachsen hat durch seine Förderpolitik Anfang der 90er Jahre mit dazu beigetragen, dass sich das Neuland-Programm mit seinen besonders tiergerechten Haltungsformen zu einem stabilen Bereich der niedersächsischen Tierproduktion entwickelt hat.

Aus mindestens zweierlei Gründen werden die gegenwärtig im Genehmigungsverfahren angewandten Richtlinien und Vorschriften den Tierhaltungen mit Stroheinstreu und Auslauf nicht gerecht und führen zu benachteiligenden Verzerrungen:
1. Der Charakter der Emissionsquellen unterscheidet sich erheblich von Tierhaltungsanlagen mit Vollspalten, Gülle und Zwangsentlüftung. Es bestehen ungenügende Kenntnisse über den Emissionsumfang der tiergerechten Haltungsformen.
Eine Fehlcharakterisierung der Emissionsquellen findet bei der Bewertung befestigter Ausläufe statt. Sie werden z.B. nach Neuland-Richtlinien wöchentlich entmistet und neu eingestreut, immissionsmäßig aber wie eine Festmistplatte bewertet, deren Funktion darin besteht, dass Festmist bis zu sechs Monaten auf ihr gestapelt werden kann.
2. Die Emissionsausbreitung bei für diese Tierhaltungen charakteristischen bodennahen Emissionsquellen unterscheidet sich vermutlich erheblich von der konventioneller Ställe mit Spaltenboden, Gülle und Zwangsentlüftung. Die Aussagefähigkeit der in Niedersachsen angewandten Faktor-10-Methode (nach Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL)) für bodennahe Emissionsquellen ist umstritten. Ihre Anwendung führt bei Abstandsberechnungen zu Größenordnungen, die der realen Geruchsbelastung nicht angemessen sind.
Ausgehend von einem vom Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2001 initiierten Projekt "Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) und Landwirtschaft" ist es zu den vom Bundesrat geforderten Untersuchungen in Form eines Verbundprojektes gekommen, an dem außer NRW die Länder Niedersachsen, Baden-Württemberg und Sachsen beteiligt sind. Die Konzeption dieses Verbundprojekts beinhaltet folgende Schritte:
- Durchführung von Emissionsmessungen,
- Durchführung von Rasterbegehungen entsprechend der GIRL und dem einschlägigen VDI-Regelwerk,
- Ausbreitungsberechnungen und Abgleich von deren Ergebnissen mit denen der Begehungen,
- Durchführung von Belästigungsbefragungen von Anwohnern,
- Erfassung aller notwendigen meteorologischen Daten und Randbedingungen.
Es werden unterschiedliche Tierarten und Haltungsformen einbezogen; ausdrücklich ist dabei Auslaufhaltung mit Stroheinstreu vorgesehen

Die Landesregierung muss unnötige finanzielle Verluste von Landwirten, die ihre Nutztiere in artgerechten Haltungsformen aufziehen wollen und dafür z.B. Umnutzungen bestehender Ställe vornehmen wollen, abwenden. Häufig vollziehen sich die nicht sachgerechten Genehmigungsbedingungen für diese Landwirte dahingehend, dass ihnen die Einstallung einer geringeren Tierzahl auferlegt wird, als ursprünglich von ihnen beantragt. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse des Verbundprojekts im Jahr 2005 muss die Landesregierung die Genehmigungsbehörden anweisen, angemessene Übergangsregelungen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der TÜV Nord bei der Anwendung von Stroh in offenen Haltungssystemen von einer 30%igen Emissionsreduktion ausgeht, private Gutachterbüros sogar von einer 60%igen.







Fraktionsvorsitzende

Zurück zum Pressearchiv