Antrag: Resettlement und Relocation – Flüchtlinge schützen und aufnehmen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Niedersachsen hat laut Landesregierung (Drs. 18/5113) seit 2015 1.032 Personen im Rahmen von Resettlement-Programmen aufgenommen. Also durchschnittlich etwa 200 pro Jahr. Ein Großteil davon waren Geflüchtete in Syriens Nachbarstaaten und in Afrika.

Im Sommer 2015 hat Niedersachsen ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für rund 70 besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak, die im Zuge der kriegerischen Konflikte im Irak und Syrien Opfer von traumatisierenden Erfahrungen und Gewalt wurden, aufgelegt und durchgeführt. Im Rahmen dieses Programms wurden insgesamt 69 Jesidinnen und minderjährige Kinder aufgenommen.

Der Krieg in Syrien dauert jedoch an und lässt weiterhin zahlreiche Menschen Rettung in der Flucht suchen. Auch die Lage im Irak ist weiterhin und aktuell wieder besonders prekär. Immer noch leiden dort vor allem jesidische Frauen und Kinder aus dem Nordirak in Folge der IS-Herrschaft unter erlittener sexualisierter Gewalt und interner Vertreibung (sogenannte IDP - internally displaced Person).

Griechenland ist mit der Aufnahme der von mindestens zwei Kontinenten dorthin kommenden Flüchtlinge überfordert. Die Situation in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ist chaotisch und katastrophal. Darunter leiden insbesondere unbegleitete Minderjährige dort. Innenminister Pistorius hat Ende 2019 die Initiative zur Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen von den griechischen Inseln ergriffen. Der Landtag begrüßt und unterstützt diese Initiative.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1.      a) sich auf Europa- und Bundesebene für die Ausweitung des Resettlements einzusetzen und sich dabei bereit zu erklären, eine mindestens dreistellige Anzahl von Personen jährlich über den Königsteiner Schlüssel hinaus aufzunehmen, oder

b) hilfsweise ein eigenes niedersächsisches Resettlement-Programm - sobald und soweit das rechtlich möglich ist, auch ohne Zustimmung der Bundesregierung - aufzulegen. In den Blick zu nehmen sind dabei insbesondere Geflüchtete aus Syrien, aus verfestigten Fluchtsituationen in Subsahara-Afrika und Jesidinnen aus dem Irak.

2.      sich auf Europa- und Bundesebene für ein neues Relocation-Programm zur Entlastung Griechenlands einzusetzen und dabei insbesondere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Griechenland in den Blick zu nehmen und nach Niedersachsen zu holen.

Begründung

Niedersachsens Aufnahmebereitschaft spiegelt sich unter anderem in der kommunalen Teilnahme an der internationalen Bewegung „Seebrücke“ wieder. Deutschlandweit haben sich bereits 124 Städte und Gemeinden, in Niedersachsen 25 Kommunen zum Sicheren Hafen für Geflüchtete erklärt. Sie sind bereit, Geflüchtete vor Ort aufzunehmen. Dieses Zeichen zivilgesellschaftlichen Engagements sollte die Landesregierung aufgreifen und auch landesseitig Aufnahmebereitschaft signalisieren.

Zu 1.: Resettlement bedeutet die Neuansiedlung oder auch Umsiedlung von besonders gefährdeten Flüchtlingen aus einem Nicht-EU-Staat in einem zur Aufnahme bereiten Staat unter Zuerkennung entweder des vollen Flüchtlingsstatus oder (so in Deutschland) eines nur temporären humanitären Schutzes.

Beim UN-Gipfel am 20.09.2016 verpflichteten sich 48 Staaten dazu, den Zugang zu dauerhaften Lösungen durch Resettlement ausweiten.

Voraussetzung für die Aufnahme in ein Resettlement-Programm ist, dass die Person in ihrem Erst-Zufluchtsstaat schon als Flüchtling anerkannt wurde, dass eine baldige freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich ist und dass sie auch in ihrem Erstzufluchtsstaat wegen Bedrohungen für Leib und Leben oder mangels Aussicht auf ein würdiges Leben nicht bleiben kann. Zusätzlich hat der UNHCR weitere Kategorien besonderer Schutzbedürftigkeit formuliert, von denen mindestens eine zutreffen muss, bevor der UNHCR in Betracht zieht, die Person an ein Drittland vorzuschlagen:

-    Personen mit besonderen rechtlichen und physischen Schutzbedürfnissen

-    Überlebende von Gewalt und/oder Folter

-    Personen mit besonderem medizinischen Behandlungsbedarf

-    Frauen und Mädchen mit besonderer Risikoexposition

-    Personen, deren Familienangehörige sich bereits im Resettlement-Staat befinden

-    Flüchtlingskinder und heranwachsende Flüchtlinge mit besonderer Risikoexposition.

-    ältere Flüchtlinge

Auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember 2011 wurde eine dauerhafte Beteiligung Deutschlands am Resettlement-Programm beschlossen. Auf der Innenministerkonferenz im Herbst 2013 wurde beschlossen, das Programm unbefristet fortzusetzen und ab 2015 jährlich 500 Aufnahmeplätze bereitzustellen. Auf der Innenministerkonferenz im Dezember 2019 wurde eine Erhöhung der für Resettlement zur Verfügung gestellten Plätze von jährlich 500 auf 1.600 ab dem Jahr 2020 beschlossen.

Deutschland stellt im Rahmen des EU-Resettlement-Programms 5.500 Plätze im Jahr 2020 für besonders schutzbedürftige Geflüchtete zur Verfügung. Die aufgenommenen Menschen werden auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zuwanderungsspanne von jährlich 160.000 bis 220.000 Personen angerechnet. Hintergrund ist die Empfehlung der Europäischen Kommission, EU-weit bis Dezember 2020 30.000 Resettlement-Plätze zu schaffen. Die EU-Kommission zahlt für jede Person, die in 2020 im Zuge von Resettlement aufgenommen wird, 10.000 EUR an den jeweiligen Mitgliedstaat.

Das Aufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge aus der Türkei, welches mit der Aufnahmeanordnung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 11. Januar 2017 begonnen hatte, lief zum 31. Dezember 2019 aus. Das BMI hat entschieden, das deutsche Engagement fortzusetzen und eine Aufnahme von bis zu 500 Personen pro Monat bis zum 31. Dezember 2020 zu ermöglichen. Insgesamt sind für das Programm bis zu 3.000 Plätze vorgesehen. Die Anordnung wurde mit den obersten Landesbehörden abgestimmt. Die Aufnahmen werden in das EU-Resettlement-Kontingent von 5.500 Personen miteingerechnet.

Basierend auf einem Bundestagsbeschluss vom Juni 2013 hatten alle Bundesländer außer Bayern eigene Landesaufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge eingerichtet. Viele dieser Aufnahmeprogramme sind bereits abgeschlossen. Aktuell laufen noch folgende Landesaufnahmeprogramme:

-    Berlin: verlängert bis 31.12.2020

-    Brandenburg: verlängert bis Ende der Legislaturperiode in 2024

-    Hamburg: verlängert bis 30.11.2020

-    Schleswig-Holstein: verlängert bis 30.06.2020

-    Thüringen: verlängert bis 31.12.2020

Durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, welches am 1. August 2015 in Kraft trat, wurde mit § 23 Abs. 4 AufenthG eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen in Deutschland geschaffen.

Nach aktueller Gesetzeslage erhalten über die Länderprogramme aufgenommene Personen einen weniger weitgehenden Aufenthaltstitel (§ 23 Abs. 1 AufenthG) als über das Resettlement-Programm des Bundes Aufgenommene (§ 23 Abs. 4 AufenthG), obwohl beide Gruppen denselben Schutzbedarf haben. Zudem können die Personen über ein Bundesprogramm schneller einreisen, da der Bund gegenüber den Länderprogrammen bei allen logistischen Schritten durch die mitwirkenden Organisationen wie UNHCR, IOM oder Sicherheitsbehörden vorrangig behandelt wird. Somit kommt ein Landesprogramm gegenüber einer Ausweitung des Resettlements auf Bundesebene nur hilfsweise in Betracht.

Aktuell wird von verschiedenen Seiten eine Änderung des § 23 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gefordert. Die Länder sollen, ohne wie bisher erforderlich Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern herstellen zu müssen, Menschen in Not zusätzlich zu dem ihnen zugewiesenen Anteil von bereits in Deutschland angekommenen Geflüchteten aufnehmen können. Für eine humanitäre Aufnahme soll künftig die Benehmensherstellung mit dem Bundesministerium des Innern genügen.

Zu 2.: Relocation bedeutet die Umsiedlung von schutzbedürftigen Personen von einem in einen anderen Staat der EU mit dem Ziel der Entlastung einzelner Mitgliedsstaaten und basiert auf der Notfall-Klausel von Artikel 78 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Für Relocation in Deutschland kommen nur Personen in Betracht, die in einem EU-Staat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. In der Vergangenheit musste eine prognostizierte Anerkennungsquote von mindestens 75 Prozent vorliegen. Dies könnte in der Zukunft variabel gestaltet werden.

Die Europäische Kommission legte im September 2015 ein Relocation-Programm zur Umsiedlung von 40.000 schutzbedürftigen Personen, die in Italien oder Griechenland angekommen sind, auf. Kurz darauf beschlossen die EU-Staaten, weitere 120.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten zu verteilen. Im Wesentlich waren davon Personen aus Eritrea, Irak, Iran, Syrien und Somalia betroffen. Deutschland stellte ab September 2016 monatlich 500 Plätze für Italien und 500 Plätze für Griechenland bereit. Das Programm wurde mittlerweile eingestellt.

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